EN

Außenpolitik
Das zweischneidige Potenzial des 17+1-Formats

Regierungschefs aus China sowie Mittel- und Osteuropa haben sich im Rahmen des China-MOEL-Gipfels getroffen
16+1 in Dubrovnik

Die Mitglieder des 16+1-Gipfel treffen sich in Dubrovnik.

© picture alliance/PIXSELL

Die Staats- und Regierungschefs aus China sowie Mittel- und Osteuropa haben sich zum achten Mal im Rahmen des China-MOEL-Gipfel (16+1) getroffen. Auf dem Gipfel in Dubrovnik wurde beschlossen, Griechenland offiziell in die 16+1-Kooperation aufzunehmen. Welche Bedeutung hat die Ausweitung des Formats für die Außenpolitik der Europäischen Union?

Das sogenannte 16+1-Kooperationsformat wurde 2012 als Plattform zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen 16 mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) und China eingerichtet. Sie intensiviert die Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehr, Finanzen, Wissenschaft, Bildung und Kultur. Die Initiative wurde 2013 mit dem chinesischen Projekt One Belt, One Road verknüpft, einem ehrgeizigen Plan Chinas zur Förderung des Welthandels und zur Durchsetzung eigener Interessen durch den Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze zwischen China und über 60 weiteren Ländern in Afrika, Asien und Europa. 

In den letzten Jahren haben die 16+1-Gipfeltreffen für viel Aufmerksamkeit in Westeuropa gesorgt. Viele westeuropäische Analysten und politische Entscheidungsträger haben ihre Besorgnis über die potenziellen Risiken einer wachsenden Präsenz Chinas in Mittel- und Osteuropa zum Ausdruck gebracht. Sie sind der Meinung, dass Pekings Engagement in der Region Teil seiner langfristigen Strategie zur Untergrabung des europäischen Zusammenhaltes und der europäischen Wettbewerbsregeln sei.

Das steigende Interesse der MOEL an engeren Beziehungen zu China könnte als rein pragmatischer Versuch zur Diversifizierung der internationalen Handelsbeziehungen in der Region verstanden werden. Gleichzeitig fällt dieser neue Trend jedoch auch mit einer Wende zu autoritären Strukturen in einigen europäischen Ländern, insbesondere in Polen und Ungarn, zusammen. Dies wirft Fragen jenseits rein wirtschaftspolitischer Erwägungen auf.

Das Format weitet sich aus

Das Gipfeltreffen vom 11. und 12. April in Dubrovnik war das letzte in dieser Konstellation, da sich Griechenland am Freitag der 16+1-Gruppe offiziell angeschlossen hat. Dies bestätigt die Vermutung, dass das Interesse Chinas an den mittel- und osteuropäischen Staaten eng mit der der Mehrheitsübernahme des griechischen Hafens Piräus durch den chinesischen Staatskonzern COSCO verbunden ist. 

Laut Abschlussdokument von Dubrovnik möchten China und die MOEL Eisenbahnprojekte fördern, die Zusammenarbeit im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft vertiefen, die Nutzung und den Bau von Logistikdrehscheiben erkunden, eine See-Land-Schnellstraße zwischen China und Europa aufbauen und die Entwicklung des intermodalen Güterverkehrs zwischen Europa und China fördern. 

17 am Scheideweg zwischen 1 und 27

Aus europäischer Sicht sind Bedenken angebracht, ob das chinesische Investitionsmodell – ohne Bedingungen, dass die Empfänger die Probleme wie Korruption oder Pressebeschränkungen angehen – nicht den eigenen Zielen entgegenwirkt. So finanziert China zum Beispiel maßgeblich den weltweiten Ausbau von Kohlekraftwerken während die EU verstärkt auf erneuerbare Energien setzt. 

Kritiker der (nun) 17+1-Initiative machen sich Sorgen, dass chinesische Investitionen die EU-Wettbewerbsregeln missachten und dass die europäischen Länder durch faule Kredite bei chinesischen Banken abhängig werden könnten. Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Bauqualität, der Umweltschutzmaßnahmen und der wachsenden technologischen Präsenz Chinas in der EU. Die mögliche Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am Ausbau des leistungsfähigen 5G-Mobilfunkstandards in Europa schürt in Berlin und Brüssel Sorgen, schließlich möchte man zukünftigen chinesischen Regierungen nicht Tür und Tor für Spionage und Sabotage öffnen. 

Die chinesische Regierung wurde auch kritisiert, weil sie ausländischen Unternehmen keinen Zugang zum eigenen Markt gewährt hat. Chinesische Akteure heben hervor, dass sie nicht zu Lasten von EU-Normen und -Standards arbeiten und EU-Vorschriften respektierten. Das 17+1-Format ist immerhin eine gute Gelegenheit für die Europäer, um China zu vermitteln, dass es sich an die Regeln der EU und der WTO halten muss.  

Das Problem ist, dass dieses Potenzial des Formats ungenutzt bleibt, da die MOEL und Griechenland keine gemeinsame regionale Agenda in Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China haben. Der multilaterale Aspekt von Investitionsprojekten ist fast nicht vorhanden und die meisten Projekte laufen nach dem Prinzip „China + 1“. 

Menschenrechte als Streitpunkt

In Menschenrechtsfragen nehmen beispielsweise die 12 EU-Länder, die zu dieser Initiative gehören, in ihren Beziehungen zu China sehr unterschiedliche Positionen ein. Ungarn, einer der größten Empfänger chinesischer Investitionen, hat wiederholt gemeinsame Positionen der EU blockiert, in denen die Menschenrechtssituation in China unter Präsident Xi Jinping kritisiert werden sollte. Im Jahr 2017 blockierte auch Griechenland die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der EU im UN-Menschenrechtsrat zu Menschenrechtsverletzungen in China. 

Seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2010 betreibt die ungarische Regierung des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ihre Politik der "östlichen Öffnung", die darauf abzielt, den wirtschaftlichen und politischen Fokus Ungarns von Westeuropa nach Asien und insbesondere nach China zu verlegen.

Die geplante Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest, die von China finanziert wird, hat das Potenzial, die wichtigste Verkehrsroute für chinesische und asiatische Güter zu werden, die auf dem Seeweg im griechischen Hafen Piräus nach Mitteleuropa gelangen. Doch auch hier gibt es Probleme. Der Baubeginn liegt bereits ein Jahr hinter dem Zeitplan und die ungarische Regierung forderte im Dezember aufgrund der Kostenüberschreitung eine neue Ausschreibung zur Auswahl des Generalunternehmers. Außerdem betreibt Huawei in Budapest sein größtes Produktions- und Logistikzentrum außerhalb von China. 

Gemeinsame Strategie für ein stärkeres Europa

Die Politik der 17 europäischen Länder gegenüber China darf jedoch nicht im Widerspruch zu den gemeinsamen Interessen aller EU-Mitgliedstaaten stehen. In ihrer Mitteilung Handel, Wachstum und Weltgeschehen: Handelspolitik als Kernbestandteil der EU-Strategie Europa 2020 zeigt die Europäische Kommission, wie wichtig es ist, den Zugang zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften zu erhalten, insbesondere zu China. Daher ist eine ausgefeilte Strategie gegenüber China erforderlich.

Die europäischen Länder sollten sich im Rahmen des 17+1-Formats für ein einheitliches, starkes und stabiles Europa einsetzen und auf diese Weise die Zusammenarbeit mit China im Einklang mit ihren strategischen Zielen vertiefen. Die MOEL und Griechenland könnten eine Brücke zwischen China und der EU bilden, was auch zur Stärkung der europäischen Einheit beitragen würde.

Eine gemeinsame Handelsstrategie der europäischen Länder ist auch für China von entscheidender Bedeutung und nur eine auf internationalen Regeln beruhende multilaterale Zusammenarbeit kann zu einer besseren Zukunft für alle beitragen.