Der Auftakt der liberalen Erwachsenenbildung
Kriegsbedingt – man befand im vierten Jahr des bis dahin mörderischsten Krieg überhaupt - war der Auftakt sehr unspektakulär: Lediglich in einer Notiz für die Leser der „Hilfe“ wurde darauf hingewiesen, dass am 22. Mai 1918, abends 8 Uhr, am Berliner Kronprinzenufer 27 (heute Ludwig-Erhard-Ufer) die „Staatsbürgerschule“ ihren Vorlesungsbetrieb aufnehmen würde. Die Bildungsarbeit begann mit einem Vortrag von Naumanns Mitarbeiter Wilhelm Heile über „Die Verfassung und Verfassungsreform in Preußen-Deutschland“.
Friedrich Naumann, der den zweiten Vortrag am 6. Juni hielt, hatte sich mit dieser Gründung einen lang gehegten Traum erfüllt, nicht zuletzt dank großzügiger Unterstützung durch den befreundeten Unternehmer Robert Bosch. Die „Staatsbürgerschule“ zielte eindeutig auf eine kommende Friedenszeit, in der der Obrigkeitsstaat wilhelminischer Prägung endgültig überwunden sein würde. Sie sollte deshalb „ein Heer von gut gebildeten Kämpfern heranbilden“, die dann „die Erziehung des Volkes zu staatsbürgerlichem Denken im liberalen, sozialen und nationalen Geist“ übernehmen sollten.
Großen Aufschwung erlebte Naumanns Schöpfung als „Deutsche Hochschule für Politik“ in der Weimarer Zeit. Von der „Staatbürgerschule“ unterschied sie nicht nur ihre eher „überparteilich-republikanische“ Ausrichtung, sondern vor allem auch der Umstand, dass sie mehr Elitenschulung als politische Breitenbildung betrieb. Konsequenterweise ging sie schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Freien Universität Berlin auf.
Für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit stellt deshalb die „Staatsbürgerschule“ die „Urmutter“ der liberalen Erwachsenenbildung dar, an der man fast auf den Tag genau 40 Jahre später unter ganz anderen politischen Umständen wieder anknüpfte.
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„Nutzen und Notwendigkeit einer politischen Volkshochschule" ,von Wilhelm Heile erschienen in "Die Hilfe", 25.4.1918