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Sacharow-Preis 2018 geht an Oleg Senzow
Ukrainischer Regisseur als Symbol des Kampfes für Freiheit

So reagieren deutsche, russische und ukrainische Liberale auf den Preisträger
Oleg Sentsov
Der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow © AntonymonOleg Sentsov, Ukrainian political prisoner in Russia, 2015, Bildausschnitt bearbeitet, CC BY-SA 4.0

Heute hat das Europäische Parlament den Preisträger des diesjährigen Sacharow-Preises verkündet. Mit Oleg Senzow fiel die Wahl auf einen Künstler, der unter Einsatz seines Lebens die Freilassung politischer Gefangener erreichen wollte – und damit scheiterte.

Die Auswahl Oleg Senzows als Preisträger des EU-Menschenrechtspreises 2018, benannt nach dem Friedensnobelpreisträger und sowjetischen Dissidenten Andrej Sacharow, lenkt den Blick auf eine europäische Realität, die vielen zur Normalität geworden ist: die russische Annexion der Krim und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und politisch motivierten Gerichtsurteile.

Oleg Senzow ist einer von über 60 ukrainischen Gefangenen in Russland und auf der besetzten Krim. Aufgrund seines friedlichen Protestes gegen die Annexion der Krim wurde der auf der Krim geborene und wohnhafte Regisseur 2014 von den russischen Behörden der Vorbereitung von Terroranschlägen beschuldigt und 2015 zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt, die er derzeit in der Kolonie Labytnangi im Norden Russlands verbüßt. Dass ein Zeuge, auf dessen Aussage seine Verurteilung fußte, diese später widerrief, weil sie unter Folter erzwungen worden sei, änderte nichts an seiner Verurteilung.

Mit einem am 14. Mai 2018 begonnenen unbefristeten Hungerstreik wollte Oleg Senzow die Freilassung aller in Russland inhaftierten ukrainischen politischen Gefangenen erreichen und setzte dabei vor allem auf die internationale Aufmerksamkeit währende der Fußball-WM in Russland. Doch trotz großer internationaler Solidarität von Künstlern, internationalen Institutionen und Politikern ließ sich der russische Präsident nicht einmal zur Freilassung des zunehmend geschwächten Sentsov selbst bewegen. Nach 145 Tagen musste er den Hungerstreik abbrechen, um einer drohenden Zwangsernährung zu entgehen. Sein Gesundheitszustand ist weiterhin kritisch, sein Überleben nicht sicher. 

Der mit 50.000 € dotierte Sacharow-Preis wird am 12. Dezember 2018 im Europäischen Parlament in Straßburg verliehen. Oleg Senzow wird ihn nicht selbst entgegen nehmen können.

Lesen Sie hier Reaktionen russischer und ukrainischer Partner der Stiftung für die Freiheit und deutscher Liberaler:

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Vorstand Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die im August in einem offenen Brief an Angela Merkel appellierte, sich für die Freilassung Senzows einzusetzen:

„Dass jemand für friedlichen Protest jahrelang inhaftiert wird, ist ein Skandal – auch in einem Land, das immer wieder mit Menschenrechtsproblemen zu kämpfen hat. Oleg Senzow wurde in Russland als Terrorist diffamiert, weil er die Annexion der Krim zurecht als völkerrechtswidrig bezeichnete. Die Verleihung des Sacharow-Preises 2018 an Senzow ist deshalb ein wichtiges Signal.“

Gyde Jensen MdB, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Deutschen Bundestag:

„Oleg Senzow ist Sinnbild für den brutalen Machtkampf, der in die Ukraine getragen wurde. Ein Mann, der für eine Annäherung der Ukraine an Europa auf dem Maidan gekämpft hat. Für Freiheit auf einem freien Kontinent. Sein Engagement lässt für viele Ukrainer die Hoffnung auf eine europäische Zukunft weiterleben. Nehmen wir diese Hoffnung ernst. Der Sacharow-Preis ist die verdiente Anerkennung für seinen Einsatz.”

Anatolii Gryzenko, Vorsitzender der Partei „Bürgerposition“, Ukraine:

„Die Partei ‚Bürgerposition‘ begrüßt die Verleihung des Sacharow-Preises an Oleg Senzow. In diesem Schritt sehen wir ein Zeichen der internationalen Solidarität, die so notwendig ist, um diesen politischen Gefangenen zu retten und nochmals das Problem der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim zu akzentuieren.“

Olga Romanova, Journalistin, Gründerin der Nichregierungsorganisation „Russland hinter Gittern", Russland:

„Für uns ist die Verleihung des bedeutenden Sacharow-Preises an Oleg Senzow ein Zeichen, dass nicht ein einziger politischer Gefangener vergessen wird, der in Russland im Gefängnis sitzt. Es zeigt dazu, dass für die Europäische Union die Beachtung der Menschenrechte in Russland sehr wichtig ist. Das gibt auch uns Hoffnung." 

Alissa Ganijewa, Schriftstellerin (Die russische Mauer, Eine Liebe im Kaukasus) und Hauptrednerin beim Boris Nemzow Forum 2017, Russland:

„Oleg Senzow durchlebt einen heldenhaften Kampf mit dem russischen Staatsapparat – in Zeiten, in denen Heldentum aus der Mode gekommen ist und von niemanden erwartet wird. Sein Bürgermut und sein Durchhaltevermögen in der lebensgefährdenden Kraftanstrengung, ukrainische Gefangene aus russischen Gefängnissen zu befreien, erinnert uns an den ersten Sacharow-Preisträger Anatoli Martschenko. Dessen unvergesslicher Hungerstreik und folgender Tod trugen dazu bei, Russland für wenigstens ein Jahrzehnt in ein freies Land zu verwandeln. Senzow verdient den Sacharow-Preis aus vielen Gründen, aber im Besonderen auch, weil er hunderte Menschen in Russland dazu inspiriert, im Kontakt mit ihrem Gewissen zu bleiben und der Gedankenkontrolle ihrer Regierenden zu widerstehen."

Menschenrechtsorganisation Memorial, Russland:

„Memorial begrüßt die Entscheidung der Jury zur diesjährigen Verleihung des Sacharow-Preises. Oleg Senzow ist durch sein mutiges Verhalten zum Symbol des Widerstandes geworden gegen Unrecht und Willkür. Die internationale  Anerkennung und Unterstützung, die im Laufe der letzten Monate immer intensiver wurde, wird durch diese  Preisverleihung mehrfach verstärkt."

Boris Nemtsov Foundation for Freedom, Germany:

„Wir begrüßen die Entscheidung des Europäischen Parlaments. Oleg Senzow hat gezeigt, dass er bereit ist, sein Leben für seine Mitgefangenen zu opfern. Sein langer Hungerstreik hat sein Ziel zwar nicht erreicht - ukrainische politische Gefangene sitzen bis heute in russischen Gefängnissen. Aber sein Handeln hat die Aufmerksamkeit für die Situation von vielen Menschen auf der Welt geweckt. Das ist wichtig, denn Öffentlichkeit hilft sehr im Kampf für Menschenrechte."

ALDE Group leader, Guy Verhofstadt, who supported Sentsov’s candidature during the final vote, said:

“Oleg Sentsov’s story is that of more than 65 other Ukrainian citizens jailed by Putin’s regime for purely political reasons, with the goal to silence every citizen of Crimea who would dare to object or criticise Russia's annexation. Oleg Sentsov was abducted from his country, threatened with torture and jailed in Russia under fabricated charges, with no access to a fair trial. I hope this prize will help Sentsov and all Ukrainians arrested or convicted in Russia on politically-motivated grounds to be free again and able to return to their home country."

MEP, Petras Auštrevičius (Liberal Movement of Lithuania), ALDE Group’s coordinator in the Subcommittee for Human Rights, welcomed today's decision:

"This award goes to a citizen of Ukraine, Oleg Sentsov, whose plight is a reminder of some of the blatant violations of international law and fundamental human rights which take place in the EU's immediate neighbourhood. It also reminds us that there are people who are ready to sacrifice their lives and do it by peaceful means in order to stand up for their beliefs and freedom. I am therefore particularly proud about today's decision of the European Parliament. I accept it as a clear commitment of the European Union to continue our political fight until Oleg Sentsov is freed along with the rest of Ukrainian political prisoners illegally jailed in Russian prisons".

ALDE MEP, Pavel Telička (Independent, Czech Republic), Vice President of the European Parliament responsible for Human Rights and Democracy, added:

"Sentencing individuals based on their opinions is unacceptable. Awarding the Sakharov Price to Oleg Sentsov sends a strong signal against his illegal detainment and shows respect for his fight to free his compatriots jailed for political reasons in Russia. We supported his nomination from the outset and are glad to see that Sentsov has been awarded this important prize. "

Valeria Lutkovska, Regierungsbeauftragte für Menschenrechte 2011-2018, Direktorin des Ukrainischen Instituts für Menschenrechte:

"Ich bin mir sicher, dass gerade Oleg Senzow es verdient hat, mit diesem berühmten Preis ausgezeichnet zu werden, da er bereit ist, sein Leben für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu opfern. Sein unbefristeter Hungerstreik, dessen Zweck nicht darin bestand, persönliche Aufmerksamkeit auf seine Probleme zu lenken, sondern die Freilassung aller politischen Gefangenen in der Russischen Föderation zu erwirken, ist ein anschauliches Beispiel dafür. Ich bin überzeugt, dass sein Kampf mit einem umfassenden Sieg enden wird."

Eskender Bariiev, Mitglied des Medschlis des Krimtatarischen Volkes, Leiter des Krimtatarischen Ressourcenzentrums.

"Die Verleihung des Sacharow-Preises an Oleg Senzow ist für die Krimtataren symbolisch! Andrei Sacharow widmete sein Leben dem Schutz der Rechte der Krimtataren, und Oleg Senzow, ein wahrer Held der Ukraine, kämpft für die freie Krim. Dies ist eine hohe Wertschätzung des Kampfes von Ukrainern und Krimtataren gegen Putins Willkür auf der Krim."

Oleksandr Solontai, Vorsitzender der Partei „Kraft der Menschen“, Ukraine:

„Die zivilisierte Welt setzt weiterhin alles daran, Oleg Senzow und die anderen in russischen Gefängnissen sitzenden Ukrainer zu retten. Mit dem Sacharow-Preis unterstützen die europäischen Politiker Senzow, die Gefangenen des Kremls und die Ukraine, und sie unternehmen Schritte zum Schutz der europäischen Werte und der EU-Bürger. Wenn die Bürger der Ukraine nicht befreit werden, wird Putin morgen einen Schritt weitergehen und auch Bürger anderer europäischer Länder festnehmen!"

Oleksandra Matviichuk, Menschenrechtlering und Initiatorin der globalen Aktion #SaveOlegSentsov:

"Die Geschichte von Oleg Senzow handelt davon, dass wenn nichts mehr bleibt, du immer noch ein Wort und deine eigene Position hast. Diese einfachen Instrumente sind wichtig. Das eigene Wort und die eigene Position, die Besetzung der Krim durch den Kreml nicht anzuerkennen, waren der Grund dafür, dass Oleg Senzow im Gefängnis landete. Und jetzt finden das Wort und die Position des Künstlers, der in eine Kolonie im äußersten Norden Russlands verbracht wurde, Ausdruck in den Herzen von Tausenden und Abertausenden von Menschen auf der ganzen Welt."

Nikolaj Rybakow, Stellvertretender Vorsitzender der liberalen Partei Jabloko, Russland:

"What has happened and is happening with Oleg Sentsov is a cruel anti humanistic act of the Russian authorities. No doubts that he should be let free, because the court hearings were not fair and the whole case was made up. The prominent international award as the Sakharov prize is should attract more attention from the world’s leaders and communities, which we hope will finally help Oleg to walk out of prison. We also hope that his long hunger strike won’t have irrecoverable consequences to his health and life."

Beate Apelt ist Projektleiterin der Stiftung für die Freiheit für die Ukraine & Belarus mit Sitz in Kiew. Julius von Freytag-Loringhoven ist Projektleiter Russland und Zentralasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Moskau

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