Rechtsextremismus
Zwei Jahre nach Lübcke-Mord: Hass ist keine Meinung
Vor zwei Jahren wurde der Regierungspräsident Walter Lübcke auf seiner Terrasse durch einen gezielten Kopfschuss ermordet. Der Täter ist zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Es war ein Mord aus rechtsextremer, rassistischer und fremdenfeindlicher Gesinnung. Dem Täter passte der humanitäre Anspruch des Politikers im Umgang mit Geflüchteten nicht.Die Beleidigungen, Hassmails und Bedrohung von Politikerinnen und Politikern von der kommunalen Ebene bis zur Bundespolitik nehmen ständig zu. Manche Mandatsträger verlassen deshalb die Politik, um ihre Familie nicht weiter zu gefährden. Wenn sich ein Politiker bei jeder Äußerung erst überlegt, ob sie einen Shitstorm auslöst oder zur Bedrohung der Kinder führen kann, gefährdet das den für die Demokratie unverzichtbaren Diskurs. Wie Politiker besser vor Trollen und Glaubenskriegern geschützt werden könne, geht uns alle an.
Konzept gegen Rechtsextremismus
Der wachsende Rechtsextremismus ist eine der größten sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland. Das zeigen vor allem die erschütternden Anschläge der letzten Jahre, von der Mordserie des NSU über die Ermordung Walter Lübckes bis hin zu den Attentaten von Halle und Hanau. Wir brauchen endlich ein nachhaltiges Konzept und konkrete Maßnahmen gegen Rechtsextremismus.
1. „Schwarmterrorismus“ frühzeitig erkennen und bekämpfen
Rechtsextreme und gewaltbereite Gefährder bilden dynamische Netzwerke, in denen spontan Einzeltäter für terroristische Gewaltakte mobilisiert werden können. Die Sicherheitsbehörden müssen Konzepte entwickeln, um diesen „Schwarmterror“ frühzeitig erkennen und beobachten zu können.
2. Hasskriminalität im Netz nachhaltig bekämpfen
Um rechte Strukturen im digitalen Raum effektiv zu bekämpfen, müssen Polizei und Staatsanwaltschaften mit den notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden. Die Verantwortung für Strafverfolgung im Netz muss der Staat übernehmen, keinesfalls darf er die Verantwortung allein den Netzbetreibern überlassen. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat mit der Gründung des Sonderdezernats "Hate Speech" zur strafrechtlichen Verfolgung von politisch motivierten Hasskommentaren ein Modell etabliert, an dem sich Länder und Behörden orientieren können.
3. Mitglieder rechtsextremer Netzwerke entwaffnen
Eine Mitgliedschaft in rechtsextremistischen Organisationen und Netzwerken muss zwangsläufig zur Entwaffnung und dem Entzug des Waffenscheins führen. Ein besonderes Augenmerk muss auf sog. „Hybridwaffen“ und „Geisterwaffen“ liegen, die mit privaten 3D-Druckern hergestellt werden können.
4. Stärkung der Sicherheitsbehörden gegen Rechtsextremismus und Terrorismus
Sicherheitsbehörden brauchen spezialisierte Abteilungen und Task-Forces zur Überwachung von Rechtsextremisten. Zudem braucht es flächendeckende Zuständigkeiten für antiislamische und antisemitische Straftaten in den Staatsanwaltschaften. Ein verstärkter Fokus auf und eine Sensibilisierung für Rechtsextremismus ist bei der Ausbildung von Polizisten und Staatsanwälten notwendig.
5. Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur (Föderalismusreform III)
17 Verfassungsschutzämter, das Bundeskriminalamt und der Militärische Abschirmdienst (MAD) haben seit Jahren massive Probleme, ihren Auftrag „Bedrohungen für die (…) freiheitliche demokratische Grundordnung und die öffentliche Sicherheit weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu erkennen“, umzusetzen. Die staatliche Sicherheitsarchitektur gleicht einem löchrigen Flickenteppich, was zu enormen Effizienzverlusten führt. Eine Reform, mit der die Verfassungsschutzämter auf vier Schwerpunktbehörden – Nord, Süd, Ost und West – reduziert werden, sollte angestrengt werden.
6. Rechte Strukturen in Behörden und Nachrichtendiensten bekämpfen
Rechte Strukturen in Ämtern, Behörden und bei der Bundeswehr wurden und werden unterschätzt. Eine verstärkte und unabhängige Revision rechter Strukturen in den einzelnen Behörden ist überfällig.
7. Prävention und Deradikalisierung stärken
In der Hooligan- und Islamistenszene werden Gefährder seit Jahren aktiv angesprochen. Auch in der rechten Szene muss dieser Präventionsarbeit eine bedeutend größere Rolle eingeräumt werden. Zudem müssen Deradikalisierungsprogramme und Ausstiegsangebote, beispielsweise in Gefängnissen, massiv ausgebaut werden. Ein Sofortprogramm mit Sondermitteln in Höhe von 20 Millionen Euro wäre ein erster Schritt.
8. Schutzstandards für gefährdete Versammlungsorte wie Moscheen und Synagogen verbessern
Der Objektschutz für gefährdete Versammlungsorte muss einheitlich organisiert und koordiniert werden.
9. Meldestellen für antiislamische und antisemitische Vorfälle ausbauen
Meldestellen sind ein Frühwarnsystem und sollten gefördert werden. Sie können Gefährdungen durch Rechtsextremisten erkennen und melden.
10. Förderung von Bildung und Medienkompetenz
Insbesondere junge Menschen müssen lernen, mit Emotionalisierung, Verschwörungstheorien und digitaler Gewalt umzugehen. Sie müssen für Desinformation und Fake News sensibilisiert werden und sollten diese frühzeitig erkennen können.