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Thailand
Wo 'Bad Students' zu Vorbildern werden

Thailands junge Demokratiebewegung trotzt Wasserwerfern, Festnahmen und der Androhung drakonischer Strafen.
Junge Menschen protestieren in Bangkok
Die Demokratiebewegung in Thailand ist jung, weiblich und furchtlos - wie man hier in Bangkok sehen kann. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Geem Drake

Die Proteste der Demokratiebewegungen in Thailand haben an Momentum gewonnen. Seit einer knappen Woche widersetzen sich täglich mehr als zehntausend Menschen in Bangkok einem Versammlungsverbot. Es ist Teil eines Ausnahmenzustandes, der als Reaktion auf die Demonstrationen verschärft wurde. Trotzdem gehen Menschen zu Tausenden auf die Straße, mittlerweile auch außerhalb der Hauptstadt, beispielsweise in Chiang Mai im Norden oder in Khon Kaen im Nordosten des Landes. Insgesamt versammelten sich Aktivisten in mehr als 20 Städten. Weitere Demonstrationen sind geplant.

Seit Monaten kommt es in Bangkok zu Protesten, bei denen mehr Demokratie gefordert wird. Am Freitagabend löste die Polizei mit Wasserwerfern eine friedliche Versammlung im Zentrum der Hauptstadt auf. Das Wasser war zum Teil mit Farbe und Chemikalien versehen, die die Polizei als ungefährlich bezeichnete. Unter den tausenden Demonstranten waren viele Schüler. Auch die Justiz geht gegen die Demonstranten vor. Laut der NGO Thai Lawyers for Human Rights wurden mittlerweile mindestens 80 Aktivisten festgenommen. Zwar wurde der Großteil gegen Kautionen wieder freigelassen, Dutzende sind aber weiterhin in Haft. Gegen zwei Aktivisten wurde eine besonders schwere Anklage erhoben: Ihnen wird vorgeworfen, “einen Akt der Gewalt gegen die Königin oder deren Freiheit” begangen zu haben. Sie demonstrierten, als ein königlicher Konvoy passierte. Das Vergehen kann mit lebenslanger Haft bestraft werden. Es ist das erste Mal, dass der Paragraf gegen Demokratieaktivisten angewendet wird.

Demonstranten organisieren sich über soziale Netzwerke

Die Polizei pocht darauf, dass ihr Vorgehen internationalen Standards entspreche - und beruft sich darauf, das Versammlungsverbot durchzusetzen. Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Mary Lawlor kommt zu einer anderen Einschätzung: “Ich bin alarmiert über die Berichte aus Thailand zu Festnahmen, Arresten und Strafanzeigen gegen Menschenrechtsaktivisten, die friedlich ihr Recht zur Versammlung ausüben”, twitterte sie. Nun kündigte Thailands Polizei an, die Inhalte von vier lokalen Medien genau zu überwachen und zu zensieren. Diese würden Angst verbreiten und die nationale Sicherheit beeinträchtigen. Auch diese Maßnahme - deren Umsetzung noch unklar ist - könnte dem Ansehen der Regierung schaden.

Offenbar sollten durch die Wasserwerfer und die Verhaftungen Exempel statuiert werden.  Doch Regierungsgegner dürften sich durch die Aktionen der Staatsgewalt in ihren Forderungen noch bestätigt sehen. Die zahlreichen Festnahmen, die Straßensperren oder die teilweise Stilllegung des öffentlichen Nahverkehrs haben die Bewegung nicht gestoppt. Die Demonstranten organisieren sich dezentral über soziale Netzwerke. Dort geben sie erst wenige Stunden vor dem Beginn einer Demonstration die Treffpunkte bekannt. Die Protestbewegung hat drei Kernforderungen: Sie verlangt den Rücktritt von Regierungschef Prayuth Chan-o-cha, eine Verfassungsreform sowie eine Debatte über die Rolle der Monarchie. Vor allem der dritte Punkt ist extrem brisant: Die Monarchie gilt in Thailand als unantastbar. Auch nur die geringste Kritik an der königlichen Familie kann mit langen Gefängnisstrafen geahndet werden. Trotzdem stellten Aktivisten und Abgeordnete Fragen bezüglich der Ausgaben und des politischen Einflusses des Palastes. König Maha Vajiralongkorn, der im Mai 2019 gekrönt wurde, lebt überwiegend in Deutschland.

Derzeit kein Ausweg aus der Krise

Wie groß der Rückhalt der Protestbewegung in der Gesamtbevölkerung ist, ist kaum abzuschätzen. Insbesondere viele ältere Thailänder sind streng konservativ und royalistisch eingestellt. Konservative Kräfte versuchen, die jungen Aktivisten als ungezogene Störenfriede darzustellen, welche die Stabilität und Zusammenhalt des Landes gefährden. Auch um diesem Image entgegenzuwirken, rufen die Aktivisten ihre Mitstreiter immer wieder zum Gewaltverzicht auf – was auch weitgehend befolgt wird. Um direkte Konfrontationen mit der Polizei zu vermeiden, beenden sie ihre Proteste nach relativ kurzer Zeit wieder. Und sie räumen sogar den Müll auf. Einen Ausweg aus der politischen Krise deutet sich nicht an. Premierminister Prayuth Chan-o-cha ließ abermals mitteilen, die Regierung sei gesprächsbereit. Eine Sondersitzung des Parlaments ist im Gespräch. Größere Zugeständnisse dürften nicht zu erwarten sein. Die Aktivisten kündigten an, ihren Protest wochenlang fortzusetzen.

In Thailands jüngerer Geschichte konnten Massenproteste, die oft mit Gewalt einhergingen, nichts an den fundamentalen Machtverhältnissen ändern. Die Armee und der Palast behielten die Kontrolle. Stattdessen führten die Auseinandersetzung auf der Straße zu einer polarisierten Gesellschaft. Der Palast kommentierte die Proteste bisher nicht direkt. König Vajiralongkorn, der sich derzeit in Thailand aufhält, sagte vergangene Woche bei einem Treffen mit rehabilitierten, ehemaligen kommunistischen Rebellen: “Derzeit braucht das Land Menschen, die das Land und die Monarchie lieben.”