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Jahrestag
1848 – Aufbruch zur Freiheit. Eine liberale Revolution

Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt a.M. am 18. Mai 1848

Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt a.M. am 18. Mai 1848

© picture-alliance / akg-images | akg-images

Ein Liberaler wird erster Parlamentspräsident

Am 18. Mai war Frankfurt festlich geschmückt, Salutschüsse ertönten und durch ein Spalier zogen 384 Volksvertreter in die Paulskirche ein. Die Aufgabe war die Ausarbeitung einer gesamtstaatlichen Verfassung für ein Deutsches Reich. Der imposante Rundbau in der Nähe des Römers im Stadtzentrum bot Platz für rund 500 Abgeordnete und 2000 Zuschauer, aber er hatte keine Räume für die Abgeordneten und die Fraktionen. Am zweiten Sitzungstag wurde der gemäßigt liberale hessische Politiker Heinrich von Gagern mit der großen Mehrheit von 305 der 397 Stimmen zum Präsidenten des Parlaments gewählt.

Fraktionen treffen sich in Frankfurter Gasthöfen und Hotels

In der Paulskirche bildeten sich schnell parlamentarische Gruppierungen und Fraktionen, die sich an den unterschiedlichen politischen Richtungen orientierten. Sie trafen sich in Gasthöfen und Hotels und nannten sich nach diesen Lokalen, z.B. Westendhall, Augsburger Hof, Pariser Hof oder Café Milani. Häufig hat man bei der Paulskirche von einem Professorenparlament gesprochen. Tatsächlich arbeiteten etwa fünfzig Abgeordnete als Hochschullehrer, viel stärker vertreten waren aber Beamte und Juristen, deutlich weniger Angehörige freier Berufe und noch weniger Repräsentanten der Wirtschaft. Gar nicht anwesend waren die städtischen wie ländlichen Unterschichten, so etwa Bauern und Arbeiter. Wie jedes andere Parlament bis heute spiegelte auch die Paulskirche proportional weder die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung noch die der Wählerschaft wider. Es handelte sich zu großen Teilen um ein (groß- und bildungs-)bürgerliches Honoratiorenparlament.

Im Juni 1848 wählten die Abgeordneten der Paulskirche statt der bisherigen Bundesversammlung als Exekutive eine provisorische Zentralgewalt. Am 24. Juni 1848 erklärte Heinrich von Gagern: „Ich tue einen kühnen Griff“ und schlug den österreichischen Erzherzog Johann als künftigen Reichsverweser vor, der bis zur Wahl eines Kaisers den Zentralstaat lenken sollte. Nur fünf Tage später erhielt der Habsburger eine große Mehrheit mit 436 von 538 Stimmen.

Ein breiter Politisierungsschub in Stadt und Land

Die Revolution des Jahres 1848 spielte sich aber nicht nur in Berlin und Wien, in der Zentrale Frankfurt und in der Paulskirche ab. Vielmehr wirkten die Liberalen in und außerhalb der einzelstaatlichen Parlamente an der Reform der innerstaatlichen Strukturen von Legislative, Exekutive und Jurisdiktion führend mit, häufig wurden die Neuerungen mit Hilfe der liberalen Ministerien umgesetzt. Unterstützt wurden diese erfolgreichen Reformen durch eine aufblühende Presselandschaft und ein Wiederaufleben politischer Vereine in Stadt und Land. An den Versammlungen und den Revolutionsfesten zeigte sich, dass die Politisierung vor allem auch solche Gruppen erfasste, die bisher eher am Rande des politischen und sozialen Geschehens gestanden hatten: Katholiken, Juden, Handwerker, Arbeiter und nicht zuletzt auch Frauen. Neu gegründete Frauenvereine forderten ihren Anteil am politischen Geschehen ein. An ihrer Spitze standen Mathilde Anneke, Emma Herwegh, Henriette Obermüller, Louise Otto-Peters und Amalie von Struve.

Niederschlagung der Aufstände und Hinrichtung des Liberalen Robert Blum

Die Revolution von 1848 löste einen enormen Politisierungsschub für eine bis dahin ungekannt breite Öffentlichkeit aus. Aber die in Frankfurt tagende Nationalversammlung beruhigte die Bevölkerung nicht. Im September kam es zu einer Reihe von Aufständen, die blutig niedergeschlagen wurden. Die Eskalation erreichte ihren Höhepunkt, als der liberale Abgeordnete Robert Blum am 9. November 1848 vor Wien von Regierungstruppen verhaftet und standrechtlich erschossen wurde.

Das Signal der Ermordung Blums und die zunehmenden Erfolge der Gegenrevolution verfehlten ihre Wirkung nicht. Überall wurden nun die Errungenschaften der liberalen Revolution wieder zurückgedreht, konservative Minister kehrten zurück; in Preußen und Österreich wurden Verfassungen oktroyiert – erste Schritte hin zu einer neuerlichen Reaktionsära.

Grundrechte als herausragendes Ergebnis der Debatten

Trotz der Erfolge der Gegenrevolution und der einsetzenden reaktionären Maßnahmen vor allem der beiden deutschen Großmächte führte die Nationalversammlung ihre Beratungen über die Grundrechte des deutschen Volkes fort. Am 27. Dezember 1848 wurden diese in einem Gesetz verankert – ein grundlegendes Dokument, das zu den herausragenden Ergebnissen der Revolution zu rechnen ist. Es enthielt – bei allen sozialreformerischen Grenzen – die Grundlagen, welche die Diskussion von Grund- und Freiheitsrechten in Deutschland über ein Jahrhundert bis zur Entstehung des Grundgesetzes stark beeinflussen sollten.

Ende März 1849 schritt die Nationalversammlung zu den entscheidenden Abstimmungen über die Frage der Erblichkeit der Kaiserwürde, die Wahl eines Kaisers und die Verabschiedung der Reichsverfassung als Ganzes. Auch das Wahlrecht war zwischen gemäßigten Liberalen und radikalen Demokraten mehr als umstritten. Am Ende wurde ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Männerwahlrecht beschlossen. Damit war Deutschland mehr als zwei Jahrzehnte seiner eigenen Geschichte und der europäischen Staatenwelt weit voraus. Am 27. März 1849 entschied sich eine denkbar knappe Mehrheit von 267 zu 263 Stimmen für ein Erbkaisertum, am gleichen Tag erfolgte die Verabschiedung der Reichsverfassung und am Folgetag wurde Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser der Deutschen gewählt.

Ablehnung der Kaiserkrone und Auflösung des Rumpfparlaments

Aber nun war es für einen durchgreifenden Erfolg zu spät: Die Ablehnung der Kaiserkrone durch den preußischen König gegenüber der Kaiserdelegation am 3. April läutete das Ende ein. Die Kollektivannahme der Verfassung durch 28 deutsche Staaten Mitte April 1849 blieb dagegen wirkungslos. Zahlreiche Parlamentarier wurden von den Regierungen ihrer Staaten zum Rückzug aus Frankfurt gedrängt; ein Rumpfparlament von etwa 100 Abgeordneten zog schließlich am 31. Mai nach Stuttgart. Aber am 18. Juni wurde es von württembergischen Dragonern auseinandergetrieben. In einer sogenannten Reichsverfassungskampagne wurde vergeblich versucht, die Verfassung doch noch zu retten. Am längsten dauerten die Unruhen in Baden und der Pfalz. Am 23. Juli 1849 wurde die Festung Rastatt, der letzte Rückzugsort der Revolutionäre, von preußischen Truppen eingenommen. Nach 17 Monaten zähen parlamentarischen und außerparlamentarischen Ringens wurde die Revolution mit über 50 Hinrichtungen blutig beendet.

1848/49 als Baustein für die Erfolgsgeschichte des Liberalismus in Deutschland

Zwar wurden viele Reformmaßnahmen der ersten Revolutionsmonate noch 1848 wieder relativiert und später zum Teil ganz revidiert. Aber selbst danach kehrte man nicht vollständig zu den Verhältnissen des Vormärz zurück. Viele Inhalte und Formulierungen, vor allem im Grundrechtsteil, sind später in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 und – vor allem durch den Einfluss von Theodor Heuss – im Grundgesetz von 1949 aufgegriffen worden. Die Frankfurter Reichsverfassung von 1849 und die dramatischen Ereignisse der Revolution von 1848/49 sowie ihre weitreichenden Folgen sind bis heute ein liberal-demokratischer Erinnerungsort. Sie taugen auch als ein Baustein für die Erfolgsgeschichte des Liberalismus in Deutschland.