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„Ich gebe die Macht in eure Hände zurück"

Slowenischer Premierminister Miro Cerar tritt überraschend zurück
Miro Cerar
Überraschend zurückgetreten: Miro Cerar © CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org/ Nebojša Tejić/ STA

Am Mittwochabend hat der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar nach einer außerordentlichen Regierungssitzung seinen Rücktritt angekündigt, nachdem der Oberste Gerichtshof ein Referendum über den Bau einer Eisenbahntrasse zwischen den Städten Koper und Divača annulliert hatte. Am Donnerstagnachmittag teilte er seine Entscheidung dem Präsidenten der Republik Borut Pahor mit, der über das weitere Vorgehen entscheiden wird.

„Das heute war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Diejenigen, die den positiven Fortschritt Sloweniens aufhalten wollen, haben dem Bauprojekt schon wieder einen Schlag versetzt. Ich möchte nicht an solchen Geschichten teilnehmen. Liebe Bürgerinnen und Bürger, das Land befindet sich heute in einer viel besseren Situation als noch 2014. Ich gebe die Macht in eure Hände zurück", sagte Cerar in einer Erklärung zur Rücktrittsentscheidung. Während seiner Ansprache war der scheidende Regierungschef laut slowenischen Medien sichtlich verärgert.

Am Donnerstagnachmittag erklärte Ministerpräsident Cerar seine Rücktrittsentscheidung gegenüber dem Präsidenten der Republik Borut Pahor, der nun entscheiden muss, ob die Parlamentswahlen früher oder, wie geplant, am 10. Juni stattfinden werden.

Dejan Židan, Minister für Landwirtschaft und Vorsitzender des kleinen Koalitionspartners SD (Sozialdemokraten), erklärte umgehend, dass die Minister ihre Arbeit fortsetzen würden. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war laut Cerar die Entscheidung des Obersten Gerichts, die Ergebnisse des Referendums über den Bau einer Eisenbahnstrecke vom einzigen Hafen Sloweniens in Koper zum Eisenbahnknoten Divača für ungültig zu erklären.

Eisenbahnknoten Divača
Der Eisenbahnknotenpunkt Divača © CC BY-SA 3.0 commons.wikimedia.org/ Ajznponar

Der slowenische Oberste Gerichtshof erklärte am Mittwoch das umstrittene Referendum, bei dem die slowenischen Wähler im September letzten Jahres mit einer knappen Mehrheit dem Eisenbahnprojekt zugestimmt hatten, für nichtig. Das war ein schwerer Schlag für die Regierung Cerar, die ihr Prestige an das Projekt geknüpft hatte. Beim Volksentscheid stimmten im September 2017, 53 Prozent der Wähler für die Ausweitung der Bahnstrecke, 46 Prozent dagegen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 20 Prozent. Schätzungen zufolge beträgt der Wert des Baus der Eisenbahnlinie fast eine Milliarde Euro und Slowenien hat bereits einen Teil der Fördermittel von der Europäischen Union erhalten. Ungarn hat sich auch bereit erklärt, sich an dem Projekt mit etwa 200 Millionen EUR im Austausch für die Hafen- und Eisenbahnkonzessionen zu beteiligen.

Der Aktivist und Präsident der Vereinigung „Steuerzahler - gebt nicht auf!“, Vili Kovačić, der das Referendum angestoßen hatte, legte zusammen mit Oppositionsparteien beim Obersten Gericht Berufung gegen das Ergebnis ein und erklärte, dass die Regierung die Oberhand beim Referendum hatte, da sie 95.000 Euro an Haushaltsmitteln zur Unterstützung ihrer Kampagne verwendet hatte.

Der Oberste Gerichtshof stellte nun fest, dass die Entscheidung der Cerar-Regierung, ihre Referendumskampagne mit Haushaltsmitteln zu finanzieren, unzulässig war, weil sie damit die Gegner des Gesetzes benachteiligte. Aus diesem Grund wird das Referendum annulliert und muss wiederholt werden.

Die Initiatoren des Referendums sagten, sie seien mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zufrieden und würden sich dafür einsetzen, dass das wiederholte Referendum und die Parlamentswahlen gleichzeitig durchgeführt werden, um Kosten zu sparen.

Cerar hat diese Woche drei harte Schläge erlitten - neben der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der das Referendum annullierte, wurden Unregelmäßigkeiten in der öffentlichen Ausschreibung für die Herstellung eines Modells der Eisenbahnstrecke gefunden. Zudem waren auch noch die Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Sektors gescheitert.

Miro Cerar hat daher am Donnerstag den Präsidenten der slowenischen Nationalversammlung, Milan Brglez, offiziell über seinen Rücktritt informiert. Die Nationalversammlung wird sich mit Cerars Rücktritt nächste Woche, vermutlich in einer ordentlichen Sitzung, beschäftigen.

Der prominente Verfassungsjurist Cerar hatte vor dreieinhalb Jahren mit seiner liberalen Neupartei SMC die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen. Die SMC (Partei des modernen Zentrums) ist seit 2014 Mitglied der ALDE und Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Der 54-Jährige Cerar führte eine Regierungskoalition mit der eher konservativen Partei (DeSUS) und den Sozialdemokraten (SD). Cerar kritisierte etablierte Parteien, darunter auch seine beiden Koalitionspartner, sie wollten mit allen Mitteln die Entwicklung des Landes behindern.

Seine liberale und reformorientierte Regierung erzielte im Vorjahr fünf Prozent Wachstum, senkte die Arbeitslosigkeit von 13 Prozent auf 5,8 Prozent und konnte einen Anstieg an Auslandsinvestitionen verzeichnen. Trotz all der positiven Entwicklungen und der Prosperität im Lande kann Cerars Partei offensichtlich nicht von einem „Kanzlerbonus“ profitieren. Derzeit liegt die SMC in Umfragen mit rund sechs Prozent auf Platz vier, hinter der Liste des ehemaligen Schauspielers Marjan Šarec, den Sozialdemokraten und der rechtspopulistischen SDS.

Toni Skorić ist Project Manager für Mitteleuropa und die baltischen Länder im Stiftungsbüro in Prag.