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Frauen in der Politik
Weit mehr als bloße „Nachlassverwalterin“

vor 150 Jahren wurde Marianne Weber geboren
Marianne Weber
Marianne Weber © wikimedia

Im Gedächtnis geblieben ist Marianne Weber vor allem durch die voluminöse Biographie über ihren Gatten aus dem Jahr 1926, die unter dem schlichten Titel „Max Weber – ein Lebensbild“ das Bild des Begründers der Soziologie in Deutschland auf Jahrzehnte bestimmte. Doch Marianne Weber, die im März 1954 in ihrer Wahlheimat Heidelberg verstarb, war weit mehr als eine „bedeutende Nachlassverwalterin“ (Jürgen Kaube).

Dabei verlief die Jugend der am 2. August 1870 nahe Bielefeld Geborenen alles andere als rosig; nach dem frühen Tod der Mutter und psychischen Erkrankung des Vaters wuchs sie bei verschiedenen Verwandten auf, bis sich der mütterliche Großvater, ein vermögender Textilkaufmann, ihrer annahm. Er stellte auch die Verbindung zur Familie seines Bruders in Berlin her, wo sich Marianne in dessen ältesten Sohn, den angehenden Rechtswissenschaftler Max Weber, heftig verliebte. Es spricht für ihren Durchsetzungswillen, dass sie ihn, den zunächst Widerstrebenden, 1893 nach allerhand Wendungen heiraten konnte. Für Max Weber war diese Ehe ein Glück, weil seine Frau nicht nur ihm dauerhaft beiseite stand, sondern auch das Vermögen mitbrachte, das es Weber ermöglichte, auch außerhalb akademischer Festanstellungen seinen wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen.

Marianne Weber ihrerseits war nicht gewillt, nur die Rolle der Hausfrau im Hintergrund einzunehmen. Als Professorengattin suchte sie in Sachen Bildung nachzuholen, was ihr als junger Frau gemäß den geltenden Konventionen verwehrt geblieben war. Sie beschränkte sich nicht darauf, die akademische Geselligkeit in Freiburg und Heidelberg für die Professorenfrauen zu öffnen, sondern legte selbst gewichtige Untersuchungen zur Rechtsstellung der Frau und zum Institut der Ehe vor. Auf dieser Basis lag ein Engagement in der bürgerlichen Frauenbewegung nahe, wo sie lebenslange Freundschaften mit deren führenden Vertreterinnen wie Gertrud Bäumer und Marie Baum schloss und in den frühen 1920er Jahren den Dachverband selbst leitete. Friedrich Naumann, mit Max Weber seit vielen Jahren eng verbunden, öffnete ihr seine Publikationsorgane. Für ihre wissenschaftliche Leistung erhielt sie 1922 einen Ehrendoktor in Heidelberg.

Endgültig politisiert wurde Marianne Weber am Ende des Ersten Weltkriegs: Ihr Name stand unter dem Gründungsaufruf für die Neuorganisation des Linksliberalismus Mitte November 1918, während der ihres Mannes und auch der Friedrich Naumanns fehlten. Und im Gegensatz zu Max, der seine politischen Ambitionen mit „professoraler“ Zurückhaltung betrieb und dann nur weit hinten auf dem Wahlvorschlag landete, errang Marianne Weber bei der Landtagswahl in Baden Anfang Januar 1919 ein Mandat. Sie war dann auch die erste Frau, die in einem deutschen Parlament sprechen sollte.

Ihren Sitz in Karlsruhe gab sie aber schon nach weniger Monaten auf, um ihrem Mann nach München zu folgen, wohin er einen Ruf erhalten hat. Als er ein Jahr später verstarb, war das trotz aller Belastungen, die vor allem Max Weber in die Ehe hineingebracht hatte, ein schwerer Schlag für Marianne Weber. Ihre Hauptaufgabe sah sie nun vor allem darin, sein Werk fortzusetzen, einmal indem sie die alten geselligen Kreise in Heidelberg wiederbelebte. Sie versuchte auch, seine Schriften neu zu edieren, eine Sisyphos-Aufgabe, die erst später über viele Jahrzehnte durch eine große wissenschaftliche Kraftanstrengung mit vielen beteiligten Experten bewältigt werden konnte. Ihr Leben ging aber weit über das einer Nachlassverwalterin heraus, und zeigt beispielhaft den schwierigen Weg auch begüterter Frauen mit liberalen Neigungen zu Gleichberechtigung und gesellschaftlicher Anerkennung. Wohl nicht nur in ihrem Kampf dafür war sie ihrem berühmten Gatten sicherlich ebenbürtig.