Internationale Politik
Münchner Sicherheitskonferenz – die Re:vision-Ausgabe
Münchner Sicherheitskonferenz – die Re:vision-Ausgabe
Von einem Donnerstagabend bis Sonntagmorgen im Februar war München, wie schon so oft, das Epizentrum der internationalen Sicherheitsszene. Die 59. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) versammelte politische, militärische und wirtschaftliche Führungskräfte aus über 100 Ländern im Hotel Bayerischer Hof zu einem dicht gedrängten Programm, bestehend aus Veranstaltungen, bilateralen Gesprächen und Verhandlungen. Unter dem diesjährigen Motto, "Re:vision", befasste sich die Konferenz mit dem zunehmenden Revisionismus autoritärer Staaten und dem wachsenden Konflikt verschiedener Visionen für die internationale Weltordnung.
Auf der Gästeliste standen Delegationen aus der ganzen Welt, die sich im Geiste der „Münchner Regel" trafen: Gemeinsames Engagement und Interagieren statt gegenseitiger Belehrung und Ignoranz. Nicht eingeladen waren in diesem Jahr die Delegationen aus dem Iran sowie – zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten! – aus Russland. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der brutalen Niederschlagung der von Frauen angeführten Proteste im Iran haben sich beide Länder in eine Lage manövriert, in der konstruktive internationale Gespräche derzeit nicht möglich sind.
Inmitten der teils hektischen diplomatischen Aktivitäten gab es mehrere Themen, die die nächsten Monate der Sicherheitsplaner in Europa und weltweit prägen werden:
Die Ukraine steht im Mittelpunkt
Russlands Krieg gegen die Ukraine stand bei der diesjährigen MSC im Zentrum der Diskussionen. Überall in München wehten ukrainische Flaggen, es gab viele blau-gelbe Anstecknadeln und das Unabhängigkeitsdenkmal auf dem Maidan prangte auf der Titelseite des Programms.
Aber es ging nicht nur um Symbolik. Der Munich Security Report, der den analytischen Hintergrund für die Konferenz liefert, hatte den Einmarsch in die Ukraine bereits als Wendepunkt in der Weltpolitik ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Am Veranstaltungsort waren ukrainische Politiker und Aktivistinnen stark in den Diskussionen vertreten, und die Konferenz wurde mit einer Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky eröffnet.
Wie anders noch die Vorjahresveranstaltung, die nur wenige Tage vor der russischen Invasion im Februar 2022 stattfand. Damals nahm Zelensky persönlich an der MSC teil und bat in seiner wahrscheinlich für lange Zeit letzten öffentlichen Rede in Anzug und Krawatte den Westen vergeblich um mehr Unterstützung gegen die russische Aggression.
Die starke Symbolik und positive Resonanz auf der diesjährigen Konferenz waren ein Zeichen dafür, dass die Verbündeten der Ukraine auch weiterhin zur Seite stehen werden. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte dies in seiner Eröffnungsrede, als er sagte: „Es ist klug, sich auf einen langen Krieg einzustellen, und es ist klug, Putin die Botschaft zu übermitteln, dass wir bereit sind, an der Seite der Ukraine zu bleiben." Diese Position wurde von der US-Vizepräsidentin Kamala Harris („so lange wie nötig") und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron („bereit für einen längeren Konflikt") aufgegriffen und bekräftigt. So sehr sich Wladimir Putin und seine Regierung auch wünschen würden, dass sich die westliche Öffentlichkeit gegen die Unterstützung der Ukraine wendet, es gibt keine Anzeichen dafür, dass dies geschieht.
Das transatlantische Bündnis ist wieder da
Ein weiteres allgegenwärtiges Thema war die Demonstration der starken transatlantischen Einheit. Während das Thema der Münchner Sicherheitskonferenz vor zwei Jahren noch „Westlessness" lautete, also das Fehlen westlicher Einigkeit, war in diesem Jahr eine einheitliche westliche Front deutlich sichtbar. Nichts verbindet mehr als ein gemeinsamer Gegner. Die Bedrohungen für die Freiheit und die liberale Weltordnung die, nicht nur, von Russland ausgehen sowie die enge Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Ukraine in ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor schweißen das transatlantische Bündnis und seine Wertepartner stärker zu zusammen denn je.
Die Bedeutung der diesjährigen MSC gerade für die transatlantische Partnerschaft spiegelte sich auch in den nach München gereisten Delegationen wider. Die USA traten mit der größten Kongressdelegation in der Geschichte der MSC an, zusammen mit der Vizepräsidentin, dem Außenminister und dem CIA-Direktor. Auf europäischer Seite waren alle wichtigen Akteure vertreten, wobei die EU-Institutionen eine herausragende Rolle spielten.
In den Diskussionen gab es keinen Disput mehr über die Notwendigkeit, die europäischen Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Auch die Zweifel am Engagement der USA für die europäische Sicherheit sind längst ausgeräumt. Schließlich steigen die europäischen Verteidigungsbudgets rasch an und die USA sind der größte Unterstützer der ukrainischen Kriegsanstrengungen; damit lassen die Partner auf beiden Seiten des Atlantiks augenscheinlich ihren Worten Taten folgen. Diese neue Einigkeit eröffnete in München den Weg für Gespräche über eine Reihe von Themen, die das transatlantische Bündnis betreffen: sei es die verstärkte Produktion von Rüstungsgütern oder die Notwendigkeit der Strafverfolgung der Täter für Russlands Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine.
Ein Auge auf China werfen
Dem indo-pazifischen Raum und China wurden in München nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl hier letztlich die höheren Prioritäten für die Außen- und Sicherheitspolitik der USA liegen. In den meisten Gesprächen blieb das Hauptthema die Ukraine – etwa als Kamala Harris China davor warnte, Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine militärisch zu unterstützen.
Dennoch sorgte die Rede von Chinas diplomatischem Vertreter Wang Yi für Diskussionen weit über die MSC hinaus. Vor allem zwei Dinge polarisierten: Wang Yi verkündete die Absicht Chinas, in den kommenden Tagen einen Plan für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vorzulegen. Auf Aufforderung zuzusichern, dass China keine unmittelbare Eskalation gegen Taiwan plane, sagte er: „Taiwan ist Teil des chinesischen Territoriums. Es war nie ein Land und wird auch in Zukunft nie ein Land sein." Diese Signale wurden zweifellos von den anwesenden Staats- und Regierungschefs registriert und werden sicherlich auch in Zukunft in die verschiedenen Szenarien einfließen, auf die sie sich vorbereiten müssen.
Die diesjährige MSC hat vor allem eines gezeigt: Die liberale Weltordnung ist unter Beschuss. Und die verbündeten liberalen Demokratien, über den geografischen Westen hinaus, haben das erkannt. Die Konturen einer globalen Gegenwehr - politisch, militärisch, geoökonomisch – werden immer deutlicher. Es überwiegt die Erkenntnis, dass nur mit einer globalen Koalition von gleichgesinnten Partnern die Herausforderungen gestemmt werden können, die revisionistische und autoritäre Mächte für die liberale Weltordnung darstellen. Die MSC war daher ein weiterer Aufruf, in eine Allianz der liberalen Demokratien zu investieren.
FNF bei der MSC
Zum ersten Mal nahm die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit offiziell an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und veranstaltete drei Aktivitäten. Dazu gehörten ein Liberaler Stammtisch, ein öffentliches Panel zum Thema European Autonomy versus Efficiency und ein offizielles Side Event der MSC, bei dem die Parameter einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur diskutiert wurden. Gelegenheit, die Ergebnisse der neuen FNF-Publikation EDINA – European Defence in a New Age zu erörtern.