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Verteidigungspolitik
Warum US-Raketen in Deutschland für mehr, nicht weniger Sicherheit sorgen

  Ab 2026 sollen in Deutschland sollen wieder US-Marschflugkörper und Raketen mit größerer Reichweite stationiert werden. © picture alliance / abaca | ABACA

Ab 2026 sollen in Deutschland sollen wieder US-Marschflugkörper und Raketen mit größerer Reichweite stationiert werden.

© picture alliance / abaca | ABACA

Während des NATO-Gipfels im Juni verkündeten die USA und Deutschland die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Eine entsprechende europäische Fähigkeit fehlt noch, weshalb parallel eine Rüstungskooperation zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Mittelstreckenrakete unterzeichnet wurde, an der Deutschland, Polen und Frankreich beteiligt sind. Ziel ist es, das europäische Gebiet vor einem möglichen Angriff Russlands zu schützen und diesem gezielt vorzubeugen.

Vor dem Angriffskrieg Russlands wäre ein solcher Schritt undenkbar gewesen. Schon die Diskussion über Raketenabwehrsysteme, die russisches Territorium theoretisch abdecken könnten, wurde aus Angst vor einer Verärgerung Moskaus sofort unterbunden. Man wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, Russland als potenzielle Gefahr zu betrachten. Selbst als die russische Regierung Iskander-Raketen, mit einer Reichweite von bis zu 500 km und der Fähigkeit, sowohl konventionelle als auch nukleare Sprengköpfe zu tragen, in Kaliningrad stationierte, veränderte sich die deutsche Diskussion über die das russische Bedrohungspotential kaum. Und das, obwohl diese Raketen nicht nur direktes NATO-Gebiet wie Polen oder das Baltikum erreichen können, sondern auch Berlin.

Deutschland schließt NATO-Fähigkeitslücke mit US-Raketen gegen russische Bedrohung

2023 kündigte der russische Präsident Putin die Stationierung von nuklearfähigen Raketen des Typs SS-26 "Iskander" in Belarus an – eine weitere Provokation Russlands und Bedrohung in unmittelbarer Nähe zur NATO und Deutschland. Dadurch ist eine Fähigkeitslücke aufseiten der NATO entstanden, sprich die NATO hat bis dato keine äquivalente Antwort auf diese Bedrohung durch Russland.  Die Entscheidung Deutschlands, im Rahmen der NATO diese Lücke gemeinsam mit der USA zu schließen, ist ein bedeutender Schritt zur Abschreckung. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine Eskalation oder eine Rüstungsspirale, wie Kritiker behaupten. Die drei bodengestützten US-Raketen sind rein konventionell und nicht nuklearfähig, wie Admiral Joachim Rühle, Chef des Stabes im Supreme Headquarters Allied Powers Europe der NATO, bestätigte.

Bei einer Abendveranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Heilbronn betonte er zusammen mit dem Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Michael Link, die Notwendigkeit, die Fähigkeitslücke zu schließen, die Russland bereits 2014 mit der Stationierung von Iskander-Raketen in Kaliningrad geschaffen hat.

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Abendveranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Heilbronn.

© Melanie Koegler, FNF

Die Stationierung dieser Raketen in Deutschland ist absolut notwendig und richtig, bis eine europäische Fähigkeit entwickelt ist. Konkret handelt es sich um den Marschflugkörper Tomahawk mit einer Reichweite von ca. 2.500 km, die Standard Missile (SM) 6 mit einer Reichweite von über 1.600 km und die Long-Range Hypersonic Weapon, eine Hyperschallrakete mit bis zu 3.000 km Reichweite.

Diese Raketen machen Deutschland nicht zu einem potenziellen Ziel Russlands, sondern dienen im Gegenteil als weiterer Grund dafür, dass der Kreml sich gut überlegen muss, ob er NATO-Grenzen infrage stellt. Sie ermöglichen es, gezielt militärische Positionen in Russland, die die Nato bedrohen, zu treffen – eine notwendige Maßnahme zur Verteidigung. Bis 2026 sollen diese Systeme in relativ geringer Stückzahl stationiert werden. Bedenken seitens Moskaus, die NATO könnte damit entwaffnende Präzisionsschläge führen und so Russlands nukleares Vergeltungspotenzial oder gar Regierungszentren ausschalten, entbehrt jeder politischen und militärstrategischen Grundlage. Dafür wären auch die Stückzahlen der in Deutschland stationierten US-Systeme viel zu gering.

Zeitenwende: Bessere Information der Bevölkerung über Verteidigung nötig

Die Kommunikation der Bundesregierung mit der Bevölkerung über die tatsächlichen Fähigkeiten dieser Systeme, deren Einsatzprozesse und die Bedrohung durch Russland lässt allerdings zu wünschen übrig. Ein Grund mehr, warum die Friedrich-Naumann-Stiftung und andere Akteure in die politische Bildung und Aufklärung über Abschreckung, Sicherheit und Verteidigung investieren. Das gehört zur Zeitenwende: Es geht nicht nur darum, mehr Geld in die Bundeswehr zu investieren und die NATO neu auszurichten, sondern auch darum, das Bewusstsein in der Gesellschaft für diese Themen zu schärfen.

Für Deutschland gilt es, neben der Umsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr die Reserve auszubauen und den Wehrdienst umzugestalten, so Michael Link am vergangenen Freitag in Heilbronn. Für Admiral Rühle steht fest, dass die NATO vor der größten Herausforderung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion steht. Dennoch sei sie gut vorbereitet und hat ihre Verteidigungspläne rasch und effektiv angepasst. Zur Bundeswehr sagt er, dass die vermeintlich langsame Versetzung in hundertprozentige Einsatzbereitschaft vor dem Hintergrund reflektiert werden muss, dass in den letzten dreißig Jahren der Fokus auf Auslandseinsätzen lag, bei denen eine viel geringere Einsatzbereitschaft erforderlich war. Die aktuellen Anforderungen bedeuten, dass viel aufgeholt werden muss, und auch dafür muss Verständnis geschaffen werden.

Freuen wir uns auf weitere Diskussionen à la „Zeitenwende erklären“, und den intensiven Austausch mit Expertinnen, Politikern und Mitbürgerinnen und Mitbürger in ganz Deutschland.