Liberalismus
Arno Esch: Der junge Liberale, der sich dem Kommunismus mutig entgegenstellte
„Es darf für einen liberalen Menschen nie einen Zeitpunkt geben, wo er vor der Umwelt kapituliert!“ – diese Worte rief der 21-jährige Arno Esch im Oktober 1949, nur wenige Tage nach der Gründung der DDR, bei einer Versammlung der Liberal-Demokratischen Partei in Rostock aus.
Esch, Rostocker Jura-Student, unangefochtener Anführer junger Mecklenburger Liberaldemokraten und seit einigen Monaten Mitglied des LDP-Vorstandes, wusste allzu gut, mit welcher Skrupellosigkeit die kommunistischen Machthaber ihr Ziel verfolgten, die Liberaldemokraten gerade zu einer solchen Kapitulation zu zwingen und sie dazu zu bringen, das liberale Prinzip der individuellen Freiheit dem kollektivistischen Dogma unterzuordnen. Trotzdem stellte sich Esch dieser Entwicklung entschieden und angstfrei in den Weg – als Politiker, Redner, Publizist und nicht zuletzt als liberaler Vordenker. Es gelang ihm immer wieder, Jugendliche für den Liberalismus zu begeistern, allem voran für dessen eigene Vision, die er als „Neuliberalismus“ bezeichnete.
Esch setzte sich zum Ziel, den Liberalismus ideologisch sowie programmatisch zu modernisieren, damit er seine Überlegenheit gegenüber dem auf die Realitäten des 19. Jahrhunderts bezogenen Marxismus beweisen könne. Sein politisches Programm sollte eine Antwort auf die kommunistische Verheißung einer „gerechten“ Gesellschaft werden. Im Gegensatz zu den Kommunisten rückte er nicht die materielle Gleichheit, sondern höchstmögliche Gleichheit der Startchancen als Voraussetzung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt. Der Liberalismus sei dazu prädestiniert, eine Alternative der „zivilisationsfeindlichen“ kollektivistischen kommunistischen Ideologie und Praxis zu entwickeln und die Gesellschaft grundlegend zu reformieren – davon war Esch überzeugt.
Für die Kommunisten galt er daher als erklärter Feind und als „Reaktionär“. Am 18. Oktober 1949 wurde Arno Esch von der sowjetischen Staatssicherheit in seinem Studentenzimmer in Rostock verhaftet. Damit wurde eine mächtige Verfolgungswelle in Gang gesetzt, der viele Liberaldemokraten in Mecklenburg zum Opfer fielen. Die Repressionen waren eine wichtige Voraussetzung für die endgültige Gleichschaltung der LDP im Jahr 1950.
Mehr als anderthalb Jahre verbrachte Esch in sowjetischer Haft – zunächst in Schwerin und später in Moskau. Am 24. Juli 1951 wurde er in Moskau hingerichtet. Die Anziehungskraft seiner Ideen blieb über seinen Tod hinaus bestehen. Von Esch inspiriert, wurde sein einstiger Mitstreiter Karl-Hermann Flach viele Jahre später zu einem der Wegbereiter der Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition von 1969 bis 1982. Eschs Ansatz, den Liberalismus in jeder Epoche neu zu denken, wurde zu einer Quelle des womöglich ambitioniertesten Reformprojektes in der Geschichte der Bundesrepublik. „Wir Liberalen sind heute in der Gefahr, eine konservative Partei zu werden, wir müssen aber eine Fortschrittspartei bleiben!“, betonte Esch 1949. Diese Worte klingen heute aktueller denn je.