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Landwirtschaft
Globale Ernährungskrise: Landwirtschaft neu gedacht

Landwirtschaft

Die Lebensmittelversorgung in Afrika bleibt angespannt – schuld ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine

© picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Der Blick über den „Tellerrand“

Nachdem der Hunger in der Welt in den vergangenen drei Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen hatte, ist diese Tendenz nun verebbt. Insbesondere in Afrika steigt der Anteil der Hungernden wieder an. Das liegt unter anderem an Disruptionen im internationalen Handel durch die Corona-Pandemie sowie an Unwettern und Dürreperioden, die das lokale Angebot verknappen. Besonders schwer hat allerdings der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine das Nahrungsangebot in Afrika getroffen. Die zunächst verhängten Hafensperren haben die Ausfuhr von ukrainischem Getreide verhindert. Dieses wird wiederum für einen Großteil des Kalorienbedarfs einiger nordafrikanischer Länder benötigt. Zwar ist der Seeweg nun wieder für ukrainische Getreideexporte zugänglich und dadurch die unmittelbare Not gemildert, allerdings behindert der andauernde Krieg die Einsaat und somit die Grundlage für weitere, zukünftige Lieferungen. Eine Verschärfung der Situation ist daher absehbar.

Historische Einordnung

Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Not im globalen Süden durch das Bevölkerungswachstum bei gleichzeitigem Angebotsrückgang zukünftig steigen wird. Und doch: So grimm die aktuellen Entwicklungen auch scheinen mögen – im historischen Kontext war die relative Versorgungslage noch nie so gut wie jetzt. Das hat sich auch auf die durchschnittliche menschliche Lebenserwartung niedergeschlagen. Diese hat sich während der letzten zwei Jahrhunderte aufgrund von technologischen und wissenschaftlichen Fortschritten nahezu verdoppelt. Keine Frage: Ein Großteil dieser Entwicklung ist auf Innovationen in Medizin und Hygiene zurückzuführen. Der Effekt der effizienteren und produktiveren Bewirtschaftung von Böden und Herden hat aber zweifelsfrei vergleichbare Auswirkungen auf unsere Lebensqualität und -Erwartung gehabt.

Die Grüne Revolution

Besonders sticht vor diesem Hintergrund das Haber-Bosch-Verfahren heraus, mit dem seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in industriellem Maßstab Stickstoffdünger produziert werden konnte. Auch die Verbreitung des Einsatzes von Landtechnik und neuen Flächennutzungskonzepten steigerte die Erträge im vergangenen Jahrhundert. Gepaart mit der Verwendung von besonders ertragsstarkem Saatgut und Pflanzenschutzmitteln konnten binnen weniger Jahrzehnte die Erträge vervielfacht werden. Diese Grüne Revolution hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Nahrungsmittelverfügbarkeit und -preise auch in den ärmeren Regionen der Welt positiv entwickelten. Das Ergebnis: Heute leiden prozentual weit weniger Menschen an Hunger als noch vor den 1960igern.

Die Schattenseite

Und doch hat diese Entwicklung auch erhebliche Nachteile. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die moderne Landwirtschaft benötigt raue Mengen an Süßwasser, das aus Seen und Flüssen aber auch Grundwasserreservoirs bezogen wird. Die Krux: Weit mehr Wasser wird entnommen, als das der natürliche Wasserzyklus hergäbe. Das hat sinkende Grundwasserspiegel, versalzende Seen und versiegende Flüsse zur Folge. Außerdem verunreinigt der Rückfluss aus den bewässerten Feldern die Oberflächengewässer mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, und auch im Grundwasser lassen sich zunehmend Stoffe aus der Landwirtschaft nachweisen. Neben den Gewässern werden auch die Ackerböden selbst durch die intensive, moderne Landwirtschaft geschädigt. Hinzu kommt ein signifikanter Beitrag zum Klimawandel und zum Artensterben. Kurzum: Das Ökosystem und unsere Gesellschaften werden in vielerlei Hinsicht durch die moderne Landwirtschaft beeinträchtigt.

Die liberale Antwort

Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen Erträgen und Umwelteinflüssen zu finden. In Deutschland und der Europäischen Union werden die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft durch strenge Regeln und Umweltschutzmaßnahmen gekontert. Zweifelsfrei, eine wichtige und richtige Absicht. Allein: Der Ansatz verfängt nicht. Widersprüchliche Regelungen, bürokratische Hürden und starre Rahmenbedingungen führen eher zu Stagnation und Unmut bei den Landwirtinnen und Landwirten, anstatt die erwünschten Umwelt- und Tierwohlverbesserungen zu fördern.

Die Landwirtinnen und Landwirte wissen selbstverständlich um ihre Bedeutung für die Gesellschaft. Es ist schließlich an ihnen, uns mit gesunden, sicheren, wohlschmeckenden und möglichst preisgünstigen Lebensmitteln zu versorgen. Dabei ist dem Sektor auch der negative Einfluss auf Umwelt und Klima nicht entgangen. Landwirtinnen und Landwirte sind eng mit ihren Betrieben verbunden und somit fest im ländlichen Raum verwurzelt. Langfristige Zielsetzungen und der Wunsch nach einer nachhaltigen Bewirtschaftung sind hier nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern gelebte Realität. Mit einer technologieoffenen und anreizorientierten Agrarpolitik kann die Lücke zwischen Regulierung und ökologischer Zielsetzung am ehesten geschlossen werden. Denn digitale Methoden, resilientes Saatgut und präzise, GPS-gesteuerte Landmaschinen erreichen raschere und nachhaltigere Verbesserungen als Verbote und Einschränkungen!

Angesichts der Entwicklungen in Afrika scheint es zynisch, das Nahrungsmittelangebot durch einen ersatzlosen Verzicht auf intensive Anbaumethoden zu verknappen. Wie man nun trotzdem Umwelt- und Klimabewusstsein, land- und forstwirtschaftliche Erträge sowie den internationalen Lebensmittelhandel in Einklang bringen könnte, beschreibt unsere neue Broschüre.