EN

Ausländisches Agentengesetz
Georgien rückt näher an Russland

Demonstranten, die sich gegen den Gesetzentwurf zur „Transparenz ausländischer Einflussnahme“ aussprechen, versammeln sich vor dem Parlamentsgebäude zu einer nächtlichen Protestaktion in Tiflis, Georgien

Demonstranten, die sich gegen den Gesetzentwurf zur „Transparenz ausländischer Einflussnahme“ aussprechen, versammeln sich vor dem Parlamentsgebäude zu einer nächtlichen Protestaktion in Tiflis, Georgien.

© picture alliance / Anadolu | Davit Kachkachishvili

Die georgische Regierung unter inoffizieller Führung des Oligarchen Bidsina Iwanischwili ist fest entschlossen, das sogenannte Ausländische Agentengesetz zu verabschieden, obwohl Tausende von Menschen seit Wochen dagegen demonstrieren. Sie rückt so das Land in Richtung Autoritarismus und Russland. Dort legt seit 2012 ein ähnliches Gesetz die Grundlage für weitgehende Repressalien gegen Kremlkritiker. Die Georgier wehren sich gegen diese Richtungsentscheidung.

Das Gesetz verpflichtet NGOs und Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland beziehen, sich in einem Register einzutragen. Sie werden dadurch diskreditiert und können Kontrollschikanen ausgesetzt werden. Das betrifft so gut wie alle nicht-staatlichen Partner, mit denen im Rahmen der europäischen Entwicklungsarbeit kooperiert wird.

.

Der Opposition drohte Iwanischwili mit Verfolgung nach den Parlamentswahlen im Oktober 2024. Einen Vorgeschmack auf den angekündigten Kurs bieten seit dieser Ankündigung die Szenen der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen. Unter den Verletzten waren auch prominente Oppositionspolitiker, die aussagten, von der Polizei gezielt angegriffen worden zu sein. Zur eigenen Gegen-Demo ließ Iwanischwili Beamte aus dem ganzen Land nach Tiflis bringen, was Putins Praxis ähnelt

Georgiens Agentengesetz ist auch ein Angriff auf den Westen

28. APRIL 2024: Menschen, die gegen das Gesetz über ausländische Agenten protestieren, marschieren zum georgischen Parlament.

Im vergangenen Jahr hatte die georgische Regierung das „Ausländische Agentengesetz“ aufgrund von Massenprotesten zurückgezogen. Jetzt aber scheint man fest entschlossen, das Vorhaben umzusetzen. Die Regierung nimmt dafür auch die Eskalation des Konflikts mit westlichen Partnern in Kauf und torpediert die EU-Beitrittsperspektive. Das ist ganz im Interesse Russlands. Die neue Gangart der georgischen Regierung erfordert eine konsequente Reaktion Europas.

Weiterlesen

Auch das von der Regierungspartei propagierte Weltbild, eine Mischung aus radikal-konservativen Werten und Verschwörungstheorien, ist Putins Ideologie-Baukasten entnommen. Regierungsvertreter bezeichnen den Westen als „globale Kriegspartei", die Georgien in den Krieg mit Russland verwickeln möchte, um ihre globale Agenda gegen traditionelle Werte durchzusetzen. Mit Anti-LGBTIQ-Rhetorik hofft die Regierung in der konservativen Gesellschaft auf Zuspruch und verspricht qua Verfassungsänderung jegliche liberale Meinungsäußerung zu diesem Thema zu verbieten.

Mit dem Agentengesetz läuft sie hingegen Gefahr, die eigenen Wähler zu vergraulen. Seit vielen Jahren findet der EU-Beitritt bei mehr als 80 Prozent der Bevölkerung großen Zuspruch, und die EU hat schnell klargestellt, dass der Gesetzesvorstoß mit einem EU-Beitritt unvereinbar ist. Trotzdem stellt Iwanischwili seine Politik als Beitrag zum EU-Beitritt dar: Allerdings zu einer EU, die bis dahin nach den Maßstäben Victor Orbans gelenkt werde und dankbar für derlei Politikanstöße aus Georgien sei.

 

Die Wahlen im Oktober werden zeigen, ob sich die Bevölkerung von Iwanischwilis Argumenten blenden lassen wird, die er mit Hilfe seiner großen Propagandamaschinerie verbreitet. Um sich nicht für Wahlkampfzwecke der georgischen Regierung einspannen zu lassen, bedarf es einer konsequenten Reaktion der EU. So sollte die komplette Entwicklungszusammenarbeit mit Georgien hinterfragt und damit nicht zugelassen werden, dass georgische staatliche Stellen weiter davon profitieren, während die nicht-staatliche Zusammenarbeit unterminiert wird.

EU-Parlamentarier fordern zudem schon seit Jahren individuelle Sanktionen gegen Iwanischwili. Die EU sollte auch personenbezogene Sanktionen gegen die Architekten des Gesetzes in Erwägung ziehen. Dies würde wirklich wehtun, pflegen doch viele von ihnen enge Kontakte mit Europa - einem Europa, das sie nach russischem Vorbild gestalten möchten.

 

Dieser Artikel erschien erstmals am 7. Mai 2024 bei der Fuldaer Zeitung.

Stellungnahme der Deutschen Politischen Stiftungen in Georgien zu dem Gesetz zur „Transparenz ausländischer Einflussnahme“

"Als in Georgien vertretene deutsche politische Stiftungen bringen wir unsere große Besorgnis über  den Gesetzentwurf zur „Transparenz ausländischer Einflussnahme“ zum Ausdruck. Letzterer wurde vom Parlament bereits in erster Lesung angenommen. Die Annahme und die Diskussion als Ganzes schädigen Georgiens internationalen Ruf und seine Beziehungen zu den westlichen Partnern maßgeblich. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde das die Arbeit der georgischen Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien, die einen enormen Beitrag zum Demokratisierungsprozess Georgiens geleistet haben, erheblich einschränken. Es würde den Raum für kritische Stimmen weiter einengen und die Polarisierung fördern.

Die Bürgerinnen und Bürger Georgiens haben wiederholt ihren starken Wunsch nach einer europäischen Zukunft Georgiens zum Ausdruck gebracht und wehren sich vehement gegen das Gesetz. Wir teilen die von vielen angesehenen Institutionen geäußerte Kritik an dem georgischen Gesetz und fordern das georgische Parlament auf, die Bedenken georgischer und internationaler Institutionen ernst zu nehmen und das Gesetz abzulehnen. Die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien sind unsere geschätzten Partner, seit wir unsere Aktivitäten in Georgien vor über zwei Jahrzehnten begonnen haben. Unsere wichtige Arbeit für Georgien würde im Falle der Annahme des Gesetzes schwere Rückschläge erleiden. Darüber hinaus bedauern wir zutiefst, dass eine Annahme der verfassungsmäßigen Verpflichtung Georgiens zuwiderlaufen würde, „die vollständige Integration Georgiens in die Europäische Union […] sicherzustellen."

Die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Konrad-Adenauer-Stiftung.