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Kosovo
Albin Kurtis Pyrrhussieg

Kosovos Premierminister Albin Kurti feiert mit seinen Anhängern vor dem Regierungsgebäude in Pristina, Kosovo

Kosovos Premierminister Albin Kurti feiert mit seinen Anhängern vor dem Regierungsgebäude in Pristina, Kosovo.

© picture alliance / Anadolu | Erkin Keci

Die Vetëvendosje-Partei von Premierminister Albin Kurti hat die Parlamentswahl in Kosovo erwartungsgemäß gewonnen. Nach einer vierjährigen Amtszeit mit Höhen und Tiefen verliert die „Partei der Selbstbestimmung“, wie sie in deutscher Übersetzung heißt, allerdings knapp zehn Prozent im Vergleich zur vergangenen Wahl im Jahr 2021 und ist auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Liberalen werden zweitstärkste Kraft.

Den Bürgerinnen und Bürgern Kosovos stehen politisch komplizierte Tage bevor: einem vorläufigen Ergebnis nach Auszählung von 95 Prozent der abgegebenen Stimmen zufolge kommt die linkspopulistische Vetëvendosje-Partei von Premierminister Kurti auf 41,2 Prozent. In der Wahl vor vier Jahren hatte die Regierungspartei eine absolute Mehrheit erzielt, nun muss sie einen Koalitionspartner finden.

Die ALDE-Mitgliedspartei PDK erreichte 22,3 Prozent, während die konservative LDK 17,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Zudem erhält die AAK, eine albanisch-nationalistische Partei, 7,5 Prozent der Stimmen. Mathematisch gäbe es also eine Mehrheit gegen die amtierende Vetëvendosje, doch die Präsidentin hat laut Verfassung der Partei mit den meisten Stimmen den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen.

Wie wichtig ist Kosovo für Donald Trump?

Brisant wird das Ganze durch Äußerungen von Richard Grenell, dem „Sondergesandten für Sondermissionen“ von US-Präsident Trump. Grenell hatte sich in den Tagen vor der Wahl mit teilweise ehrabschneidenden Tweets gegen Albin Kurti in den kosovarischen Wahlkampf eingemischt. Die Beziehungen zwischen Kosovo und den Vereinigten Staaten seien  an einem Tiefpunkt. Die Amerikaner benötigten verlässliche Partner in der Region, Kurti sei dies keinesfalls. Schon im Jahr 2020 war die erste Regierung von Premierminister Kurti nach US-amerikanischer Einmischung der Trump-Administration auseinandergebrochen. Im Folgejahr wurde Kurti dann von der kosovarischen Bevölkerung mit absoluter Mehrheit wiedergewählt.

Es könnte also durchaus sein, dass die US-Amerikaner eine „Anti-Kurti-Koalition“ schmieden möchten, die dem vorläufigen Wahlergebnis nach möglich wäre. Wahrscheinlich deshalb rief  Kurti sich bereits in der Nacht zum Sieger aus und kündigte an, eine Regierung bilden zu wollen. Die zweitplatzierte PDK sagte Kurti bereits ab, genauso wie die AAK, die das viertbeste Ergebnis einfuhr.

Unklarheit über Wahlergebnis im serbisch-dominierten Norden Kosovos

Ebenfalls noch in der Wahlnacht erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vučić, dass der Ableger seiner „Serbischen Fortschrittspartei“ (SNS) in Kosovo, die „Srpska Lista“, alle zehn Mandate errungen habe, die der serbischen Minderheit zustehen. Von den 120 Parlamentssitzen gehen zehn an die serbische Minderheit, zehn weitere Sitze sind für alle anderen Minderheiten wie Bosniaken, Ashkali oder Roma reserviert. Mit ähnlichen Methoden wie die SNS in Serbien stellt die Srpska Lista im Norden Kosovos durch öffentlichen Druck bis hin zu Erpressung sicher, dass die Menschen für sie stimmen.

Kosovarische Medien berichten allerdings, dass ein Sitz an die Partei von Nenad Rašić geht. Rašić ist ein moderater serbischer Politiker aus Kosovo, der sich für eine Rückkehr der Serben in die kosovarischen Institutionen und eine Loslösung von der Umklammerung Belgrads ausspricht. „Belgrad hat sich den Kosovo-Serben gegenüber immer aggressiv verhalten und die Entwicklung eigener politischer Fähigkeiten nicht zugelassen,“ sagte Rašić am Wahlabend. „Damit versucht Aleksandar Vučić, jeden authentischen Gedanken, jede Initiative, die für alle von Nutzen sein könnte, zu unterdrücken.“

Liberale mit Regierungsauftrag?

Die Demokratische Partei von Kosovo (PDK), seit 2022 Mitglied der Europäischen Liberalen (ALDE), verbesserte ihr Ergebnis gegenüber der letzten Wahl um fünf Prozentpunkte. Sie war mit Bedri Hamza als Kandidaten für das Amt des Premierministers in die Wahl gegangen.

Hamza sieht in dem Wahlergebnis einen Auftrag zur Bildung einer Regierung gegen Ministerpräsident Kurti: „Die Mehrheit der albanischstämmigen Bevölkerung ist dagegen, dass die Regierung im Amt bleibt“, sagte er am Montag. „Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen mit ihrem politischen Willen der Opposition, weshalb sie bei diesen Wahlen die Oppositionsparteien gestärkt haben.“ Dies sei eine Verpflichtung für die PDK als größte Oppositionspartei, verantwortungsvoll zu handeln und den Willen der albanischen Mehrheit nach Veränderung zu respektieren. Der Parteivorsitzende der LDK hingegen verkündete, er wolle nach einem eher ernüchternden Ergebnis für seine Partei in die Opposition gehen.

Dies würde eine Pattsituation bedeuten: die bisherige Opposition hätte nicht genügend Stimmen, um eine Regierung zu bilden. Vetëvendosje wiederum hätte ebenfalls keinen Koalitionspartner, der Kurti erneut zum Premierminister macht. Kurti, der vor der Wahl erklärt hatte, er wolle mit keiner Partei eine Koalition eingehen, wird wahrscheinlich versuchen, mit Abgeordneten einer Minderheitenpartei eine Regierung zu bilden.

Ob sich die Amerikaner einmischen, um die LDK in eine Regierungskoalition mit PDK und AAK zu heben, bleibt von alledem unbenommen.

Markus Kaiser ist Leiter des Westbalkan-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Belgrad.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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