Zoll-Duell
Ein riskanter Tanz: Wirtschafts- und Klimawende trotz Zoll-Duell zwischen der EU und China?
Autowerbungen auf Flughäfen sind keine Seltenheit und so sind wir es auch gewohnt einen BMW, Audi oder Mercedes inmitten eines Flughafens zu begutachten. Reisende soll man nicht aufhalten und deshalb ergibt es wohl auch Sinn, vor dem Einstieg in ein Fortbewegungsmittel, ein anderes anzupreisen. Als ich das letzte Mal am Flughafen der europäischen Hauptstadt angekommen bin, fiel mir allerdings etwas ganz besonders ins Auge.
Es war keine der großen deutschen oder französischen Marken, die in Kinoleinwandgröße angepriesen wurde. Ein riesiges Plakat der chinesischen Elektroauto-Marke BYD bahnte sich vor mir auf und löste gemischte Gefühle aus. Ich kannte die Marke zwar bereits, sie jedoch hier so prominent platziert zu sehen und nicht eine der europäischen Größen, fühlte sich ungewöhnlich an. Ebenso wird die derzeitige Europa-Fußball-Weltmeisterschaft nicht von Logos von VW oder Renault geschmückt, denn BYD ist der einzige Autobauer, der das Event sponsert. Ist China überhaupt noch auf der Überholspur oder schon längst an uns vorbeigefahren?
Die Präsenz chinesischer Autos auf dem europäischen Markt hat in den letzten Jahren auch Deutschland und die EU umgetrieben. Diese hat in der vergangenen Woche angekündigt, mit Anfang Juli Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos zu erlassen. Für chinesische Hersteller sollen zwischen 17,4 % und 38,1 % auf die bereits bestehenden Zölle von 10 % aufgeschlagen werden. Doch laut der Industrie könnten auch westliche Autobauer, wie Tesla und BMW betroffen sein, die in China für den europäischen Markt produzieren. Deutschland hat sich deshalb für eine Schonfrist und ein Gesprächsangebot an China eingesetzt, für das der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Wochenende bei seiner Reise in das Land warb.
Schweine spalten Europa
Besonders die deutsche Debatte ist bei dem Thema gespalten. Während sich laut eine Umfrage des IW Köln rund 80 % der deutschen Autobauer für die Zölle aussprechen, haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Produktion in das ostasiatische Land verlegt. Dadurch werden nicht nur nationale Gegenmaßnahmen gefürchtet, sondern auch ein Handelskrieg steht im Raum.
Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und China betrug im vergangenen Jahr 254 Milliarden Euro – ein Zwölftel des gesamten deutschen Warenhandels. Als erste Reaktion auf die Zölle hat China auch bereits eine Prüfung von Schweinefleisch und anderen Produkten aus Schwein angekündigt. Ein kluger Schachzug, nachdem ganz Europa dieses Frühjahr in Bauernprotesten versunken ist. Gerade die Niederlande, Spanien, Frankreich und Dänemark exportieren Schweineprodukte im Wert von rund 2,5 Milliarden Euro nach China. Darüber hinaus wurde auch eine Prüfung der Weinbrand-Exporte angekündigt – ein klares Zeichen, um Frankreich, einen der Hauptproponenten der Zölle, in die Schranken zu weisen.
Im Zeitalter des Systemkonflikts will die EU durch ihre Zölle klarmachen, dass sie nicht nur bellen, sondern auch beißen kann. Die Zölle sollen chinesische Unternehmen aber nicht unbedingt vom europäischen Markt fernhalten, sondern nach chinesischem Vorbild Joint Ventures und Produktionsstandorte in Europa kreieren. Dabei werden allerdings volkswirtschaftliche Motivatoren außer Acht gelassen. Europäische Autobauer haben sich nicht aufgrund des guten Essens und der pittoresken Innenstädte in China niedergelassen, sondern wegen außerordentlich niedrigen Arbeitskosten, laxen Umweltauflagen und einfachen Genehmigungsverfahren. Gerade in diesen Punkten gestaltet sich das Bild in Europa jedoch anders.
Dies scheint der Zusammenarbeit jedoch nicht im Wege zu stehen, so lockt Europa auch mit hohen Subventionen, beispielsweise bei der Forschung und Entwicklung. Das transatlantische Unternehmen Stellantis, zu dem unter anderem Jeep, Fiat und Maserati gehören, ist zuletzt eine Partnerschaft mit Leapmotor eingegangen. Auch EBRO-EV, ein spanischer Elektroautohersteller, wird künftig mit Chery, dem fünftgrößten Autohersteller Chinas, gemeinsam neue Fahrzeuge entwickeln. Währenddessen positioniert sich Ungarn als Produktionshub. Neben bestehenden Plänen von BYD kann das Land über 40 % der chinesischen Direktinvestitionen verzeichnen – fast 70 % davon im Bereich der Elektrofahrzeuge. Auch die anstehende ungarische Ratspräsidentschaft soll genutzt werden, um offener für chinesische Investitionen zu werden.
Innovation bringt China auf die Überholspur
Der steigende Marktanteil chinesischer Elektroautos ist auch nicht verwunderlich. Autos von BYD kosten teils deutlich weniger als die Hälfte von Vergleichsmodellen aus dem Westen. Neben massiven staatlichen Subventionen baut China seine Batteriekapazitäten seit Jahren immens aus. Auf innovative Technologie kann durch IT- und KI-Expertise auch viel breiter zugegriffen werden.
In den letzten drei Monaten von 2023 hat BYD deshalb auch Tesla als meistverkaufte Marke im Elektroauto-Segment abgelöst. Dies blieb auch in den USA nicht unbemerkt. Kurz darauf, im Mai dieses Jahres, erließ Präsident Biden einen 100 % Strafzoll auf chinesische Elektroautos. Im Gegensatz zu den europäischen Maßnahmen wird hier nicht nur bloß die Subventionshöhe ausgeglichen, sondern auch eine vorbeugende Schutzwirkung entfalten, denn die USA bezieht kaum Autos aus China. Hiermit soll verhindert werden, dass die Überkapazität in China sich anschließend anstatt nach Europa in die USA verlagert.
Doch von den US-Zollerhöhungen waren nicht nur E-Autos betroffen, auch der Import von chinesischen Solarpanels, Mikrochips und Batterien wurde deutlich teurer. China produziert heute rund 80 % der Solarpanels weltweit, während nur noch 3 % der in Europa genutzten Solarpanels auch tatsächlich vor Ort produziert werden. Solarpanele aus China kosten im Schnitt nur rund halb so viel per Watt Leistung. Ein ähnliches Bild kann bei Windturbinen gezeichnet werden, weshalb auch hier die EU-Kommission bereits Strafzölle prüft.
Grüne Wende made in China
Es sollte allerdings an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten bindende Ziele für die Klimaneutralität bis 2050 vorgeschrieben haben. Bis 2030 soll bereits eine Reduktion um 55 % der Treibhausgase im Vergleich zum Referenzjahr 1990 erreicht werden. Erneuerbare Energie und die Elektrifizierung, insbesondere des Verkehrs, sind große Hebel auf dem Weg dorthin. Der Elektroautomarkt bleibt weiterhin umkämpft und es besteht noch großes Potenzial für europäische Innovation und Wettbewerb. Es sollte aber die Frage gestellt werden, ob dies bei erneuerbaren Energieanlagen ähnlich gelagert ist oder man besser von der billigen Produktion aus China profitieren will, ohne jedoch das Innovationspotential in Europa zu verlieren.
Es bleibt auch fraglich, ob der Green Deal Industrial Plan an den Marktanteilen und den Kosten viel ändern wird. Im Gegensatz zu den USA, deren Inflation Reduction Act Milliardensubventionen für grüne Technologien vorsieht, fehlt in der EU eine kohärente Industriepolitik und ein Plan, wie die erforderlichen Investitionen erreicht werden können. Schätzungen sprechen von einer Investitionslücke von rund 70 Milliarden bis 2030, allein um die EU-Ziele für europäische Solarpanelproduktion und Batterien zu erreichen. In diesem Kontext sprechen einige auch von einem neuen Energie Trilemma: Emissionsreduktion, Abkopplung von China und der Erhalt von europäischen Jobs.
Wie allerdings auch am Rande der Reise des Wirtschaftsministers klar wurde, ist es auch die chinesische Russlandpolitik, die zur europäischen Skepsis beiträgt. Die EU und China haben nun wieder Gespräche über gemeinsame Zölle aufgenommen. Dies könnte allerdings auch eine Verzögerungstaktik darstellen. Die EU muss ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen und ein selbstbewusster globaler Akteur werden. Sie darf nicht ins Schleudern geraten und muss nun harte Entscheidungen treffen.