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Tschechiens Zukunft liegt in sozialdemokratischen Händen

Keine Hilfe für die Stabilität einer bereits sehr wackeligen Regierung
Die politische Zukunft der Tschechischen Republik liegt in sozialdemokratischen Händen
Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik © Jan Polák CC BY-SA 3.0 Wikimedia/ adaptiert

Der erste Staatspräsident der Tschechoslowakei Tomáš Garrigue Masaryk sagte einmal: „Wir haben die Demokratie, jetzt brauchen wir nur noch Demokraten...“ Heute könnte man sagen: „Wir haben eine Regierungsvereinbarung, jetzt brauchen wir nur noch eine Regierung.“ Die beiden möglichen Koalitionsparteien, die liberale ANO-Bewegung und die Sozialdemokraten, haben sich endlich darauf verständigt, wie das Land während ihrer zweiten gemeinsamen Regierungszeit aussehen soll. Das Schicksal der Koalition entscheidet sich - wie bereits in Deutschland - durch ein innerparteiliches Referendum bei den Sozialdemokraten.

Fast ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl steht die Tschechische Republik vor einer neuen Regierung unter Führung des nicht unumstrittenen Geschäftsmanns Andrej Babiš. Die bisherige Koalition aus liberaler ANO und den Sozialdemokraten wird ihren bisherigen dritten Partner, die Christdemokraten, gegen die stille Unterstützung der kommunistischen Partei tauschen. Dieser Schritt würde bestätigen, dass die Kommunisten den größten Einfluss im Land seit der „Samtenen Revolution“ von 1989 haben. Trotz ausgehandelter Koalitionsvereinbarung bleibt das politische Schicksal des Landes jedoch unklar, da über die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten noch in einem innerparteilichen Referendum entschieden wird.

Obwohl die beiden Regierungsparteien – insbesondere ANO – einen klar pro-westlichen und pro-europäischen Kurs verfolgen, mussten sie auf diesem Gebiet offenbar Abstriche machen. Eine von der kommunistischen Unterstützung abhängige Regierung wird logischerweise gezwungen sein, ihre transatlantische und europäische Ausrichtung zu korrigieren. Die Koalitionspläne für die Verteidigungsstrategie dienen dafür als bester Beweis.

Allein deswegen ist noch lange nicht ausgemacht, ob diese Regierung tatsächlich zustande kommt. Babiš und ANO müssten eine Kehrtwende in der Außenpolitik machen, die auch bei vielen ANO-Parlamentariern schlecht ankommen dürfte. Bleiben sie jedoch standhaft bei ihren Prinzipien, könnten sie die Unterstützung der Kommunisten verlieren.

NATO und Sicherheit

Auf dem Papier sieht alles ordentlich aus. Die mögliche Regierung sieht die NATO-Mitgliedschaft Tschechiens als Grundstein für ihre militärische Strategie. Sie beabsichtigt, die Verteidigungsausgaben bis zum Ende ihrer Amtszeit von 1% auf 1,4% zu erhöhen und bis 2025 eine Armee von mindestens 30.000 Berufssoldaten zu unterhalten.

Die Regierung ist sich auch der Bedrohung bewusst, die Russland unter Wladimir Putin für die europäischen Demokratien darstellt. Sie benennt die russische Strategie der hybriden Kriegsführung und beabsichtigt, militärische Kapazitäten aufzubauen, mit denen Tschechien Desinformationskampagnen bekämpfen und Cyberangriffe abwehren können soll.  

Allerdings haben die Kommunisten in den Medien sehr deutlich gemacht, dass sie keine Regierung unterstützen werden, die ein verstärktes Engagement der Tschechischen Republik in Auslandseinsätzen unterstützt. Sie schließen außerdem Militäreinsätze ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates kategorisch aus. Da Russland als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates ein Veto-Recht genießt, bedeutet die Haltung der Kommunisten gleichzeitig, dass keine Auslandseinsätze gegen den Willen Russlands möglich sind. Unklar bleibt dadurch auch, ob Tschechien unter der möglichen neuen Regierung seinen mittel- und osteuropäischen Partnern im Falle einer russischen Aggression überhaupt Beistand leisten würde.

Tschechische Republik und die EU

In der Koalitionsvereinbarung wird die EU-Mitgliedschaft als außenpolitische Priorität hervorgehoben. Die Mitte-links-Koalition hat sogar den Ehrgeiz, eine Reform der Union durchzusetzen.

Aber das EU-Engagement ist sehr begrenzt. Da der Euro in der Tschechischen Republik nicht beliebt ist, wird in der Koalitionsvereinbarung klargestellt, dass die Regierung keine Mitgliedschaft in der Eurozone anstrebt. Kritiker sehen eine solche Haltung als ein weiteres Zeichen für zunehmenden Populismus und Nationalismus in einer einst sehr international orientierten Partei.

Zerrissene Sozialdemokraten

Die Zukunft der von den Kommunisten unterstützten Regierung ist jedoch noch unklar. Ihr Schicksal liegt jetzt in den Händen der Sozialdemokraten, die bis Ende Juni in einem Referendum über die Beteiligung ihrer Partei an der Regierung abstimmen. Und nicht einmal mutige politische Kommentatoren wagen es, den Ausgang dieses Referendums vorherzusagen. Allmählich wird aber klar, dass der einzige klare Befürworter der Koalition der Parteivorsitzende Jan Hamáček ist.

Er muss seine Entscheidung gegen wachsenden Widerstand verteidigen. Auf die Zersplitterung der Partei deutet auch die Tatsache hin, dass alle mit der Regierungsbeteiligung verbundenen Entscheidungen lediglich eine knappe Mehrheit innerhalb der Partei fanden.

Die Fraktion der sozialdemokratischen Senatoren bildet einen Teil der innerparteilichen Opposition. Das bedeutet, dass – im Falle der Bestätigung der Regierung durch das Parlament – einige Kritiker der Regierungskoalition Mitglieder der Regierungspartei im Oberhaus sein werden. Dies wird der Stabilität einer bereits sehr wackeligen Regierung nicht wirklich helfen.

 

Adela Klečková ist Projektmanagerin für Zentraleuropa und die Baltischen Staaten für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Prag.