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LOST SOULS OF SYRIA
Die Geschichte der Tragödie eines Volkes

Die syrischen Folterkammern des Anwar R.
Lost souls of syria

„Ich kenne diesen Ort von den Fotos, Stein für Stein, Ziegel für Ziegel. Ich habe dort 24 Stunden am Tag gelebt. Ich musste die Leichen selbst tragen“, sagt Suleiman Ali (Name geändert), der als syrischer Wehrpflichtiger im Militärhospital 601 seinen grausigen Dienst versehen musste. Ein Human Rights Watch-Bericht lieferte 2014 neue Belege für den Wahrheitsgehalt der sogenannten „Caesar-Akten“. Er beinhaltet 27 000 Fotos ermordeter Zivilgefangener, die von einem Überläufer mit dem Decknamen „Caesar“ aus den Geheimarchiven des syrischen Nachrichtendienstes gestohlen und öffentlich gemacht wurden.

Die meisten der 6.786 auf den Fotos abgebildeten Opfer, teilweise bis zur Unkenntlichkeit entstellt, waren in fünf Zweigstellen des Geheimdienstes in Damaskus inhaftiert. Folter, Aushungern, Prügelstrafen und Krankheiten sind in den Gefängnissen der syrischen Regierung nachweislich weit verbreitet.

Der Regisseur Stéphane Malterre und seine Co-Autorin und Feldforscherin Garance Le Caisne erhielten Zugang zu dieser Akte des Grauens. In ihrem Dokumentarfilm LOST SOULS OF SYRIA zeigen sie anhand der „Caesar-Akten“ den Kampf der Opfer und Angehörigen um Gerechtigkeit und die Schwierigkeiten der internationalen Justiz, ihrem Anspruch gerecht zu werden. Als Reaktion auf diese Untätigkeit wurden die Familien der Opfer, Aktivisten und „Caesar“ selbst vor nationalen Gerichten in ganz Europa aktiv. Mehr als fünf Jahre vergingen bis zum ersten Prozess gegen hohe Beamte der syrischen Todesmaschinerie.

Zwar hatten die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats versucht, eine Resolution zu verabschieden, die es dem Internationalen Strafgerichtshof ermöglichen würde, das Regime von Baschar al-Assad strafrechtlich zu verfolgen, doch die Vetos Russlands und Chinas machten dies unmöglich. Das Tausendfache Leiden und Sterben drohte in Vergessenheit zu geraten. Nur durch den Einsatz zahlreicher Familienangehöriger, europäischer Anwältinnen und Anwälten sowie „Caesar“ selbst öffneten die Türen der europäischen Gerichte.

Im Namen ihrer Angehörigen reichen sie Klagen gegen die höchsten Verantwortlichen des syrischen Regimes ein. Dabei stießen sie sowohl auf die mangelnde Bereitschaft westlicher Länder, gerichtlich gegen das Regime von Baschar al-Assad vorzugehen, als auch auf den anhaltenden Terror dieser Diktatur, der sich auch über die Landesgrenzen hinaus ausbreitete. Die Bilder von nackten, gefesselten, ausgemergelten und zu Tode gefolterten Körpern wurden daraufhin in Museen und Parlamenten auf der ganzen Welt gezeigt. Diese verstörenden Aufnahmen erinnern an die Gräueltaten des Nazi-Regimes oder der Roten Khmer. Lange hatte man geglaubt, solche Gräueltaten gehören der Vergangenheit an. Doch seit der Revolution 2011 setzte das Regime in Damaskus Verschleppung und Folter in großem Stil ein, um die  eigene  Bevölkerung  zum  Schweigen  zu  bringen.  Über 100.000 Syrerinnen und Syrer sind bisher in den Gefängnissen des Regimes verschwunden. Niemand kennt die wahren Zahlen.

Der Film THE LOST  SOULS  OF  SYRIA  wurde  über  fünf  Jahre  aus  beispielloser  Nähe  gefilmt  und  zeigt  die  Entwicklungen  hinter  den  Kulissen  dieser  Kämpfe  in  Spanien,  Frankreich, dem  Vereinigten  Königreich  und  Deutschland.  Sie führen zu dem weltweit ersten Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz,  das  im  Januar  2022  ein  historisches  Urteil  fällte: Die Verurteilung  eines  Mitglieds des syrischen Sicherheitsapparats Anwar R. zu lebenslanger Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Frankreich wird ebenfalls ein Prozess in Abwesenheit gegen zwei Schlüsselfiguren aus dem inneren Kreis von Baschar al-Assad erwartet. In dem anhaltenden Kampf um Gerechtigkeit geht es darum, die Täter zu benennen und zu verfolgen. Es geht darum, die Geschichte der Tragödie eines Volkes zu schreiben. Es geht nicht nur um Erinnerung an die Verstorbenen, sondern auch um das Schicksal der Lebenden.