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Merkel zu Besuch im Südkaukasus
Drei Tage, drei Länder – und deutliche Ansagen

Eine Einschätzung zum Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Georgien, Armenien und Aserbaidschan
Merkel Bakhtadze

Bundeskanzlerin Merkel und der georgische Premierminister Mamuka Bakhtadze

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste vom 23. bis 26. August in die drei südkaukasischen Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Erste Station ihrer Reise war Georgien. Das Land hatte sie genau vor zehn Jahren, wenige Tage nach dem fünftägigen Krieg im August 2008, zum ersten Mal besucht. Jeweils am nächsten Tag ging es dann weiter: Zunächst in die armenische Hauptstadt Eriwan, anschließend nach Baku in Aserbaidschan.

In Georgien gab es neue Vereinbarungen in Millionenhöhe und die Zusicherung, dass das Land auf seinem Weg Richtung EU weiter unterstützt wird. Besonders wohlwollend wurde folgende Äußerung von Merkel aufgenommen: „Russland hat einen Teil des Landes besetzt. Ich habe keine Sorge zu sagen, dass es eine Besatzung ist.”

Auch die armenische Politik und Öffentlichkeit war positiv über den Besuch gestimmt, weil die Kanzlerin anbot, dass Deutschland eine Vermittlerrolle im Berg-Karabach-Konflikt übernehmen könne.

In Aserbaidschan standen Wirtschaftsverhandlungen im Bereich Energie im Vordergrund. Die Defizite im Bereich Menschenrechte hat Merkel aber nicht deutlich genug angesprochen.

Über den Besuch in den drei vollkommen unterschiedlich geprägten Ländern der konfliktreichen Region sprach freiheit.org mit Frank Sitta, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, der neben fünf weiteren Bundestagabgeordneten die Kanzlerin auf ihrer Südkaukasus-Reise begleitete, sowie Peter-Andreas Bochmann, Leiter des Projekts Südkaukasus der Stiftung für die Freiheit.

Was war der aktuelle Anlass des Besuchs?

Peter-Andreas Bochmann: Einen aktuellen Anlass für den Besuch gab es nicht. Jedoch kann die Reise durchaus als politisches Signal für die drei südkaukasischen Staaten angesehen werden. In Georgien machte die Kanzlerin deutlich, dass ihr ein weiterer Ausbau der Beziehungen nach reichlich einem Jahr der Visa-Liberalisierung mit den Staaten des Schengenraumes und des Inkrafttretens des Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union wichtig sei. Sie dämpfte aber auch die Hoffnungen auf einen schnellen Beitritt des Landes in EU und Nato.

Frank Sitta: Es gab ja in Deutschland heftige Diskussionen im Frühjahr bezüglich der Visa-Liberalisierung und dem damit verbundenen sprunghaften Anstieg der georgischen Asylbewerberzahlen. Ich wolle mich unter anderen auch davon überzeugen, welche Schritte die georgische Seite dagegen unternimmt. Inzwischen sind die Asylbewerberzahlen zurückgegangen, was auch auf die strengere Prüfung bei der Ausreise aus Georgien zurückzuführen ist. Die Bundeskanzlerin bedankte sich beim georgischen Ministerpräsidenten ausdrücklich für die sehr gute Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Da sei Georgien wirklich ein sehr guter Partner.

Die Kanzlerdelegation ist auch nach Armenien gereist. Was waren dort die Hauptprogrammpunkte?

Peter-Andreas Bochmann: Sowohl in Armenien als auch in Aserbaidschan machte die Kanzlerin deutlich, dass die deutsche Seite bei der Lösung des Konfliktes um Berg-Karabach als Vermittler eine größere Rolle spielen könne. Die Kranzniederlegung an der zentralen Gedenkstätte „Tsitsanakaberd“ war von starker Symbolik. Allerdings vermied es Angela Merkel, von „Völkermord“ zu sprechen, was einige Beobachter erwartet hatten. Wahrscheinlich ist das auf die momentan – vorsichtig formuliert – fragilen Deutsch-Türkischen Beziehungen zurückzuführen.

Frank Sitta: Ehrlich gesagt wusste ich vor meiner Reise nicht allzu viel über Armenien und die aktuellen Entwicklungen nach der „samtenen Revolution“ und dem Regierungswechsel zu Nikol Paschinjan. Ich habe jedoch den Eindruck gewonnen, dass hier eine neue Dynamik entstanden ist, verbunden mit großen Hoffnungen der Bevölkerung, einem spürbaren Rückgang der Auswanderung und einem deutlichen Anstieg von Investitionsanfragen – überwiegend aus der großen armenischen Diaspora. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Schwung anhält und die Erfolge seit dem Wechsel beispielsweise in der Korruptionsbekämpfung und der Vorbereitung von wirklich freien und fairen Wahlen weitergehen.

Sitta Bochmann

Frank Sitta MdB und Peter-Andreas Bochmann begleiteten den Staatsbesuch

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die Kanzlerin wurde auch von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Gab es konkrete Vereinbarungen?

Peter-Andreas Bochmann: Am Rande des Georgienbesuchs der Kanzlerin wurden Finanzierungsverträge in Höhe von 193 Millionen Euro unterzeichnet. Die Finanzierungen betreffen den Bau des ersten unterirdischen Gasspeichers in Georgien und Mittel zur Verbesserung der Wasserversorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur in Adscharien.

Frank Sitta: In Aserbaidschan machte Kanzlerin Merkel deutlich, dass sie an engeren wirtschaftlichen Beziehungen interessiert sei. Das betrifft natürlich in erster Linie eine Befreiung der großen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Da kommt Aserbaidschan mit seinen riesigen Gasvorkommen eine besondere Bedeutung als Lieferant für Europa zu. Der weitere Ausbau eines südlichen Gaskorridors war ein wichtiger Bestandteil der Gespräche.

Gab es überraschende Momente auf der Reise der Kanzlerin, etwas Unerwartetes?

Peter-Andreas Bochmann: Es war vorher nicht ganz klar, ob es in Aserbaidschan zu einem Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft kommen wird. Dass dieses dann doch stattgefunden hat, empfand ich als klares politisches Signal. Schön wäre in meinen Augen auch ein Treffen mit Oppositionspolitikern gewesen. Auch dass sie im Gespräch mit dem Präsidenten offen das Thema Menschenrechte angesprochen hat, was zwischenzeitlich zur Unterbrechung der Live-TV-Übertragung sorgte, hatte ich so nicht erwartet. Unsere Freunde von der Partnerpartei Musavat zeigten sich jedoch enttäuscht, dass sie nicht zum Gespräch mit der deutschen Kanzlerin eingeladen waren.

Frank Sitta: Mir ist ein da ein eher unpolitisches Ereignis in besonderer Erinnerung. Während eines Abendessens auf Einladung des georgischen Ministerpräsidenten Mamuka Bachtadse überraschte er die Bundeskanzlerin mit einem Geschenk. Er übergab der deutschen Seite ein Gemälde „Stillleben mit einem Hasen“ des Malers Pietro Francesco Cittadini. Das Bild gehörte bis 1945 der Dresdner Gemäldegalerie und galt als verschollen und wird nun nach Dresden zurückkehren. Damit hatte keiner innerhalb der deutschen Delegation gerechnet, in dem ansonsten minutiös geplanten Protokoll.

Der Besuch an der Verwaltungsgrenze zu Südossetien gemeinsam mit der EU-Beobachtermission machte mir erschreckend deutlich, wie drastisch das russische Vorgehen das Leben der Menschen in dieser Region verändert hat und einer schnelleren Integration in Euro-Atlantische Strukturen Georgiens entgegensteht. Ich denke da an den Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, aber auch an die Krim, die Ostukraine und Transnistrien in Moldawien. Der Schlüssel zur Lösung all dieser Probleme liegt in Moskau.