Ausgabe 01/2023 | Februar
China Bulletin
Aktuelles aus Greater China: Peking – Hongkong – Taipei
Vergangenheitsbewältigung in Taiwan: Wieder ein Chiang an der Macht
Chiang Kai-sheks mutmaßlicher Urenkel wurde im November 2022 deutlich zum Bürgermeister Taipeis gewählt. Was sagt das aus über den Stand der Vergangenheitsbewältigung in Taiwan, wenn der Nachfahre des Diktators zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt wird? Taiwan hat einen erfolgreichen Demokratisierungsprozess durchlaufen und gehört heute zu den freiesten Demokratien weltweit. Da stellt sich die Frage, wie man jemanden wählen kann, dessen Urgroßvater und Großvater verantwortlich waren für die dunkelsten Kapitel in Taiwans jüngerer Geschichte?
Jimmy Lais Prozess macht „Nationale Sicherheit“ allumfassend
Der Demokratieaktivist und Verleger Jimmy Lai wurde wegen der Kollaboration mit dem Ausland unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz angeklagt. Zwar sollte der Prozess im Januar 2023 beginnen, doch die Wahl seines britischen Anwalts veranlasste Peking und Hongkong dazu, den Nationalen Volkskongress um eine Interpretation der Sachlage zu bitten. Die Direktive aus Peking legte daraufhin fest, dass keine ausländischen Anwälte bei Verfahren zum Nationalen Sicherheitsgesetz zugelassen sind. Zu welchen Konsequenzen diese Entscheidung führen können, analysiert Dennis Kwok, ehemaliges Mitglied des Legislativrats von Hongkong.
Grasschlammpferd und Flusskrabben gegen Chinas Internetzensur
China überwacht, beschränkt und zensiert das Internet. Trotzdem gelingt es Nutzern über „sensible“ Inhalte zu sprechen - mit Wortspielen und Kreationen. Unermüdliche, kreative Internetnutzende und der ebenfalls unermüdliche Zensurapparat spielen Katz und Maus. Doch wo Zensur ist, gibt es immer auch Versuche, sie zu umgehen. Zensuralgorithmen, die nur nach verbotenen Begriffen suchen, lassen sich dabei durch Codesprache austricksen. Ausgangspunkt dieser Vermeidungsstrategie sind wie im Falle des Grasschlammpferdes oft Homophone.
Ressourcensouveränität – Europas Weg aus der Abhängigkeit von China
China setzt europäische Entscheidungsträger zunehmend unter Druck. Das weckt schlimmste Befürchtungen, sollte die Volksrepublik künftig ihre Exporte kritischer Rohstoffe als politisches Instrument einsetzen. Europa hat seine Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten bei Produktionsschritten in der Rohstoffaufbereitung zu spät erkannt. Gelingt Diversifizierung nicht, könnten schwerwiegende geopolitische Konsequenzen folgen.
Wehrdienst in Taiwan: Schießen statt Unkraut jäten
Taiwan hat den Wehrdienst von vier auf zwölf Monate verlängert. Die militärische Ausbildung muss nicht nur länger, sondern auch professioneller werden. Taiwans Regierung hat den Wehrdienst von vier auf zwölf Monate verlängert. Für Männer herrscht Wehrpflicht, Frauen werden nicht eingezogen. In Anbetracht der wachsenden Bedrohungslage in der Taiwanstraße waren Analysten sich schon lange einig, dass eine Wehrdienst-Reform überfällig sei.