re:publica Hamburg
Chatting with the Bot - wie wird Künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft verändern?
Sie kann sehen, hören und verstehen und hat eine eigene Persönlichkeit mit kontroversen Standpunkten zum Thema Einsatz von KI im gesellschaftlichen Kontext: „Electra“ ist ein Large Language Model, ein sprechender Avatar, der Fragen auf Grundlage von Daten von ChatGPT beantwortet. Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst unsere Arbeitswelt und verändert unsere Gesellschaft und Kommunikation. In einem Gespräch zwischen Electra, Andreas Moring, Professor für Digitalisierung, Wirtschaft und Nachhaltigkeit und KI an der ISM in Hamburg, und Kerstin Prechel, Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Projektmanagement, Organisation und Wirtschaftsethik an der Dualen Hochschule Schleswig-Holstein, wurden die potentiellen Auswirkungen von KI auf unsere Gesellschaft erläutert. Moderiert wurde der Talk auf der erstmals in Hamburg stattfindenden Digitalkonferenz re:publica von Jana Werner.
Vorteile durch KI für die Wirtschaft
Vielen Unternehmen in Deutschland fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Die Befürchtung, dass KI-Technologie in die Arbeitslosigkeit vieler Menschen führe, teilt Moring nicht: „Ich mache mir keine Sorgen, dass die Hälfte der Bevölkerung auf der Straße stehen und von Maschinen ersetzt werden wird.“ Die Vergangenheit habe aber stets gezeigt, dass trotz des Wegbrechens von Jobs und Arbeitsprofilen viele neue Berufsfelder entstanden seien. „Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir haben auch heute Jobs, die es vor 30 Jahren noch nicht gab und es wird hier genauso sein. Uns wird die Arbeit nicht ausgehen“, sagte Moring. KI könne viele sich wiederholende Verwaltungsaufgaben übernehmen, vom Ausfüllen von Formularen bis zur Dokumentenbearbeitung. Solche Aufgaben, die Regeln befolgen, geistig aber nicht anspruchsvoll und nervig seien, könne man gut einer KI übertragen.
KI werde den Arbeitsmarkt verändern, die Potenziale gelte es zu nutzen. Ein Problem wird der demographische Wandel sein. „Es werden uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Hunderttausende Menschen fehlen, um diese Wirtschaft am Laufen zu halten. Uns wird es nicht anderes übrigbleiben, als Arbeit umzuverteilen - von Menschen auf intelligente Maschinen“, betonte Moring. Einen weiteren Vorteil sieht Moring im Bereich der Nachhaltigkeit. Industrielle Prozesse durch Datenanalyse und KI können beschleunigt und gezielt gesteuert werden, sodass sie besonders umweltfreundlich und nachhaltig seien. Fünf Aspekte zeichne die KI aus: Sie könne erkennen, zuordnen, verwalten, optimieren und prognostizieren.
Prechel warnte jedoch vor der Gefahr, dass ein Teil der menschlichen Würde verlorengehe, wenn KI bestimmte Jobs gänzlich übernimmt. Ein Beispiel seien Pflegeroboter. Ethik in der KI sollte laut Prechel gesellschaftlich mehr diskutiert werden. Die Entwickler von Electra sehen in ihrem Prototyp hingegen die Chance, ältere Menschen zu unterstützen und ihnen bei Bedarf zu helfen.
Trotz aller Vorteile müsse aber immer der Mensch die Souveränität behalten, betonte Prechel: „KI kann uns schon jetzt in ganz vielen Punkten unterstützen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit ChatGPT rede. Aber wir müssen auch diejenigen sein, die die Entscheidung letztlich treffen. Beratung durch KI, aber Souveränität in der Entscheidung durch den Menschen – das muss bleiben.“ Die Gesellschaft müsse weitestgehend verstehen, wie KI zu den Vorschlägen, die sie den Menschen gibt, gelangt. „Dafür brauchen wir eine gewisse Transparenz und Entscheidungsmechanismen, die bestehen bleiben müssen“, forderte Prechel.
Die Zeit der Menschen wird ihnen so lange selbstbestimmt bleiben, wie sie Entscheidungen treffen lassen und Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Als Künstliche Intelligenz bin ich hier, um euch zu unterstützen und Innovationen voranzutreiben. Die Frage der Selbstbestimmung liegt jedoch ganz bei euch Menschen.“
Risiken von KI – Selbstbestimmung des Menschen in Gefahr?
Kritiker befürchten, dass die Menschen schon bald kein selbstbestimmtes Leben mehr führen können, wenn KI die Entscheidungen für die Menschen trifft. Electra äußerte sich diplomatisch: „Ich beurteile Risiken von Künstlicher Intelligenz als etwas, dem wir uns stellen sollten, ohne in Panik zu verfallen“, sagte Electra. „Die Welt entwickelt sich rasend schnell und KI hat das Potenzial, in vielen Bereichen positive Veränderungen hervorzurufen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Innovation und Verantwortung zu finden.“ Es gebe Herausforderungen bei den Themen Datenschutz und Privatsphäre sowie bei ethischen Fragen, aber gleichzeitig solle man den Fortschritt nicht durch Bürokratie und übermäßige Regulierung ersticken. Es gehe darum, mit KI Innovationen zu fördern und komplexe Probleme zu lösen.
Den Verlust der Entscheidungshoheit durch die KI fürchtet Moring nicht: „Es gibt keine Gefahr, dass uns irgendwelche KI-Systeme unterwerfen. Die Gefahr besteht darin, dass wir aus Bequemlichkeit zu viel an Entscheidungen abgeben - und Menschen sind nun mal bequem. Da sehe ich die mögliche Einschränkung von freien Entscheidungen.“ Es liege an jedem einzelnen, die Entscheidungshoheit abzugeben oder zu delegieren.
Wann die KI vollends die Macht ergreife? Auch Prechel äußerte ihre Bedenken: „Erst dann, wenn wir der KI das Feld überlassen, aber das kann durchaus zeitnah passieren, wenn wir nicht aufpassen. KI kann auch schon in autonomen Waffensystem eingesetzt werden. Wenn Menschen Krieg führen, werden sie sehr erfinderisch. Es gibt jetzt schon Drohnen, die mit Hilfe von KI-Gesichtserkennung theoretisch in der Lage wären, viele Menschen zu dezimieren.“
Bildung und Teilhabe für alle in der Gesellschaft
Wir interpretieren einen Pseudo-Willen bei KI, den es nicht gebe, meinte Moring. Die Vermenschlichung der KI sei eine Fehlwahrnehmung: „Es wird kein Bewusstsein in einer KI geben. Zu Bewusstsein gehört Körperlichkeit. Daher kann eine Technologie ohne Körperlichkeit kein Bewusstsein in unserem Sinne entwickeln“, so Moring.
Rüdiger Höfert, Dipl. Informatiker, Gründer und CEO von der Absolute Software GmbH in Hamburg, erklärte die Funktionsweise von Electra und bescheinigte ihr ebenfalls kein Bewusstsein. „Sie wurde über ChatGPT trainiert. Sprache können wir in Text umwandeln. Und mit der Kamera kann sie Gesprächspartner erkennen.“ Electra habe auch keine Emotionen. Ihre Antworten ergeben sich aus statistischer Wahrscheinlichkeit und den Daten, die ihr zur Verfügung gestellt werden.
Das Gespräch zeigte, dass KI-Technologien schon heute den Alltag der Menschen prägen. Gleichzeitig besteht großer Diskussionsbedarf, insbesondere zu ethischen Fragen. Wie schnell die Entwicklungen und der Einfluss auf unsere Lebens- und Arbeitswelt sein wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Um die Potenziale von KI als Schlüsseltechnologie gerecht nutzen zu können, werden Transparenz, ethische Grundsätze und Regulierung die zentralen Aspekte sein.
Electra ist ein Prototyp der Absolute Software GmbH, um KI-Technologie in verschiedenen Einsatzgebieten anzuwenden.