Asien macht mobil
„Taifun Warnstufe “ steht auf dem Schild. Der Regen peitscht bereits. Nass bin ich noch nicht. Ich verlasse das Gebäude im zweiten Stock. Treibe im Strom der Menschen Richtung U-Bahn, ohne mit einer Straße in Berührung zu kommen. Hängebrücken die im urbanen Dschungel Hong Kongs als dichtes Netz die Hochhäuser verbinden. Überall ragen sie hier in den Himmel und an Tagen wie diesen kratzen ihre Spitzen tatsächlich die Wolken oder verschwinden sogar darin. In diesem Dschungel schaue ich verzweifelt auf mein Smartphone. Das GPS kommt in den Häuserschluchten nicht gut zurecht. Der kleine blaue Punkt springt auf der Karte hin und her. Umso konstanter dafür die LTE Anzeige. Nur einmal habe ich mich hier bislang mit 3G begnügen müssen. Aber das war in einem Aufzug und dauerte zum Glück nur kurz. Das Skype-Videobild wurde dann sofort wieder besser und die Besprechung mit meiner Kollegin in Deutschland konnte weitergehen, während ich auf dem Weg zum nächsten Termin war.
Mobil dank Handy
Dank altmodischer, ganz undigitaler Beschilderung finde ich dann glücklicherweise trotzdem ohne Verzögerung den Weg zur Hongkong Central Station. Hier ist einer der beiden In-Town Check-ins. Die Dame am Schalter beruhigt mich, dass der Taifun abgedreht hat und mein Flug am Abend nicht betroffen ist. Sie nimmt meinen Koffer entgegen und stellt mir meine Bordkarte aus. Vom Gepäck und Sorge um meinen Flug nach Deutschland befreit mache ich mich auf, um mich mit einem Hongkonger StartUper, Lawrence Hui, zu treffen. Car-Sharing in einer Stadt, in der Parkplätze teurer als in London sind, ist sein aktuelles Projekt. Unser Gespräch wird zu einem Podcast des neuen Innovation Hubs der Naumann Stiftung. Jetzt scheint sogar die Sonne. In Peking und ein paar anderen Städten hätte ich mir nun mit den immer populärer werden Ridesharing-Apps ein Fahrrad nehmen können, um zurückzukommen.
Ich zahle unseren Kaffee, indem ich meine Octopus-Karte über den Scanner an der Kasse halte. Die kann ich an jedem Kiosk aufladen und zahle damit im Supermarkt, in der U-Bahn, im Taxi, die Fähre, die Tram, im Bus, bei MacDonals, KFC und Yoshinoya. Ein kleines Stück Plastik als Schlüssel der persönlichen Mobilität im Alltag.
„Octopus haben wir seit 20 Jahren. Alles veraltet“, sagt ein Freund aus der Hongkonger Fintech-Szene. „In Shanghai hatte ich eine Woche nur 10 Renminbi in der Tasche. Sogar am Obststand habe ich mit Smartphone über den Wechat-QR-Code bezahlt.“
Ich denke an meinen Flug nach Deutschland, wo mir viele Verkehrsverbünde von Technologien wie der Octopus-Card noch genauso weit entfernt zu sein scheinen, wie vor 20 Jahren. Ich nutze die Karte für den Airport Express, der mich in 25 Minuten aus dem Stadtcenter zum Hongkonger Flughafen bringt. Der wurde übrigens ins Meer gebaut und wird auch noch erweitert. Aber darüber will ich nicht schreiben, weil Witze über den Berliner Flughafen sogar schon in Asien so antik sind wie sein Baubeginn. Beim Abflug sehe ich unter mir die fast fertige, über 30 km lange Hongkong-Zhuhai-Macao Brücke durch das Südchinesische Meer.
Asia on the Move
Nach Zwischenstopp in Frankfurt und guter Landung in Tegel hebt sich die Stimmung. Der Innovation Hub der Stiftung bringt hier junge StartUper aus Asien nach Deutschland. Unter ihnen ist Samantha Kapunan. Ihr StartUp „IwantSeats“ bekämpft mit Software und Smartphone den Verkehrskollaps in philippinischen Städten und ermöglicht den ärmeren Bevölkerungsschichten einen besseren Zugang zur Mobilität. Mit Idealen, Kreativität und als nachhaltiges Geschäft.
Je besser ich die StartUper auf dieser Delegationsreise kennenlerne, desto faszinierter bin ich von ihrer Entschlossenheit, auch unter schwierigen Bedingungen von Malaysia bis Myanmar ihre Ideen umzusetzen. Wie sie ihre Länder durch ihr unternehmerisches Engagement vorantreiben und neue Technologie dabei als Werkzeug zur Gestaltung der Zukunft nutzen.
Wir machen Station in Berlin, Hamburg und in NRW. Unsere asiatischen StartUper treffen ihre deutschen Pendants. Der Geist ist häufig der gleiche. Die Bilanz über die Kontinente auch: Weniger Barrieren. Weniger verbieten. Weniger reden. Mehr machen. Mehr Freiraum. Mehr ermöglichen. Mehr Mut zum Fortschritt.
Mit Austauschprogrammen und anderen Aktivitäten unseres Innovation Hubs wollen wir auch ein Vorurteil bekämpfen: Die Vorstellung vieler Europäer über Asien, die in den 90ern stehengeblieben zu sein scheint. Viele Länder in Asien, vor allem Städte, haben nicht nur aufgeholt. Sie sind vorbeigezogen und gestalten die Zukunft als „Smart Cities“ mit moderner Mobilität.
Mut zum Fortschritt und der Wille, massiv neue Technologie zu nutzen, ist in Asien weit verbreitet. Eine Dynamik, die einen häufig schon am Flughafen erfasst und mitreist. Ob Yangon oder Hong Kong, ob Jakarta oder Taipeh, ob Bangkok oder Seoul. Hier bewegt sich was. Warten wir, bis es uns triff wie ein Taifun - oder bewegen wir uns mit?
Armin Reinartz ist Leiter des Innovation Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung in Hong Kong.