Internationaler Handel
Handelskonferenz Hamburg: Globalisierung zwischen Kooperation und Konflikt?
Der internationale Handel steht an einem Scheideweg. Die jüngsten Krisen, wie die COVID-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine, haben die globalen Handelsströme und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ländern grundlegend verändert. Für exportorientierte Nationen wie Deutschland ist es in diesen unsicheren Zeiten entscheidend, sich intensiv mit den Entwicklungen der Globalisierung auseinanderzusetzen und aktiv Einfluss auf globale Entwicklungen zu nehmen.
Um eine Plattform für diese Themen zu bieten, haben die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) eine neue Konferenz ins Leben gerufen. Unter der Wirtschaftskampagne „So geht Aufschwung“ der Stiftung fand die erste Veranstaltung am 27. Juni an der Bucerius Law School in Hamburg unter dem Motto „Ein neuer offener liberaler Plurilateralismus – Zusammenarbeit in Zeiten der Autonomie“ statt.
Liberale sind Optimisten
Die Konferenz widmete sich der Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Staaten wiederbelebt werden kann. Denn „als Liberale sind wir Optimisten“, wie der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Dr. Karl-Heinz Paqué in seinen Eröffnungsworten betonte. Liberale Kräfte sind überzeugt, dass es mehr Kooperation bei der Globalisierung braucht – nicht weniger. Demokratische Nationen müssen sich gegenseitig stärken und gemeinsam vorankommen. Es müssen gemeinsam Wege gefunden werden, um Herausforderungen zu meistern. Plurilateralismus im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) sollte dabei genauso ein Ansatz sein, wie mehr bilaterale Freihandelsabkommen. Regelgebundenheit ist die Basis für jede Form der Zusammenarbeit. So bietet die WTO trotz der dysfunktionalen Berufungsinstanz nicht nur die Basis für rund 80% des weltweiten Handels, sondern auch ein Forum für Verhandlungen und Streitbeilegung. Die Konferenz bot durch verschiedene Panels Einblicke in zentrale Themen des internationalen Handels, durch die versucht wurde, die Zukunft der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu skizzieren.
Hochkarätige Gäste, darunter Dr. Nicola Brandt, Leiterin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin, Dr. Bettina Rudloff, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Dr. Franziska Oehm, vom Deutschen Institut für Menschenrechte und Francisco Winter von der liberalen chilenischen Partei Evópoli, diskutierten die Auswirkungen der neuen EU-Gesetzgebung im Nachhaltigkeitsbereich auf Handelsströme. Dabei wurde insbesondere die hohe bürokratische Last für Unternehmen in und außerhalb der EU besprochen, sowie die Bedeutung der OECD als Vermittler und Standardsetzer im Bereich der unternehmerischen Verantwortung unterstrichen. Auch die Frage der Rechtsdurchsetzung für eine effektive Umsetzung Menschenrechts-, Klima- und Umweltbestimmungen stand im Zentrum der Debatte.
Die Publikation „Green-Tape: Die EU Handelspolitik auf dem Weg zu einer nachhaltigen Globalisierung oder in die Abschottung?“ bietet die Grundlage dieser spannenden Diskussion und kann hier auf Deutsch und Englisch heruntergeladen werden.
Die Zukunft der EU Handelspolitik
Angesichts der EU Wahlen letzten Monat widmete sich ein weiteres Panel der Zukunft der EU Handelsbeziehungen. "Handel findet immer statt, ob mit oder ohne Freihandelsabkommen. Aber mit einem Abkommen können bessere Konditionen festgelegt und Allianzen gebildet werden", fasste Svenja Hahn, Mitglied des Europäischen Parlaments der Freien Demokraten zusammen. Gemeinsam mit Rupert Schlegelmilch, Chefverhandler in der EU-Kommission für das EU-Mercosur Freihandelsabkommen, wurde resümiert, dass man sich als EU in den nächsten Jahren mit der Frage beschäftigen müsse, mit welchen Partnern die EU in den kommenden Jahren den Handel intensivieren muss und welche Allianzen für die Wettbewerbsfähigkeit der Union wichtig sind.
Eine Publikation zum Thema „Bessere Sanktionen: Strategischer und effektiver Einsatz gegen aggressive Autokratien“ finden Sie hier auf Deutsch und Englisch.
Ein besonderer Fokus der Veranstaltung lag auch auf den Russland-Sanktionen und deren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Experten wie Dr. Thomas Straubhaar und Dr. Nikolas Keßels analysierten, wie Sanktionen strategisch und effektiv gegen aggressive Autokratien eingesetzt werden können. Dr. Straubhaar resümierte „Sanktionen waren schon immer in erster Linie politisch. Deshalb sollten wir neue Formen der Wirkung mitdenken". Die Hauptfrage dabei: „Wie treffen Sanktionen die Stärksten am stärksten, ohne die Schwächsten zu belasten?“ Eine Handlungsempfehlung für effizientere Sanktionen in der Zukunft bestand darin, die EU Entscheidungsstrukturen zu reformieren und auch das Szenario nach dem Ende des Kriegs mit der Ukraine mitzudenken. Ebenfalls sollte ein Mechanismus eingeführt werden, um ineffektive Bestimmungen zurückzunehmen, um Unternehmen nicht mit Bürokratie zu überlasten.
Handelskriege oder neue Allianzen?
Das letzte Panel der Konferenz drehte sich um die Zukunft des globalen Handels. Experten wie Dr. Melanie Müller und Dr. Nicolas Lamp diskutierten zusammen mit Prof. Karl-Heinz Paqué und Rupert Schlegelmilch, ob die Zukunft des globalen Handels von mehr Konfrontation oder Kooperation geprägt sein wird. Im Stile einer Oxford Debatte nahmen dabei die Teilnehmer konträre Positionen ein und versuchten das Publikum von ihrer Seite zu überzeugen. Dabei wurde argumentiert, dass die Handelsverschiebungen und neuen Zölle bloß in einigen Sektoren wie chirurgische Eingriffe zu betrachten wären und nicht als generelle große Handelsverschiebungen. Nach einer finalen Abstimmung stellte sich die Seite für Kooperation als erfolgreicher heraus, wobei es insgesamt zu einem recht ausgewogenen Ergebnis kam.
Der internationale Handel steht vor großen Herausforderungen, aber bietet auch neue Chancen. Von Digitalisierung bis hin zu neuen Dienstleistungen und demographischen Veränderungen befindet sich der Welthandel im Wandel. Die Diskussionen auf der Konferenz zeigen, dass es Wege hin zu mehr Kooperation und regelgebundenem Handel gibt. Gleichzeitig erfordern diese Durchsetzungsfähigkeit, Innovation und eine starke Basis von gemeinsamen Werten und Prinzipien. Ein neuer, offener und liberaler Plurilateralismus könnte die Lösung sein, um die globalen wirtschaftlichen Beziehungen in eine positive Richtung zu lenken. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um diese Vision in die Realität umzusetzen.