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Harris' Handschlag, Trump gereizt - die Debattennacht in den USA

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Donald Trump und Kamala Harris bei der TV-Debatte am 10. September 2024

© (c) picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Die Debatte der letzten Nacht brachte das erste, aber möglicherweise nicht das letzte direkte Aufeinandertreffen der Kandidatin und des Kandidaten für die US-Präsidentschaft. 

Kamala Harris wollte den Wählerinnen und Wählern zeigen, dass sie fähig ist, das höchste Amt der USA auszuüben. Das ist ihr weitgehend gelungen. Sie wirkte fokussiert, auf ihre Kernaussagen konzentriert und klar. Es gelang ihr oft, Trump aus dem Konzept zu bringen. Das war bereits beim Handschlag zu Beginn zu beobachten. Die Geste ging von Kamala Harris aus und überraschte Trump sichtlich. Gleichzeitig versuchte sie zu vermeiden, für die jede Politik der Biden-Regierung in Haftung genommen zu werden.

Nachdem Trump zu Beginn bei vor allem auf die Wirtschaft gerichteten Fragen noch auf Argumente und politische Lösungen setzte, war ihm im Verlauf der Debatte immer mehr Ärger und Wut anzumerken. Er schwankte zwischen dem Herausstellen der eigenen Verdienste und dem Motiv eines Landes im Niedergang. Das schließt an Stimmungen seiner Kernwähler an, für die sein Auftritt dann auch ein Erfolg war. Er attackierte Harris, wurde emotional und abwertend. Er wollte die Wahrnehmung befeuern, dass sie eine radikale Westküstendemokratin weit links vom amerikanischen Mainstream sei. Das gelang ihm nur wenig, da Kamala Harris immer wieder politische Aussagen zu machte, die breit anschlussfähig sind.

Kamala Harris dagegen kritisierte einerseits Trump scharf für seine Politik und seine Handlungen in der Vergangenheit, versuchte sich aber gleichzeitig als Politikerin einer neuen Generation, mit einem in die Zukunft gerichteten Blick darzustellen.“Let’s turn the page.“ und „We’re not going back.“ – diese Kernsätze der Harris/Walz-Kampagne verwendete Harris auch in der Debatte. Sie ging dabei stark auf frühere Aussagen und Handlungen Trumps ein, um ihm Rassismus und Verachtung für das Recht zuzuschreiben. Sie attackierte ihn auf vielen Feldern -  vor allem aber als Politiker der Vergangenheit.

Ersten Umfragen zufolge hält eine Mehrheit der Zuschauerinnen und Zuschauer Kamala Harris für die Gewinnerin der Debatte. Bei der Frage nach der Fähigkeit, das Land zu führen, hat sie deutlich aufgeholt und liegt jetzt mit Trump ungefähr gleichauf. Allerdings ist ihr nicht gelungen, auf dem Feld der Wirtschaftspolitik deutliche Zugewinne in der Kompetenzwahrnehmung zu erreichen. Hier liegt Donald Trump weiterhin vorn.

Keine Überraschungen bei den Inhalten

Die Inhalte der Debatte entsprachen den Erwartungen. Sie spiegelten die Themen wieder, die die Wählerschaft in den USA am meisten interessieren und am meisten motivieren, an die Wahlurne zu gehen: Wirtschaft, (illegale) Migration, Gesundheitssystem und Abtreibung. Hinzu kamen – ebenfalls erwartbare – außen- und sicherheitspolitische Themen: Der Umgang mit China, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Israel-Gaza-Konflikt. Diese werden zwar aller Voraussicht nach nicht wahlentscheidend sein, liefern jedoch wichtige Anhaltspunkte für all diejenigen weltweit, die sich auf die außenpolitischen Konsequenzen der Präsidentschaftswahl einstellen wollen.

Innenpolitik

Die wirtschaftliche Situation steht praktisch bei jeder Wahl an der Spitze der Themen, die die Wählerinnen und Wähler umtreiben. Hier hat Donald Trump derzeit die stärkste Kompetenzwahrnehmung, die Demokraten dagegen die größten Probleme. Trump fokussierte sich auf die Inflation, die viele US-Amerikaner als das für sie wichtigste Problem der letzten Jahre ansehen.

Ein weiteres Thema, das viele in den USA umtreibt, ist die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen: Donald Trump hatte vor seiner Präsidentschaft explizit angekündigt, den Obersten Gerichtshof so zu besetzen, dass Roe v. Wade, das Urteil, das das Verbot oder die starke Beschränkung von Abtreibungen in den USA durch einzelne Bundesstaaten unmöglich gemacht hatte, gekippt werden würde. Dieses Versprechen hat er gehalten. Doch seitdem ist das Thema Abtreibung ein sehr erfolgreiches Instrument der Demokraten, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Sie haben in den meisten Bundesstaaten eine deutliche Mehrheit auf ihrer Seite. Das zeigen Volksabstimmungen und Umfragen. Deshalb war es nur folgerichtig, dass Kamala Harris das Thema offensiv anging, während Trump in der Defensive war. Kamala Harris betonte, dass sie ein Bundesgesetz unterzeichnen würde, das Abtreibungen USA-weit legalisieren würde, während Trump der Frage auswich, ob er gegen massive bundesweite Beschränkungen sein Veto einlegen würde.

Bei der Auseinandersetzung zum Thema illegale Migration war der Tiefpunkt der Trumpschen Argumentation erreicht. Er behauptete wiederholt , dass illegale Einwanderer die Hunde und Katzen ihrer Nachbarn essen würden. Das Thema Migration spielt im Wahlkampf eine wichtige Rolle und ist einungelöstes Problem, das in breiten Teilen der Wählerschaft mit der Biden-Regierung verbunden wird. Überzeugende Konzepte, wie Einwanderung zukünftig geregelt werden kann, lieferten im Ergebnis weder Harris noch Trump nicht.

Ein weiteres Thema, das viele in den USA umtreibt, ist die Gesundheitsversorgung. Obamacare ist überwiegend populär. Trump war schon einmal damit gescheitert, das System abzuschaffen. Während Kamala Harris die Weiterführung und den Ausbau ankündigte, sagte Trump, dass er das System durch ein besseres und kostengünstigeres ersetzen wolle – blieb aber Details schuldig.

Außenpolitik

Das Thema China kam mehrfach zur Sprache. Hier gibt es in der Wahrnehmung der Rolle Chinaskaum Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern. Trump setzt auf generelle Einfuhrzölle, mit deutlich erhöhten Raten für China. Sein Argument, das bei vielen verfängt, ist simpel: Die USA werden von vielen Ländern ausgenutzt. Diese Länder werden jetzt bestraft. Er verwies – größtenteils zu Recht – darauf, dass seine Strafzölle für chinesische Waren von Präsident Biden weitergeführt wurden. Kamala Harris dagegen betonte die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der USA bei wichtigen Technologien und warf Trump vor, in seiner Präsidentschaft durch die Erlaubnis des Exports bestimmter Micro-Chips einen Beitrag zur Aufrüstung Chinas geleistet zu haben. Eine freihändlerische Politik ist von beiden nicht zu erwarten.

Bezüglich des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine vertrat Kamala Harris konsequent die auf die massive Unterstützung der Ukraine gerichtete Linie der Biden-Regierung. Trump dagegen wollte sich nicht zum Ziel eines ukrainischen Sieges bekennen, sondern vertrat einen transaktionalen Ansatz, der schon seine Amtszeit als Präsident gekennzeichnet hatte: er werde in Verhandlungen beide Seiten unter Druck setzen, zu einem Friedensschluss zu kommen.

Fazit

Zu allen Themen gab es wenig Neues und wenig Detailtiefe – wie bei einer derartigen Debatte zu erwarten. Auffällig war jedoch, dass Kamala Harris immer wieder versuchte, ein optimistisches Bild der Zukunft zu zeichnen und von Chancen und Möglichkeiten zu sprechen. Sie versuchte, Trump als Figur der Vergangenheit darzustellen und sich selbst als die Zukunft des amerikanischen Traums. Trump dagegen zeichnete die USA als „sterbende Nation“, die durch ihn gerettet werden müsse. Es bleibt abzuwarten, welche dieser Herangehensweisen letztlich die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler gewinnen wird.

 

Sascha Tamm ist Referatsleiter Transatlantischer Dialog und Lateinamerika.