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Myanmar
Der Widerstand feiert Siege

das Bündnis „Three Brotherhood Alliance“

Mitglieder des Bündnisses „Three Brotherhood Alliance“

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Seit dem Putsch des Militärs in Myanmar 2021 kämpft der Widerstand im Land gegen das Militär. Der Rest der Welt nahm davon lange kaum Notiz. Jüngst kam es zu besonders schweren Gefechten, vor allem an Myanmars Grenze zu China. Rebellen brachten Dörfer, Militärstützpunkte und wichtige Handelsrouten unter ihre Kontrolle.

In Myanmar haben bewaffnete Widerstandsgruppen in den vergangenen Wochen bedeutende Siege gegen das Militär gemeldet. Ende Oktober startete das Bündnis „Three Brotherhood Alliance“, das aus Kämpfern verschiedener ethnischer Gruppen besteht, die „Operation 1027“. Innerhalb weniger Tage nahmen die Rebellen wichtige Stützpunkte des Militärs und Handelsrouten ein. Besonders heftige Gefechte brachen im nördlichen Shan-Staat an der Grenze zu China aus. Die Region ist bekannt für illegales Glücksspiel sowie für Gangs, die in Menschenhandel und andere illegale Machenschaften verwickelt sind. Inzwischen haben sich die Kämpfe auch auf andere Regionen des Landes ausgebreitet. Anfang Dezember brachten Widerstandskämpfer laut Informationen des „Myanmar Peace Monitor“ 16 Dörfer nahe der Grenzen zu Bangladesch, Indien, Thailand und China unter ihre Kontrolle.

Für die Junta ist es die größte Herausforderung seit dem Putsch von 2021. Damals hatten die Militärs den erfolgreichen Demokratisierungsprozess des Landes zunichtegemacht. Eine Junta setzte die gewählte Regierung ab und nahm Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi fest. Tausende demonstrierten gegen die Machtübernahme des Militärs. Soldaten schlugen die Proteste blutig nieder. Vor allem junge Demonstranten flohen in ländliche Regionen des Landes. Dort dominieren ethnische Gruppen, die schon seit Jahrzehnten gegen das Militär kämpfen. Burmesen und ethnische Minderheiten schlossen sich zum ersten Mal gegen den gemeinsamen Feind zusammen: das Militär. Gleichzeitig formten Politiker eine Schattenregierung, die als National Unity Government (NUG) weiterbesteht, international jedoch nicht anerkannt ist. Allerdings vertritt Kyaw Moe Tun, Myanmars Botschafter bei den Vereinten Nationen, dort weiterhin die demokratisch gewählte Zivilregierung Myanmars, nicht das Militärregime.

Im Sinne Pekings

Beobachter außerhalb des Landes beschrieben die Situation lange als brutal und stagnierend. Das internationale Interesse an dem Konflikt nahm ab. Zwar waren die Proteste nach 2021 abgeebbt, aber der Widerstand arbeitete an verschiedenen Fronten weiter an seinem Ziel, das Militär zu besiegen. Viele Myanmarer unterstützen die Bewegung durch Spenden und durch ihre Teilnahme am zivilen Ungehorsam. Die Schattenregierung baute Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft auf.

Dass es nun zur erfolgreichen „Operation 1027“ kam, hat auch mit dem großen Nachbarn China zu tun. Der chinesischen Regierung waren die kriminellen Aktivitäten in den Gebieten entlang der eigenen Grenze ein Dorn im Auge. In die Betrugszentren, von denen aus illegale Gangs weltweite Cyber Scams ausführen ließen, waren auch chinesische Staatsangehörige verschleppt oder mit falschen Versprechungen angelockt und dann dort festgehalten worden. Das myanmarische Militär ging nicht vehement gegen die lukrativen Betrugszentren vor. Kurz vor der „Operation 1027“ kam es in einem dieser Zentren zu einem folgenschweren Zwischenfall: Nach dem Fluchtversuch einiger von den Gangs festgehaltenen Zwangsarbeiter eröffneten Wachleute das Feuer. Dabei sollen Dutzende Menschen ums Leben gekommen sein, unter ihnen auch vier chinesische Undercover-Polizisten. Im Zuge von „Operation 1027“ wurde den Cyber-Scamming-Einrichtungen nun weitgehend der Garaus gemacht – ganz im Sinne Pekings.

Stabilität ist nicht das oberste Ziel

Das Militär reagierte auf die Geländegewinne der Widerstandskämpfer unter anderem mit Luftangriffen und ihrer altbekannten Strategie der „vier Schnitte“: Demnach sollen die Aufständischen nicht mehr an Geld, Nahrung, Geheimdienstinformationen und mögliche Rekruten gelangen. Vor allem die Bewohner des Bundesstaats Rakhine sind davon betroffen. Das Militär hat Reisebeschränkungen für weite Teile von Rakhine erlassen. Wichtige Straßen, die Rakhine mit der Metropole Yangon und anderen Teilen des Landes verbinden, wurden blockiert. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist stark eingeschränkt, es kommt zu Engpässen und Preissteigerungen. Wo sie können, haben die meisten Menschen aus den restlichen Kampfgebieten ihre Städte oder Dörfer verlassen. Etwa 150 Menschen wurden in den vergangenen Wochen getötet, mehr als 335.000 Menschen sind seit „Operation 1027“ auf der Flucht. Insgesamt gibt es mehr als zwei Millionen Flüchtlinge im Land.

Wie könnte es nun weitergehen in Myanmar? Stabilität an sich sei nicht das oberste Ziel des Widerstands, analysiert das „United States Institute of Peace“ (USIP). Vielmehr handle es sich um einen nationalen Aufstand, der darauf abziele, eine neue Nation aufzubauen, in der Hoffnung, dass sich daraus Stabilität ergeben werde. Oppositionskräfte fordern nicht nur die Rückkehr zu einer gewählten Regierung, sondern auch eine neue Verfassung, die eine demokratische Regierung und die Entfernung des Militärs von der politischen Macht vorsieht. Dass diese Ziele per Dialog mit der Junta errungen werden könnten, halten vor allem die jungen Menschen in Myanmar für ausgeschlossen. Bis eine der beiden Seiten gewinnt, muss auch die Zivilbevölkerung den Preis zahlen. Zudem müssen sich die unterschiedlichen Kräfte in dem ethnisch enorm vielfältigen Land in jedem Fall auf gemeinsame Ziele verständigen und jahrzehntelange Konflikte ruhen lassen.  

Es gibt aber auch Grund für Optimismus: Die Schattenregierung NUG ist die inklusivste politische Koalition in der Geschichte Myanmars. Diese Vielfalt wird auch in einem nationalen Dialog nach dem Konflikt ein großer Pluspunkt sein. Zudem hat der Zusammenschluss der Kämpfer unterschiedlicher ethnischer Gruppen sowie die Unterstützung für die Widerstandsgruppen aus der gesamten Bevölkerung das Potenzial für Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen verringert. Und: Die junge Bevölkerung hat die erfolgreiche Demokratisierung ab den Wahlen von 2015 erlebt und weiß daher, dass positiver Wandel möglich ist. Die jüngsten Erfolge der Widerstandskämpfer machen Demokraten Hoffnung.

Vanessa Steinmetz leitet die FNF-Büros Thailand und Myanmar.