Österreich
Die FPÖ an der Spitze: Was bedeutet der Rechtsruck Österreichs für Europa?
Die Nationalratswahl 2024 in Österreich bestätigt den europaweiten Trend: Mit 29,2 Prozent ist die rechtspopulistische FPÖ zur stärksten Kraft aufgestiegen und verstärkt damit die Polarisierung und den Rechtsruck in Europa. Für Österreich war dies auch eine entscheidende Richtungswahl, da sie beeinflusst, ob Österreich seine pro-europäische Haltung beibehält oder sich unter einer FPÖ-Regierung stärker nationalistisch ausrichtet. Die Konsequenzen dieses Ergebnisses für Deutschland und die EU könnten weitreichend sein – steht Europa nun vor einer weiteren Verschärfung des politischen Klimas?
Neos als Gegengewicht zu extremen Tendenzen
Trotz des klaren Wahlsiegs der FPÖ gab es in Österreich auch erfreuliche Signale aus einer anderen Richtung: Die liberalen Neos erzielten mit 9,1 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis und konnten 1,4 Prozentpunkte zulegen. Dieses Resultat zeigt, dass es nach wie vor Spielraum für alternative politische Ansätze gibt. Das gute Abschneiden der Neos trotz des Rechtsrucks zeigt, dass in der Wählerschaft weiterhin Interesse an progressiveren, liberalen Ansätzen besteht. Sollte sich die Partei künftig an einer Regierungsbildung beteiligen, könnte sie eine interessante Dynamik schaffen und als Gegengewicht zu extremen Tendenzen wirken.
Europas Zukunft in Gefahr durch Österreichs mögliche Kehrtwende
Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch der FPÖ zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung verweigert. Stattdessen rief er die Vorsitzenden der drei stimmenstärksten Parteien, ÖVP, FPÖ und SPÖ, dazu auf, Gespräche miteinander zu führen und verlässlich zu klären, ob und wie eine Zusammenarbeit vorstellbar sei. Sollte es der FPÖ doch noch gelingen, in die Regierung zu kommen, könnte sich Österreichs pro-europäische Haltung drastisch ändern. Herbert Kickl hat bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er die europäischen Institutionen schwächen und die Zusammenarbeit innerhalb der EU erschweren will. Die FPÖ verfolgt das Ziel einer „Festung Österreich“ und lehnt europäische Solidarität sowie EU-Entscheidungen ab. Gleichzeitig hat die Partei enge Verbindungen zu Wladimir Putin und fordert nicht nur ein Ende der EU-Unterstützung für die Ukraine, sondern auch ein Ende der Sanktionen gegen Russland.
Österreich könnte versuchen, ähnlich wie Ungarn unter Viktor Orbán, wichtige EU-Entscheidungen zu blockieren. Viele Entscheidungen werden im Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit getroffen. Um einen Beschluss zu verhindern, ist eine Sperrminorität von mindestens 4 Mitgliedstaaten erforderlich; Ungarn, Italien und die Niederlande allein reichen dafür nicht aus, doch mit einem rechts regierten Österreich könnte sich dies ändern, was Europas Handlungsfähigkeit in zentralen Bereichen wie Migration und Klimapolitik erheblich einschränken würde.
Ähnliche Entwicklungen sind nicht nur in Österreich zu beobachten, sondern auch in Deutschland und anderen Teilen Europas wie Frankreich, Italien und den Niederlanden. In Brüssel ist man entschlossen zu reagieren. In einem Interview mit Phoenix kommentiert MEP Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Renew) die jüngsten Wahlergebnisse in Österreich:
Man müsse sich fragen, welche Ängste die Menschen haben und das sei aktuell überwiegend das Thema Migration. Geordnete Migration ist erforderlich, gleichzeitig müsse man eine klare Haltung einnehmen, denn: "Radikale wollen wir in Europa nicht."[1]
Die erste Regierungskoalition zwischen der ÖVP und der FPÖ im Oktober 1999 wurde damals in der EU als Tabubruch empfunden, weshalb man mit diplomatischen Sanktionen reagierte, um die Regierung unter Beteiligung der FPÖ zu isolieren und ein klares Signal gegen die Zusammenarbeit mit Parteien dieser Art zu setzen. Es sollte deutlich werden, dass die FPÖ als politischer Partner nicht salonfähig und akzeptabel für die EU sei. Alle 14 Mitgliedstaaten verhängten bilateralen Maßnahmen gegen die österreichische Regierung beispielsweise durch eine Verweigerung der Unterstützung österreichischer Kandidaten in internationalen Organisationen. Diese Sanktionen wurden jedoch nach etwa einem Jahr wieder aufgehoben, ohne den Einfluss der FPÖ in Österreich nennenswert zu schwächen. Die Maßnahmen zeigten nur begrenzte Wirkung, wie die anschließende Bildung einer weiteren Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ verdeutlicht. Angesichts des mangelnden Erfolgs dieser Maßnahmen und der zunehmenden Präsenz rechtspopulistischer Parteien in anderen EU-Staaten erscheint ein Versuch der vollständigen Isolierung heute als unwahrscheinlich.
Droht Deutschland eine ähnliche Entwicklung?
In Deutschland konnte die AfD bereits vor einigen Wochen bei den Landtagswahlen ähnliche Erfolge verzeichnen. Das österreichische Wahlergebnis sollte daher als weiterer Weckruf dienen, um die wachsende Unterstützung für solche Parteien in der gesamten Region ernst zu nehmen.
Auch wenn die FPÖ, die ursprünglich als Partei ehemaliger Nationalsozialisten gegründet wurde, aufgrund ihrer langjährigen Präsenz und mehrfachen Regierungsbeteiligung nicht direkt mit der AfD gleichzusetzen ist, könnte Deutschland im nächsten Jahr eine ähnliche politische Entwicklung erleben.
Der Blick nach Österreich kann daher eine wichtige Orientierung bieten. Die Wahlergebnisse dort verdeutlichen, welche Themen die Wählerschaft besonders bewegen und wie politische Kräfte darauf reagieren. Im Fokus stehen Fragen der Migration, der sozialen und wirtschaftlichen Sicherheit und der Identitätspolitik, die sowohl in Österreich als auch in Deutschland eine entscheidende Rolle spielen. In Österreich hat sich deutlich gezeigt, dass die zentrale Wählerschaft der FPÖ vor allem aus zwei Gruppen besteht: In der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen und Bewohner ländlicher Gebiete. Dies deutet darauf hin, dass insbesondere mittelalte Wähler und Menschen aus ländlichen Gebieten, die in ihrer aktuellen Lebensphase finanziell und beruflich stark eingebunden sind, aus wirtschaftlichen Sorgen und dem Gefühl, abgehängt zu werden, verstärkt zur FPÖ tendiert haben.
Angesichts dieser Entwicklungen in Österreich sollten die demokratischen Parteien in Deutschland mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 ihre Kräfte bündeln. Es gilt, gezielt auf die Anliegen der Bevölkerung einzugehen, um ähnliche Erfolge für Rechtspopulisten zu verhindern.