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Waffenhandel
Russland sucht nach Bündnispartnern in Asien

Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing.

Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Valery Sharifulin
Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing.

Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Valery Sharifulin

Im Juni 2024 veranstaltet der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un zur Begrüßung seines Freundes, des Kreml-Diktators Wladimir Putin, ein Spektakel, das die russischen Propagandamedien und Kreml-Influencer beim Anblick der Aufnahmen in Ekstase geraten lässt. Tausende von Menschen, die zu Ehren der beiden Führer jubeln, bunte Luftballons, Schärpen und Bänder schwenken - all das macht Putins Gang durch die Straßen der nordkoreanischen Hauptstadt zu einem grotesken Theaterauftritt, der einem Zirkus gleicht. Möglicherweise erinnert es ihn sogar an die verstaubte Pracht sowjetischer Staatsfeiertage aus seiner Kindheit in Leningrad.

Zweckbündnis gegen den Westen

Kim und Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin besucht Nordkorea. Lange Zeit interessierte sich Russland kaum für den isolierten Paria-Staat in Ostasien. Am interessantesten für die russische Wirtschaft sind nordkoreanischen Arbeiter, die auf russischen Baustellen und in Fabriken schuften – und einen Großteil ihres Lohnes an Kims Regime abgeben müssen. Nun wird Machthaber Kim Jong Un zum wichtigen Partner, schreibt Frederic Spohr in einem Gastbeitrag für Focus Online.

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Kim Jong Un spielt letzten Endes klassisch auf das altbewährte kommunistische Brauchtum an, wonach das Volk stets zu Ehren seiner geliebten Führer unter Friedenstaube-Symbolik jubeln muss. Dass der Friedenstaube durch Russlands Barbarei in der Ukraine bereits die beiden Flügel und der Schnabel blutig gestutzt wurden, scheint für die beiden Despoten in Pjöngjang nicht mal ein Randthema zu sein.

Der Nordkorea-Besuch des russischen Präsidenten, gegen den ein Haftbefehl vor dem Internationalen Gerichtshof vorliegt, überrascht nicht. Es handelt sich um eines der Länder Asiens, in die Putin ohne befürchten zu müssen, verhaftet und den Behörden der internationalen Justiz übergeben zu werden, noch reisen kann. Sein Gastgeber Kim Jong Un verkörpert genau denselben Typus des Diktators wie der Kreml-Gast selbst. Um an der Macht zu bleiben und die Ängste der eigenen Bevölkerung vor einer imaginären ausländischen Invasion bzw. der sprichwörtlichen fünften Kolonne daheim ständig zu schüren, schrecken beide Machthaber nicht vor Verletzungen von Menschenrechten jeder Art zurück.

Nicht nur Folklore, sondern militärische Interessen

Der nach außen folkloristisch anmutende Besuch diente freilich nicht alleine der Propaganda nach innen, sondern soll vor allem zur Intensivierung von wirtschaftlichen, industriellen und militärischen Kontakten zwischen den beiden Staaten beitragen. Die Tatsache, dass Putin zuvor die nordkoreanische Führung seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht besuchte, zeigt, dass das Land in der Vergangenheit für Moskau kaum von Interesse war.

Die Situation ändert sich jedoch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. An der Front gibt es kaum Veränderung, nur wenige Erfolge aus russischer Sicht. Es entstehen Engpässe bei Munition und militärischer Ausrüstung. Zudem machen die zunehmende Isolation Russlands auf der Weltbühne und die Probleme, die sich aus den gegen das Land verhängten internationalen Sanktionen ergeben, Nordkorea, und andere, plötzlich für den Kreml-Apparat zum gefragten Partner.

Laut vorliegender Daten hat Pjöngjang mehrere tausend Container mit Munition und militärischer Ausrüstung an die Russen übergeben. Im Gegenzug versprechen die Russen noch mehr Rohstoffhandel sowie technologische und wirtschaftliche Unterstützung. Was die Öffentlichkeit jedoch nicht erfährt, ist die Schlüsselfrage, ob sich hinter dieser technologischen Hilfe auch die Zusammenarbeit im Bereich der Raketenproduktion verbirgt, was eine Beschleunigung der nordkoreanischen Aufrüstung ermöglichen dürfte.

Mit anderen Worten: Putin pilgert zu Kim Jong Un, um eine weitere Lieferung an Munition und Waffen zu erhalten. Tatsächlich hatten die Militärgütertransporte aus Nordkorea offenbar im Sommer 2022 nach dem Scheitern von Moskaus Blitzkrieg-Plänen vor Kyjiw begonnen.

Die verzweifelte Suche nach Gleichgesinnten

Putins Besuch in Nordkorea reiht sich in die zahlreichen Versuche Moskaus ein, die bestehende regelbasierte Ordnung offen anzugreifen und Gleichgesinnte hinter sich zu vereinen. Dies steckt stets hinter den Äußerungen Putins, wenn er von einer multipolaren Welt redet. Neben Nordkorea sucht Moskau in dieser Angelegenheit auch in anderen asiatischen Ländern nach Verbündeten, beispielsweise im Iran, in Afghanistan unter den Taliban, und selbst in Vietnam. Einen weiteren belegbaren Fall stellt die zunehmende Kontaktpflege Russlands zu Myanmar dar, das seit dem Putsch gegen die demokratische Regierung unter Aung San Suu Kyi wieder diktatorisch von einer Militärjunta regiert wird.

Alle diese Länder verbindet neben dem Antiamerikanismus durchaus auch die Sorge vor zu großen Machtansprüchen Chinas. Die Volksrepublik China zögert offenbar ohnehin vor einem zu hohen Risiko bei der Wahrung von Russlands Interessen im Hinblick auf dessen Krieg gegen den kollektiven Westen, um eigene Wirtschaftsperspektiven und Partnerschaften nicht zu verlieren.

Das Militärregime in Myanmar ist somit für Moskau als Verbündeter sehr willkommen. Der Handel mit militärischer Ausrüstung zwischen den beiden Ländern floriert bereits.

Die Waffenbruderschaft zwischen Russland und Myanmar

Myanmars Geschichte seit seiner Unabhängigkeit 1948 ist von Militärmacht geprägt. Im Kalten Krieg waren die herrschenden Generäle zwar strikt gegen ein kommunistisches System, den Weg in Richtung Demokratie westlicher Prägung lehnten sie jedoch ebenfalls entschieden ab. Sie profitierten von dem Ost-West-Konflikt, weil keiner ein zweites Korea oder Vietnam zulassen wollte. Für Myanmars Militärs sind selbst die sogenannten blockfreien Staaten zu sowjetnah. Deshalb konnte das Land auf westliche Unterstützung zurückgreifen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 wurden die geopolitischen Karten neu gemischt.

Die myanmarische Tauwetterperiode, die eng mit dem politischen Wirken von Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und ihrem gewaltlosen Kampf für demokratische Reformen zusammenhing, dauerte nur zehn Jahre an. Seit dem Militärputsch 2021 stürzt das Land in einen Bürgerkrieg: Viele Menschen wollen sich nicht kampflos der Militärjunta ergeben. Es ist nicht verwunderlich, dass das unter UN-Sanktionen stehende myanmarische Regime Hilfe und Waffen bei Putin sucht – und bekommt. Wie weit wird dieses Arrangement aber beiden Seiten nützlich sein? Wie wird sich die enge Verbindung zwischen Russland und Myanmar auf die Beziehungen Putins mit Xi Jinping auswirken? Ein anonym schreibender Journalist aus dem Partner-Netzwerk des Internationalen Journalisten- und Mediendialog-Programms (IJMD) beleuchtet aus dem EU-Exil für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Entwicklung der Rüstungskooperation zwischen Russland und der Militärjunta in seinem Heimatland Myanmar.  Die im folgenden verlinkte Publikation richtet den Blick auf das vom Bürgerkrieg zerrissene Myanmar, die Entwicklung der Beziehungen zu Russland und das Potential der Rüstungskooperation zwischen beiden Ländern.