Handynutzung in Schulen
Handyverbot an Schulen?

Ein pauschales Handyverbot an Schulen scheint naheliegend, doch ist es wirklich der richtige Weg?
© picture alliance / CHROMORANGE | Michael BihlmayerDie Frage nach der Handynutzung in Schulen ist ein ungeklärter Konflikt an vielen deutschen Schulen. Auch weltweit lassen sich Diskussionen um generelle Handyverbote und Nutzungseinschränkungen beobachten. Während in Frankreich seit 2018 die Handynutzung in den Pausen verboten ist, Gymnasien von der Regelung aber ausgenommen sind, wird in Italien auch die Nutzung auch für Unterrichtszwecke generell untersagt. In den Niederlanden und Großbritannien sind es indes Leitlinien, die Empfehlungen zu Einschränkungen an den Schulen geben.
In Deutschland herrscht (wieder einmal) ein Flickenteppich. Ganz aktuell wird im hessischen Landtag über ein generelles Handyverbot debattiert. Warum ein generelles Verbot aus liberales Sicht wenig zielführend ist und wieso eine individuelle Aushandlung der Handynutzung innerhalb der Schulgemeinschaft, bei der insbesondere die Perspektive der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt wird, hilfreicher wäre, beleuchtet dieser Artikel.
Smartphone-Nutzung an Schulen zwischen Verbot und Medienkompetenz
Während im internationalen Vergleich also einige Länder und Schulen sehr strikte Verbote verhängen, setzen andere auf individuelle Regelungen und die Förderung von Medienkompetenz. Die Auswirkungen der Handynutzung auf die Lernleistung sind nicht zu leugnen: Studien zeigen, dass allein die bloße Präsenz von Smartphones die kognitive Leistung beeinträchtigen kann.
Eine Untersuchung der Universität Paderborn ergab etwa, dass ausgeschaltete Handys in Sichtweite die Produktivität verringern und die Konzentration mindern können.
Zudem weisen die Ergebnisse der Hatti-Bildungsstudie aus dem Jahr 2022 darauf hin, dass regelmäßige Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen zu Bildungsdefiziten führen kann, unter anderem, wie die Metastudie zeigte, durch Schlafstörungen und Cybermobbing.
Handynutzung an Schulen: Herausforderungen, Widerstände und Alternativen
Unbestritten ist die Handynutzung in vielen Bereichen alles andere als problemlos. Doch anstatt die vermeintliche einfache Lösung eines generellen Verbots zu wählen, die der allgemeinen Lebensrealität zuwider läuft, sollten andere Lösungen gefunden werden.
Die Förderung der Medienkompetenz wird etwa durch ein generelles Verbot nicht verbessert.
So betont beispielsweise der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), dass Kinder oft nicht das Problembewusstsein für die Öffentlichkeit digitaler Räume haben.
Die Präsidentin des BLLV, Simone Fleischmann, berichtet von Fällen, in denen Schülerinnen und Schüler empört waren, wenn Inhalte aus Klassenchats im Unterricht thematisiert wurden.
Eine gezielte Aufklärung über den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien, deren Inhalten und deren Wirkungen kann helfen, ein Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Handelns zu schaffen.
Es bleibt die Frage offen, wer das Handyverbot an den Schulen durchsetzen soll. Sollen Lehrerinnen und Lehrer oder pädagogisches Personal Jacken, Schulranzen, Rucksäcke nach Handys „filzen“? Eine abenteuerliche Vorstellung, die auch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern unnötig belasten würde. Der zusätzliche Mehraufwand, selbst bei Stichproben, wäre nicht zu bewältigen. Aber jedes Verbot ist doch nur so gut, wie es auch durchgesetzt werden kann. Hier bestehen also erhebliche Zweifel in der Umsetzbarkeit.
Zudem würden pauschale Verbote insbesondere bei Jugendlichen Widerstand und ein "Wir gegen die"-Gefühl hervorrufen. Für wen wäre es nicht eine kleine Herausforderung, das ohnehin sehr löchrige Verbot zu umgehen, seine Nonkonformität zu zeigen und sich von der bevormundenden Lehrer-Welt abzugrenzen. „Handyrebellen“ und „digitale Freiheitskämpfer“ wären vielleicht schnell in den Lehrerzimmern bekannt. Aber die Anerkennung ihrer Klassenkameraden wäre ihnen sicher.
Gerade auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ergebnisse zur Bundestagswahl wurde viel über Demokratiebildung an Schulen diskutiert. Wäre diese Debatte zur Handynutzung nicht eine hervorragende Gelegenheit, demokratische Prinzipien in der Schulgemeinschaft zu Anwendung zu bringen?
Partizipation statt Verbote – Schüler in die Regelgestaltung einbinden
Die Einbindung der Schülerinnen und Schüler in die Erstellung von Regelungen zur Handynutzung fördert nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die demokratische Kompetenz.
Wenn Schülervertretungen, oder Beschlüsse der Schülerschaft als ein Vertragspartner bzw. legitimiertes Votum anerkannt würden und ihre Perspektiven Gehör finden, stärkt dies das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Schule.
Ein solch partizipativer Ansatz ermöglicht es, Regeln zu entwickeln, die den Bedürfnissen und Realitäten der Schülerinnen und Schüler gerecht werden. Ein gemeinsam erarbeiteter Konsens zur Handynutzung fördert die Selbstregulierung und das Verantwortungsbewusstsein.
Wenn Schülerinnen und Schüler die Regeln selbst mitgestalten, identifizieren sie sich stärker mit diesen und sind motivierter, sie einzuhalten. Zudem stärkt es die Schulgemeinschaft, wenn alle Mitglieder in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und ihre Meinung einbringen können.
Sicher: Dieser Prozess würde von der gesamten Schulgemeinschaft einige Kräfte abverlangen. In regelmäßigen Abständen müsste darüber neu beschlossen werden. Aber sollte nicht Schule auf das Leben vorbereiten?
(Landes-)Politik sollte jedenfalls diese Aspekte vor eine blinde Regelungswut und pauschale Verbote setzen. Die Problemlagen sind zu differenziert, als dass sie wirklich mit einer symbolhaften Entscheidung behoben werden könnten.
Die Frage der Handynutzung in Schulen sollte nicht von oben herab aus einem Landesparlament entschieden werden. Ein individueller, auf die jeweilige Schulgemeinschaft zugeschnittener Ansatz, der die Schülerinnen und Schüler aktiv einbezieht, fördert nicht nur die Medienkompetenz, sondern auch die demokratische Bildung und das Gemeinschaftsgefühl.