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Wohnungsbau
Weniger Regulierung, mehr Aufschwung

Für Neubauten gab es gerade einmal 14.300 Genehmigungen

Für Neubauten gab es in diesem Jahr gerade einmal 14.300 Genehmigungen.

© picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Mehr als 20.000 Bauvorschriften treiben in Deutschland die Baukosten nach oben, und tragen dazu bei, dass immer weniger gebaut wird. Das ist schlecht für die Menschen, die unter steigenden Mieten und erfolgloser Wohnungssuche leiden, aber auch schlecht für den wirtschaftlichen Aufschwung. Es braucht endlich mehr Freiheit für Experimente im Bauwesen.

Wie das Statistische Bundesamt am 18. Juni mitteilte, ist die Zahl der Baugenehmigungen im April 2024 zum 24. Mal in Folge (!) gesunken. Für Neubauten gab es gerade einmal 14.300 Genehmigungen, rund 17 Prozent weniger als vor einem Jahr. Diese Zahlen erreichen uns in einer Zeit, in der Wohnungsbau dringender denn ja benötigt wird, insbesondere in den boomenden Großstädten, wo ein Rückgang der Nachfrage noch immer nicht in Sicht ist.

Über 20.000 Bauvorschriften treiben die Baukosten nach oben

Für die aktuelle Situation gibt es nicht den einen Grund – der Wohnungsmarkt befindet sich in einer Multikrise. Die Bauzinsen sind in Folge des Kriegs in der Ukraine kräftig gestiegen und verharren auf hohem Niveau. Die Baulandpreise machen das Bauen insbesondere in den Städten teuer. Ein weiteres zentrales Problem ist der Anstieg der Baukosten, der durch steigende Löhne (aufgrund des Fachkräftemangels) und steigende Materialpreise getrieben wird. Doch die Explosion der Baukosten ist zu einem großen Teil auch selbst gemacht.

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© Statistisches Bundesamt

Bereits im Jahr 2021 kam der deutsche Städte- und Gemeindebund zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland sage und schreibe rund 20.000 Bauvorschriften gibt. Heute, also etwa drei Jahre später, ist das sogar eine konservative Schätzung. Die Zahl dürfte inzwischen deutlich höher liegen. Ein solches Regelungslabyrinth hat nichts mehr mit Sicherheit, Gesundheitsschutz oder Ästhetik zu tun – denn dafür sind Bauvorschriften da, nicht mehr und nicht weniger. Ein vertretbares Maß ist längst überschritten. In einer Zeit, in der sich die Wohnungskrise in Deutschland immer weiter zuspitzt, wirkt die Zahl von 20.000 Bauvorschriften aus der Zeit gefallen.

Studie zeigt die Auswirkungen immer neuer Vorschriften

Wie sich all diese Vorschriften auf die Baukosten auswirken, zeigt eine Studie der ARGE e.V. Anders als die Daten des Statistischen Bundesamtes berücksichtigen die Berechnungen der Studie auch Kostensteigerungen, die sich durch Anforderungsveränderungen ergeben – sprich: Kostensteigerungen aufgrund zusätzlicher Normen und Vorschriften. Betrachtet werden in der Analyse die Kosten für einen typischen Geschosswohnungsneubau in Deutschland. Allein aufgrund steigender Materialpreise und Löhne sind die Baukosten seit dem Jahr 2000 um etwa 109 Prozent gestiegen. Doch damit nicht genug: Berücksichtigt man auch die Auswirkungen zusätzlicher Normen und Standards, landet man bei einem Baukostenanstieg von 144 Prozent. Damit hat rund ein Viertel des Baukostenanstiegs nichts mit steigenden Löhnen oder Materialpreisen zu tun, sondern wird allein durch zusätzliche Vorschriften erzeugt.

In den nächsten Jahren wird es in Deutschland echte Reformen brauchen, damit die sich zuspitzende Wohnungskrise keine Spaltung unserer Gesellschaft zur Folge hat. Mit einer weiteren Verschärfung von Mietpreisregulierungen – wie sie von vielen Parteien bereits gefordert wird – wird man das Problem sicher nicht lösen, ganz im Gegenteil. Stattdessen muss mit allen Mitteln versucht werden, das Wohnungsangebot zu stimulieren. Wie die FNF-Studie „Nachhaltige Wege aus der Baukrise“ zeigt, gelingt dies am wirksamsten und schnellsten über Einsparungen bei den Baukosten.

Hinter dem Wohnungsbau steckt eine enorme wirtschaftliche Kraft

Ein Aufschwung auf dem Wohnungsmarkt wäre nicht nur wichtig für die Menschen, die unter steigenden Mieten und erfolgloser Wohnungssuche leiden. Ein Erstarken der Wohnungswirtschaft ist auch von zentraler Bedeutung, damit sich die gesamtwirtschaftliche Lage wieder verbessert. Nach Berechnungen des DIW generierte die Wohnungsbaubranche im Jahr 2023 eine Bruttowertschöpfung in Höhe von insgesamt 536,8 Mrd. Euro. Davon wurden 198,3 Mrd. Euro direkt durch den Wohnungsbau erwirtschaftet. Zusätzlich hat der Wohnungsbau indirekte Wertschöpfungseffekte von 166,4 Mrd. Euro sowie induzierte Wertschöpfungseffekte von 172,2 Mrd. Euro erzeugt. Gleichzeitig ergeben die Berechnungen, dass der Wohnungsbau Auswirkungen auf etwa 6,6 Millionen Arbeitskräfte in Deutschland hat. Damit hängt jeder siebte erwirtschaftete Euro sowie jeder siebte Arbeitsplatz direkt oder indirekt mit dem Wohnungsbau zusammen. Zur Einordnung: Damit sind die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte des Wohnungsbaus in etwa genauso groß wie die der Automobilindustrie.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines funktionierenden Wohnungsmarktes sind laut der Studie des DIW sogar noch weitreichender. So sind insbesondere Unternehmen in deutschen Großstädten darauf angewiesen, dass ihre Arbeitskräfte bezahlbaren Wohnraum vorfinden können. Ein funktionierender Wohnungsmarkt ist also auch die Voraussetzung für einen effizienten Arbeitsmarkt. Und auch ein Vermögensaufbau durch den Erwerb von Immobilien ist in Deutschland nur dann möglich, wenn diese bezahlbar sind.

Fazit: Der Wohnungsbau braucht einen Schub und mehr Freiheit für Experimente

Der Wohnungsbau ist also gleich aus mehreren Gründen ein Weichensteller für Wirtschaftswachstum in Deutschland. Jeder siebte erwirtschaftete Euro und jeder siebte Arbeitsplatz hängen hierzulande direkt oder indirekt mit dem Wohnungsbau zusammen. Gleichzeitig trägt ein funktionierender Wohnungsmarkt entscheidend zu Vermögensaufbau und Arbeitsmarkteffizienz bei.

All das macht klar: Der Wohnungsmarkt braucht einen echten Schub – um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern, und um für neues Wirtschaftswachstum zu sorgen. Das von Marco Buschmann (FDP) geführte Bundesjustizministerium arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf, der den Weg für einen neuen Gebäudetyp E freimachen soll. Mit dieser Gebäudeklasse wäre es deutlich einfacher, von geltenden Normen abzuweichen und mehr (Bau-)Experimente zu wagen. Ein enormer Fortschritt und eine echte Chance, einfacher und vor allem günstiger zu bauen. Allein mit dieser Art von Entbürokratisierung lässt sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt beheben und dringend benötigtes Wirtschaftswachstum erzeugen.