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Außenpolitik
Trump und Orbán: Zwillingsbrüder?

Eine geistige Verwandschaft ist da, aber die geostrategischen Interessen gehen weit auseinander. Die liberale EU darf sich nicht alles bieten lassen.
Orban Trump

US-Präsident Donald Trump trifft Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.

© picture alliance / Consolidated News Photos

Wenige Tage vor der Europawahl empfing jüngst der amerikanische Präsident Donald Trump in Washington D. C. den ungarischen Nationalisten Viktor Orbán. Und er tat es mit populistischer Herzlichkeit: Sie seien "Zwillingsbrüder", so soll er formuliert haben. Ein klarer Affront gegen die liberale EU, ausgerechnet wenige Tage vor der Wahl des Europäischen Parlaments. Der Affront verlangt eine Antwort. Unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué erläutert, warum und wie.

Ein interessanter Vorgang, so könnte man es mit einer Prise distanzierten Zynismus formulieren. Nach Jahren der eifrigen Lobbytätigkeit für einen Vorzugstermin im Weißen Haus erreichte Viktor Orbán sein Ziel wenige Tage vor der Wahl zum Europäischen Parlament 2019. Klarer konnte Trump nicht signalisieren, dass er mit der EU nichts am Hut hat. Wie schon bei seiner Rückendeckung für das Bexit-Votum verfolgt er eine kurzsichtige America First-Taktik - nach dem Motto: Alles, was schlecht ist für die EU, ist gut für Amerika.

Das ist natürlich Unsinn, und die Strategen im State Department ahnen dies wohl auch - sie hatten sich im Vorfeld dem öffentlichen Schulterschluss mit Orbán widersetzt. Tatsache ist doch: Orbán betreibt seit Jahren die systematische Annäherung seines Landes an Putins Russland und Xi Jingpings China, was eigentlich den amerikanischen Interessen in der Außenpolitik komplett zuwider läuft, und zwar an allen kreuzgefährlichen Frontlinien der Weltpolitik: von Syrien über den Iran und Israel bis zu Nordkorea und Venezuela. Auf merkwürdige Weise zeigt es, dass der amerikanische Präsident - man wagt es kaum zu formulieren - das Wesentliche vom Unwesentlichen nicht unterscheiden kann: Er unterstützt alle Ärgernisse in der EU, den Brexit genauso wie Ungarns Alleingänge bis hin zum Antisemitismus gegen den amerikanischen Staatsbürger ungarischer Herkunft George Soros, Erzfeind von Viktor Orbán. Und er scheint dabei nicht zu merken, dass er zentralen geostrategischen Interessen seines Landes schadet. Eigentlich kann da von "America First" keine Rede sein.

Eine merkwürdige Situation. Wie soll die EU reagieren? Am Besten: ganz sachlich bleiben, so wie beim Brexit. Und mit Orbán so verfahren, wie man es ohnehin vorhat: immer wieder Medien- und Wissenschaftsfreiheit anmahnen, Rechtsstaat einfordern und nicht abweichen von den demokratischen Prinzipien, die Europa ausmachen und es übrigens - hoffentlich untrennbar - mit den Vereinigten Staaten verbinden. Man wird sehen, ob Orbán sein Land dann weiter aus diesem europäischen Wertesystem herausführt. Für die EU steht nicht weniger auf dem Spiel als ihre Glaubwürdigkeit.

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Dabei ist und bleibt Ungarn ein Land, das in höchstem Maße auf die EU angewiesen ist, wirtschaftlich und politisch. Orbán versucht geschickt, seine begrenzten Spielräume auszunutzen, aber die sind am Ende doch recht eng, denn die Geberländer der Finanzmassen, die in die Vizegrád-Länder fließen, sind die Nationen der westlichen Mitte Europas - und das sind gerade jene, die für eine wertgebundene EU plädieren. Es genügt eine Autofahrt durch die ungarische Provinz, um sich klarzumachen, wie viel Fördermittel aus Brüssel in das Land geflossen sind und noch fließen. Es hat schon etwas Absurdes, wenn der Ministerpräsident eines Landes wie Ungarn den noch amtierenden EU-Kommissionspräsidenten im Wahlkampf zur Zielscheibe schärfster kritischer Polemik macht - und gleichzeitig Regional- und Strukturfondsmittel aus Brüssel abkassiert. Hier könnte die Grenze der Geduld nach der Europawahl doch sehr schnell erreicht sein. Jedenfalls darf sich die EU auf Dauer nicht an der Nase herumführen lassen.

Das Verhältnis der EU zu den USA ist natürlich gänzlich anderer Art. Und manche Kritik aus Amerika ist berechtigt, so wenn die Vereinigten Staaten höhere Verteidigungsausgaben der Nationen Europas verlangen. Gleichwohl gilt auch für Trump: Er kann es sich kaum leisten, auf die EU als freundschaftlicher Partner zu verzichten, gerade wenn es handelspolitisch um den Kampf mit dem Staatskapitalismus Chinas und auch Russlands geht oder wenn knifflige geostrategische Fragen in Nah- und Fernost auf der Tagesordnung stehen.

Also: kühl bleiben und eine wertbasierte Realpolitik betreiben - transatlantisch, aber inzwischen leider auch innereuropäisch, vor allem gegenüber Ungarn. Es wird Zeit, dass dies Viktor Orbán deutlich und öffentlich erklärt wird. Eine lohnenswerte Aufgabe für die kommende Führung der EU-Kommission.