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Wirtschaftliche Entwicklung Afrikas
"Wir brauchen intelligente Partnerschaften nach dem Win-Win-Prinzip"

Senegal

Die Partnerschaft mit dem Senegal bietet noch viel nicht genutztes Potential

© GettyImages/ugurhan

In der vergangenen Woche besuchte Angela Merkel Westafrika und machte dabei Station in Nigeria, Ghana und dem Senegal. Offiziell standen bei der Reise Wirtschaftsfragen im Mittelpunkt. Mit der Initiative "Compact with Africa", dem  Prestigeprojekt der deutschen  G20-Präsidentschaft, sollen unter anderem mehr Privatinvestitionen auf dem Kontinent ermöglicht werden, auch durch deutsche Firmen. Freiheit.org sprach mit Mor Talla Kane, den Exekutivdirektor des nationalen senegalesischen Arbeitgeberverbandes (CNES), über die wirtschaftlichen Perspektiven des Senegal und der Zusammenarbeit mit Deutschland.

Die Förderung der afrikanischen Wirtschaftsentwicklung ist seit Jahren Teil von verschiedenen G-8 Initiativen und der „Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung“ (NEPAD) bis hin zum jetzigen G-20 "Compact with Africa". Haben diese Initiativen der letzten 20 Jahre für die Wirtschaft im Senegal positive Effekte gehabt?

Es stimmt zwar, dass es seit über zwei Jahrzehnten zahlreiche Initiativen zur schnelleren Entwicklung des afrikanischen Kontinents gibt, allerdings zielen die meisten dieser Initiativen vor allem auf die Bekämpfung von Armut und Unsicherheit sowie Demokratiestärkung und nur mittelbar auf die Förderung von Privatinvestitionen ab. Daher ziehen die neuen Ankündigungen der Bundeskanzlerin unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Die Umsetzung der häufig von Industrieländern im Rahmen von G-8 diskutierten Initiativen und Maßnahmen zur Unterstützung der Entwicklungsbemühungen unserer Länder ist oft mangelhaft.  Dies liegt unter anderem daran, dass sich Beamte um die Festsetzung der Prioritäten und deren Umsetzung kümmern. Diese sind wirtschaftlichen Akteuren allerdings kaum bekannt. Folglich kann eine umfassende und korrekte Bewertung der Auswirkungen dieser Initiativen auf die senegalesische Wirtschaft nur sehr begrenzt bzw. mangelhaft ausfallen, da wir nicht genau im Bilde sind über die konkreten Verpflichtungen und Umsetzungsmaßnahmen der von den Politikern getroffenen Entscheidungen.

Was wir allerdings sagen können, ist, dass die Zusammenkünfte der G-8 und NEPAD den Impuls für eine Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften und eine Liberalisierung privater Initiativen gegeben haben. Es geht nun insbesondere darum, diese Entwicklung in Richtung von mehr öffentlich-privaten Partnerschaften zu stärken, indem wirtschaftliche Akteure bei der Agendavorbereitung internationaler Treffen wie auch bei der Bewertung der Ergebnisse mehr eingebunden werden.

Obwohl der Fokus der Kanzlerin auf ihrer Afrikareise auf dem „Compact with Africa“ Projekt der G-20 lag, interessieren wir uns vor allem für das, was Deutschland in der Partnerschaft beitragen kann. Trotz einer konsequenten Unterstützung großer staatlicher Projekte und einer vielfältigen Kooperation ist die Zusammenarbeit mit Deutschland in Afrika bislang nicht sehr prominent.

Die deutsche Bundesregierung setzt sich seit Jahren für ein stärkeres Engagement auf dem afrikanischen Kontinent ein. Die Bundeskanzlerin hat jetzt erneut mehr Initiative Deutschlands zur Investitionsförderung verkündet. Schaut man jedoch auf den Senegal, so hat das Land im letzten Jahr Waren im Wert von rund 117 Millionen EUR aus Deutschland bezogen, während die Exporte nach Deutschland sich auf ca. 17 Millionen EUR beliefen. Wie beurteilen Sie die neuen Ankündigungen der deutschen Seite mit Bezug auf den Senegal?

Deutschland kann und sollte ein Referenzpartner für den Senegal sein, und zwar nicht nur wegen Deutschlands führender Rolle in der Europäischen Union und dessen wirtschaftlichen Potentials. Darüber hinaus liegt es auch in unserem Interesse, im Hinblick auf unsere Entwicklungsambitionen ein Land an unserer Seite zu haben, das sich durch seine Widerstandsfähigkeit auszeichnet und das über eine der stärksten und innovationsreichsten Volkswirtschaften der Welt verfügt.

Deutschland ist in Bereichen erfolgreich, die viele Experten als unumgänglich für Entwicklung betrachten, vor allem in den Bereichen Ausbildung und berufliche Eingliederung. Es handelt sich um ein Gebiet, in dem wir seit vielen Jahren auf der Suche nach sinnvollen und bewährten Lösungen sind und in dem wir Deutschlands Expertise und Unterstützung gut gebrauchen können. Eine zweite Herausforderung für den Senegal stellt die Industrialisierung dar. Auch in diesem Bereich spielt Deutschland eine Vorreiterrolle weltweit, denn es gelingt der deutschen Industrie, Robustheit und Innovation zu vereinen.

Mor Talla Kane

Mor Talla Kane spricht sich für einen Relaunch der Partnerschaft aus

© Mor Talla Kane

Eine vorteilhafte Partnerschaft für unser Land bestünde darin, bei der Erhöhung des Investitionsniveaus und der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen begleitet zu werden. Doch handelt es sich bisher lediglich um Ankündigungen und Absichtserklärungen, die auf beiden Seiten konkretisiert und umgesetzt werden müssen. Es liegt an uns, diese Verpflichtungen mit Inhalt zu füllen und deutschen Investoren Lust zu machen, im Senegal zu investieren. Unsere Wirtschaftsteilnehmer müssen ebenfalls Absatzmöglichkeiten auf dem hochwertigen deutschen Markt finden. Um Früchte zu tragen, brauchen diese Bemühungen selbstverständlich die Begleitung beider Regierungen. Wenn wir heute wenig nach Deutschland exportieren, liegt das daran, dass wir es nicht geschafft haben, eine dynamische Partnerschaft mit diesem Land aufzubauen. Das könnte sich durch den Besuch der Kanzlerin ändern, indem dieser als Anfang eines neuen Kooperationsvorgehens wahrgenommen wird.

Der Senegal gilt als Beispiel  für demokratische Stabilität in der Region – ein Faktor, der von allen Investoren geschätzt werden müsste. Macht sich dies in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes positiv bemerkbar? Welche Herausforderungen sehen Sie für die senegalesische Wirtschaft?

In der Tat befindet sich der Senegal in einer besseren Situation als viele andere afrikanische Länder, die sozio-politisch instabil sind. Die Stabilität, die unser Land genossen hat, hat uns die Möglichkeit gegeben, einen ständigen Dialog zwischen Staat und Privatsektor aufzubauen, der zum Beispiel die Verabschiedung des „Plan Sénégal Emergent“ (Senegalesischer Entwicklungsplan, PSE) möglich machte).

Heute ist sich der private Sektor eindeutig darüber bewusst, dass nicht Abschottung sondern intelligente Partnerschaften nach dem Win-Win-Prinzip die Welt nach vorne bringen. Der deutsche Wirtschaftssektor hat einen Platz in unserer neuen Vision, die die Kooperation zwischen heimischen und ausländischen Unternehmen in der Realisierung von Leuchtturmprojekten des PSE anstrebt.

Dank seiner Zugehörigkeit zu der 15 Länder umfassenden Zollunion ECOWAS bietet der Senegal einen Zugang zu einem Markt, der weit über die Landesgrenzen hinausgeht. Seine geographische Lage stellt einen herausragenden Zugang zum westafrikanischen Markt dar, dessen Wachstumspotential von allen Beobachtern als hoch eingeschätzt wird. Darüber hinaus verfügt das Land mit seiner sozio-politischen Stabilität, einer guten Qualität im Personalwesen und dem Talent seiner Unternehmer über weitere attraktive Merkmale.

Zuletzt möchte ich betonen, dass ein enormes Handels- und Investitionspotential zwischen Deutschland und dem Senegal besteht. Das aktuell niedrige Handelsniveau und der Stellenwert, den der deutsche Markt für senegalesische Produkte einnimmt, zeugen von einem Mangel an Entschlossenheit auf Seiten unserer Unternehmer, die dort noch keinen Zugang erlangt haben. Dieser Markt ist offen, jedoch sehr konkurrenzfähig und es liegt an uns, intelligente Möglichkeiten zu finden, in ihn einzudringen. Dennoch bleiben Direktinvestitionen aus Deutschland für uns die beste Garantie einer gelungenen und nachhaltigen Partnerschaft. Deswegen schenken wir dieser Partnerschaft große Beachtung.

Die Fragen stellte Daouda Seck auf dem Projektbüro Dakar.