Wirtschaft
Vereinbarkeit von Beruf und Familie – über die politische und ökonomische Relevanz
Diskussionen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind so allgegenwärtig, wie komplex und emotional. Von der Bundes- bis zur Kommunalpolitik, von volkswirtschaftlichen und pädagogischen Erwägungen bis hin zu hochpersönlichen Entscheidungen der Berufswahl, Lebensplanung oder etwa der innerfamiliären Auffassung von (frühkindlicher) Erziehung - viele Ebenen greifen hier ineinander. Jeder und jede kann dazu etwas beitragen und tut dies auch, und doch kommt die Diskussion nicht so recht voran. Es ist auch schwerlich möglich, in einem Artikel alle notwendigen Facetten zu beleuchten. Und doch lohnt es sich, zumindest zwei Aspekte näher zu beleuchten, die in der notwendigen Debatte um wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland einen prominenten Platz verdienen: Die politische und die ökonomische Relevanz der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Zwischen demographischem Problem und politischen Lösungsansätzen
Zunächst zur politischen Relevanz: Das demographische Problem, welches sich in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren noch verschärfen wird (u.a. in Bezug auf das Rentensystem), ist bereits jetzt spürbar. Um dem Trend zumindest etwas entgegen zu setzten, sind von gesetzgeberischer Seite möglichst familienfreundliche Weichenstellungen vorzunehmen und gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Im internationalen Vergleich muss sich Deutschland mit seinen zahlreichen sozial- und familienpolitischen Programmen nicht verstecken. Die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Elternzeit nach der Geburt des Kindes sind beispielsweise im internationalen und selbst (west-)europäischen Vergleich sehr arbeitnehmerfreundlich.
Es liegt also sicherlich nicht an der guten Absicht der Politik, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehr als Floskel denn als belastbares System funktioniert. Seit nunmehr elf Jahren gibt es den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder, die das 1. Lebensjahr vollendet haben. Jedoch scheitert dieser Rechtsanspruch allzu häufig an der Realität. Denn vom Anspruch allein werden Kinder nicht betreut und Eltern nicht entlastet. Und selbst wenn der Platz einmal gefunden ist, besteht doch aufgrund der knappen Personaldecke häufig die Gefahr, dass einzelne Gruppen schließen. Generell fehlen in Deutschland über 400.000 Kita-Plätze, um den steigenden Bedarf an qualifizierter Kinderbetreuung zu decken.
In einem ohnehin schon unterfinanzierten Bereich wirken sozialpolitische Maßnahmen, wie die Einführung von Beitragsfreiheit im Kita-Bereich paradox. Es ist sicherlich eine der besten Investitionen, die der Staat tätigt. Allerdings müssen solche Maßnahmen auch finanziell entsprechend hinterlegt sein, sonst bleiben sie ein frommer Wunsch. Vor Ort klagen jedenfalls die Kommunen, dass die auferlegte Last der sozialpolitischen Maßnahmen von Bundes- und Landesseite kaum mehr zu schultern ist. Und selbst bei einem hypothetischen Sofortprogramm für den schnellen Ausbau der benötigten Infrastruktur, etwa durch Umbau von Schulgebäuden (für Mittagsverpflegung und Ganztagesbereiche) und KiTa-Neubauten, würden die benötigten Erzieher nicht schnell genug zur Verfügung stehen. Der entstehende Druck, der mancherorts durch größere Gruppen im KiTa-Bereich erzeugt wird, lässt die vorhandenen Kräfte noch schneller die Energie für und letztlich auch die Lust an diesem – auch volkswirtschaftlich – so wichtigen Beruf verlieren.
Volkswirtschaftlicher Gewinn durch frühkindliche Bildung
Was dieses Dilemma ökonomisch bedeutet, lässt sich im Einzelfall schwer messen, da unterschiedliche Kosten am jeweiligen Wohnort, der ausgeübte Beruf und die weiteren Perspektiven durch Qualifikation miteinander abgeglichen werden müssten. Berechnungen zufolge ist jedoch bereits der Krippenbesuch durchaus ein volkswirtschaftlicher Faktor. So liegt die rein ökonomische Rendite eines Krippenbesuchs bei 1 zu 2,7. Für jeden eingesetzten Euro ergeben sich durch gestiegene Chancen auf erfolgreiche Bildungsbiografien rund 3 Euro volkswirtschaftlicher Gewinn. Noch stärker ist der Effekt, wenn man noch die individuelle Perspektive mit hineinnimmt. So kam eine international angelegte Metastudie von McKinsey zu dem Ergebnis, dass jeder Euro, der in die frühen Jahre investiert wird, eine zwölfprozentige Rendite für den Einzelnen und die Gesellschaft ergibt. Wer nachhaltigen Aufstieg und volkswirtschaftlichen Aufschwung ermöglichen möchte, sollte sich auch mit diesen Zahlen beschäftigen.
Die Wirtschaft hat es erkannt. Eine familienfreundliche Personalpolitik gehört heute bei Arbeitgebern im Werben um geeignete Fachkräfte dazu. Doch auch die größtmögliche Flexibilisierung hilft nicht, wenn es auf der anderen Seite regelmäßig Ausfälle gibt. So klagen in einer Anfang 2024 erfolgten Umfrage etwa 1/3 der Unternehmen in Deutschland über „erhebliche Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe, wenn Arbeitnehmer nicht arbeiten können, weil sie Betreuungsausfälle der Kitas oder Schulen kompensieren müssen.“
Herausforderungen und notwendige Maßnahmen für Gleichberechtigung und wirtschaftlichen Aufschwung
Klar ist, dass es bei steigendem Druck Ausweichbewegungen gibt, um doch irgendwie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen. In vielen Familien reduziert auch deshalb zumindest ein Elternteil die Arbeitszeit, um die Unwuchten auszugleichen. Zumeist wird die Stundenreduktion von den Müttern in Kauf genommen. Es ist also auch eine Frage der Gleichberechtigung und hat bisweilen erheblichen Einfluss auf die zu erwerbenden Rentenansprüche.
Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Wirtschaft, der Bildungseinrichtungen (hier sind KiTas explizit mitzudenken) und der Familien muss funktionieren, damit es nicht von einer glücklichen Fügung abhängt, ob eine Vereinbarkeit ermöglicht werden kann.
Aus dem liberalen Verständnis heraus muss der Staat gerade hier den Rahmen setzen, verlässlich agieren und als Ermöglicher auftreten. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bedarf es weiterer Anstrengungen, dass dies gelingt und Aufschwung ermöglicht wird.