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TV-Duell Harris gegen Trump: Show-down vor der Wahl?

Die Analyse von Martin Biesel, Leiter des Washington-Büros der Naumann-Stiftung, vor dem TV-Duell
TV Duell Harris Trump
© Donald Trump und Kamala Harris treffen beim TV-Duell am 10. September aufeinander / picture alliance / SVEN SIMON | SVEN SIMON

Wenn am Dienstag Kamala Harris und Donald Trump im TV-Sender ABC aufeinandertreffen, dann ist das ihr erstes und nach bisheriger Planung ihr letztes direktes Aufeinandertreffen. Das TV-Duell Joe Biden gegen Donald Trump im Juni mit verheerenden Kritiken für Joe Biden setzte eine Diskussion in Gang, die zu Bidens Verzicht auf die Kandidatur führte. Nach diesem Vorspiel könnte die Aufmerksamkeit für die Harris-Trump-Debatte kaum größer sein.

Nachdem beide Bewerber ihre Conventions hinter sich haben, ist die TV-Debatte die größte Bühne vor der Wahl am 5. November. Beide Teams haben Wahlkampfpausen eingelegt, um sich auf die TV-Diskussion vorzubereiten. Nach Berichten in US-Medien soll Kamala Harris sogar mit einem Trump- Double im typischen blauen Anzug mit roter Krawatte geprobt haben. Das Duell findet mit zwei ABC-Moderatoren und ohne Zuschauer im Fernsehstudio statt. Es sind auch keine Manuskripte auf den Rednerpulten erlaubt.

Schon an den Streitigkeiten um die Formalitäten des Fernsehduells konnte man erste Strategien ablesen. So war es das Trump-Team, das darauf drängte, dass die Mikrofone stummgeschaltet werden, wenn der Kontrahent oder die die Kontrahentin spricht. Trumps Neigung, dauernd zu unterbrechen und polternd dazwischenzureden, war im TV-Duell 2020 bei den Zuschauern sehr negativ bewertet worden. Die Befürchtung des Trump-Teams ist wohl, dass dieses Verhalten noch mehr als schlechtes Benehmen wahrgenommen wird, wenn er sich so gegenüber einer Frau verhält.

Knappe Umfragen in den Swing States

Keine Seite kann sich erlauben, dieses Duell zu verlieren. Zurzeit sind die Umfragen so knapp, dass gerade in entscheidenden Swing States die Frage, wer vorne ist, innerhalb der Fehlertoleranz der Umfragen liegt. Auch wenn Kamala Harris in landesweiten Umfragen meist leicht führt, kommt es nur darauf an, wer die noch unentschiedenen Swing States Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Arizona, Georgia, Nevada und North Carolina gewinnt, um die Mehrheit von 270 Stimmen im Wahlkollegium (Electoral College) zu erreichen. Die Kandidaten brauchen im TV-Duell Botschaften, die Wählerinnen und Wähler in diesen Staaten mobilisieren, zum Beispiel in Bezug auf die Deindustrialisierung und den Verlust von Arbeitsplätzen im Mittleren Westen.

Was sind die Strategien für das Fernsehduell?

Kamala Harris und Donald Trump gehen mit grundsätzlich unterschiedlichen Voraussetzungen in das TV-Duell. Donald Trump ist eine bekannte politische Marke. Er wird so sein, wie er immer ist. Kamala Harris dagegen muss sich selbst in dieser Debatte als künftige Präsidentin definieren. Sie hat bisher im Wahlkampf versucht, die Rolle als Vizepräsidentin im Kabinett Joe Bidens abzustreifen. Sie muss erreichen, dass ihr Führung als Präsidentin zugetraut wird. Viele Bezeichnungen, die Kamala Harris in ihrer politischen Karriere angeheftet wurden, wie Tante Kamala („Auntie Kamala“) sind da eher schädlich. Auch der Vorstoß von Bill Clinton auf der Convention in Chicago, sie als künftige Präsidentin der Freude („President of Joy“) zu etikettieren, war eher kontraproduktiv. In Umfragen liegt Harris meist deutlich hinter Trump, wenn es um das Thema Führung geht. Dahinter verbirgt sich wohl auch, dass viele Wähler Bedenken haben, eine Frau zu wählen.

Deswegen wird Kamala Harris nicht so viel Zeit der 90-minütigen TV-Debatte darauf verwenden können, Donald Trump als Gefahr für die amerikanische Demokratie anzugreifen. Sie muss sich selbst als präsidial präsentieren, damit Trumps negative politische Einschätzung von Kamals Harris nicht dominieren kann. Der Kern der Auseinandersetzung wird voraussichtlich in den Versuchen bestehen, die politische Persönlichkeit von Kamala Harris zu definieren: von Kamala Harris selbst als führungsstarke nächste Präsidentin; von Donald Trump als unfähige und unglaubwürdige Person.

Welche Themen werden entscheidend sein?

Präsidentschaftswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Deshalb wird es auch diesmal am wichtigsten sein, wie sich die beiden Kontrahenten als Persönlichkeit präsentieren. Doch Immigration, Wirtschaft und Abtreibung sind und bleiben wichtig.

Thematisch versucht die Trump-Kampagne, Kamala Harris eine vermeintlich negative Bilanz der Regierung Biden-Harris anzuhängen: hohe Preise für Lebensmittel und Wohnen, steigende Verschuldung von Verbrauchern, sinkende persönliche Ersparnisse. Jeweils gegenübergestellt den glänzenden Zahlen der Trump-Präsidentschaft.

Das zweite große Thema für Donald Trump ist die illegale Immigration. Dieses Thema wird auch von der Demokratischen Wählerschaft als dringend betrachtet. Deswegen hat Kamala Harris bereits frühere Positionen geräumt, um klarzumachen, dass sie konsequent illegale Immigration beschränken will. Trumps inhaltliche Schwäche ist das Thema Abtreibung. Nachdem die konservative Mehrheit im Supreme Court die Jahrzehnte gültige Regelung gekippt und die Frage in das Ermessen der Bundesstaaten zurückgegeben hat, ist ein Meinungswandel in der Bevölkerung zu beobachten. Auch in mehrheitlich konservativen Bundesstaaten gibt es inzwischen vielfach Mehrheiten für eine gesetzliche Regelung, die Schwangerschaftsabbrüche nach verschiedenen Kriterien legalisiert. Trump weicht dem Thema aus, um nicht evangelikale und andere konservative Gruppen zu verschrecken.

Wessen Freund ist der Trend?

Bis zur Demokratischen Convention im August war der Trend der Freund von Kamala Harris. Der Vorsprung von Trump ist aufgeholt, aber die Umfragekurve von Harris ist abgeflacht. Die Flitterwochen sind vorbei. Und die Debatte wäre eine willkommene Gelegenheit, wieder das Momentum zu gewinnen. Das gilt allerdings auch für die Trump-Kampagne, die sich langsam von ihrer Orientierungslosigkeit nach dem Wechsel zur Kandidatin Kamala Harris erholt.

Martin Biesel ist Staatssekretär a.D. und leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington, D.C.