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„'Kinder haften für ihre Eltern' darf nicht Realität in der deutschen Steuerpolitik werden."

Rolf Baron von Hohenhau, Präsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern e.V. über die deutsche Steuerpolitik
Steuerrecht

Reformen fürs Steuerrecht

© fotolia.com/zerbor

Steuern sind eines der großen Koalitionsthemen. Doch welche Reformen sind für die Bürger wirklich wichtig? Rolf Baron von Hohenau, Präsident des Bundes der Steuerzahler Bayern e. V., im Gespräch mit freiheit.org.

Als Präsident des Bundes der Steuerzahler Bayern e.V. und auch als europäischer Steuerzahlerpräsident setzt sich Rolf Baron von Hohenhau für ein einfaches und gerechtes Steuersystem sowie für eine sparsame Verwendung der Steuereinnahmen ein. Wegen seiner internationalen Erfahrung als Präsident der europäischen Steuerzahlerorganisation, der Taxpayers Association of Europe (TAE), und Vizepräsident der World Taxpayers Association ist er ein gefragter Ratgeber in der Politik. Für sein herausragendes staatspolitisches Engagement ist er mehrfach ausgezeichnet worden. Im Gespräch stellt er dar, welche Forderungen er an eine neue Koalition hat.

Sie fordern umfassende Reformen des deutschen Steuersystems, was sind für Sie die drei größten Baustellen im deutschen Steuersystem und wie kann man dieses Problem angehen?

Abschaffung des Solidaritätszuschlags

Der Soli ist eine Ergänzungsabgabe, die für den Aufbau Ost eingeführt wurde. In diesem Jahr nimmt der Bundesfinanzminister 18,1 Milliarden ein und gibt lediglich 4,3 Milliarden für den Aufbau Ost weiter. Das heißt, die Steuerzahler werden um 13,8 Milliarden gebracht, zumal es auch verfassungsmäßige Bedenken gegen die Beibehaltung des Solis gibt und der Bund der Steuerzahler dagegen klagt.  Der Soli muss umgehend abgeschafft werden. Das wäre die unbürokratischste Steuerreform.
 

Der Solidaritätszuschlag fließt kaum mehr in den Aufbau Ost

Der Solidaritätszuschlag fließt kaum mehr in den Aufbau Ost - Quelle: DSi/BdSt 2017, 1 x 1 des Solidaritätszuschlags

© Bund der Steuerzahler in Bayern e.V.

Reform des Einkommensteuertarifs

Bund, Länder und Gemeinden werden im Jahr 2022 rund 155 Milliarden Mehreinnahmen gegenüber 2018 zu verzeichnen haben, der Bund alleine im selben Zeitraum 52 Milliarden. Es ist überfällig, die Steuerbürger endlich zu entlasten. So setzt der Höchststeuersatz heute bereits beim 1,5-fachen des Durchschnittseinkommens, und damit bei einem Monatseinkommen von ca. 4.600 Euro ein, 1960 war es das 18-fache. Das muss dringend wieder verbessert werden. Der Bund der Steuerzahler fordert daher einen Höchststeuersatz erst ab 80.000 Euro zu erheben. Alle Versuche den Höchststeuersatz anzuheben, lehnt der Bund der Steuerzahler ab. Die höheren Einkommen zahlen ohnehin bereits einen Löwenanteil des Steueraufkommens.  
Im Übrigen fordert der Bund der Steuerzahler eine Abflachung des Mittelstandsbauches, das heißt, der überproportionalen Besteuerung im mittelständischen Bereich. Der Mittelstand (KMU) bildet 90 Prozent der Menschen aus und beschäftigt mehr als 60 Prozent der Arbeitnehmer.
Diese Leistungsträger zu entlasten, wäre eine Garantie für weitere Stabilität unserer Volkswirtschaft. Im Übrigen hat der Bund der Steuerzahler 60 weitere Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts in die politische Diskussion eingebracht.

Abschaffung der Kalten Progression

In vielen Fällen kommen Lohn- und Gehaltserhöhungen bei Arbeitnehmern nicht an, weil sie durch Progression und Inflation praktisch aufgefressen werden oder über die Steuern in den Taschen des Staates landen. Das ist demotivierend, sowohl für die Arbeitnehmer, weil sie um den Erfolg ihrer Arbeit gebracht werden, wie auch für die Arbeitgeber, weil sie selbst mit Lohnerhöhungen ihre Arbeitnehmer nicht zusätzlich motivieren können. Deshalb fordert der Bund der Steuerzahler einen sogenannten „Tarif auf Rädern“, mit dem jeweils jährlich die Kalte Progression ausgeglichen werden kann.

55 Prozent der Einkommenssteuer werden von 10 Prozent der Steuerzahler aufgebracht

55 Prozent der Einkommenssteuer werden von 10 Prozent der Steuerzahler aufgebracht - Quelle: Quelle: BMF 2017, Datensammlung zur Steuerpolitik 2016/2017

© Bund der Steuerzahler in Bayern e.V.

Was können wir von anderen Ländern lernen?

Die Erbschaftsteuer, deren Erhöhung wieder bei den Koalitionsverhandlungen in der politischen Diskussion war, wurde in anderen Ländern bereits gänzlich abgeschafft. So in unserem Nachbarland Österreich, aber auch in Schweden bereits vor 10 Jahren. Es liegt dem Bund der Steuerzahler eine wissenschaftliche Studie über das Ergebnis vor, in dem sämtliche schwedischen Parteien die Abschaffung der Erbschaftsteuer als Erfolgsmodell bezeichnen, weil heute mehr Geld in die Kassen des schwedischen Staates fließt als vor 10 Jahren mit der Erbschaftsteuer, da viele wichtige Unternehmen – wie beispielsweise auch Ikea – wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Auch in Deutschland und speziell in Bayern, dem Nachbarland Österreichs, sind wegen der Erbschaftsteuer große Vermögen und Unternehmen abgewandert. Eine Abschaffung könnte also auch bei uns zum Erfolgsmodell werden.

Estland hat für Unternehmen, die Gewinne im Unternehmen belassen, Steuerfreiheit eingeführt. Gewinne werden nur besteuert, wenn sie entnommen werden. Das hat zu einem gewaltigen Investitionsschub geführt und stärkt die Eigenkapitalstruktur der Unternehmen.
Nachdem alle wesentlichen Wirtschaftsinstitute in Deutschland einen nachhaltigen Investitionsstau beklagen, könnte eine Abschaffung der Besteuerung der einbehaltenen Gewinne auch hier erhebliche Verbesserungen schaffen.
Die Situation wird sich im Übrigen noch verschärfen, wenn unser Nachbarland Österreich dem Beispiel Estlands folgt, was dessen Ministerpräsident Kurz bereits angekündigt hat.

Auch in der Frage der Steuervereinfachung haben eine Reihe von Ländern wie Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, aber auch Russland und andere Länder aufgezeigt, dass mit vereinfachten Steuersystemen, niedrigeren Steuersätzen und weniger Ausnahmen, deutliche Entlastungen für die Bürger entstehen können und trotzdem über das dadurch bedingte Wirtschaftswachstum die Staaten mit höheren Steuereinnahmen profitieren.
Ähnliche Ansätze hatten auch die Vorschläge von Professor Kirchhof, die der Bund der Steuerzahler in wesentlichen Teilen unterstützt hat.

Die Sondierungsgespräche wurden abgeschlossen. Was sind aus Ihrer Sicht die problematischsten Ergebnisse?

Problematisch ist, dass trotz monatelanger Verhandlungen nach wie vor Unklarheit besteht, wie die wesentlichen Fragen gemeinsam bewältigt werden können. Das gilt sowohl für die Zuwanderung, wie auch für die Frage von Steuererhöhungen und Steuersenkungen, oder die bereits oben angesprochenen steuerlichen Maßnahmen.

Geeinigt haben sich die angehenden Koalitionsparteien auf Verbesserungen bei der Mütterrente, eine Solidarrente und die Absicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent. Die Rentenkassen werden diese Maßnahmen zukünftig viel Geld zusätzlich kosten. Ungeklärt ist wie dies finanziert werden soll. Wenn die Beiträge für die Rentenversicherung stabil bleiben sollen, bleibt nur einer, der die Rechnung dafür zahlen wird: Der Steuerzahler.

In keinem Bericht über die Sondierungsgespräche wurde die Frage von Einsparungen bei Bund, Ländern und Kommunen maßgeblich angesprochen. Auch die Frage wie die Steuergeldverschwendung bekämpft werden kann, die der Bund der Steuerzahler alljährlich in seinem Schwarzbuch aufzeigt und die anerkannter Maßen ein Gesamtvolumen von mehr als 30 Milliarden ausmacht, fand in diesen Gesprächen nicht statt. Das ist, weiß Gott, ein trauriges Ergebnis.

Die Politik sollte sich mehr Gedanken darüber machen, wie man Belastungen für zukünftige Generationen beseitigen kann, in einer Zeit in der die Steuerquellen sprudeln.

Rolf Baron von Hohenau
Rolf Baron von Hohenhau, Präsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern e.V.

In welchen Bereichen erhoffen Sie sich mehr Mut von den Parteien bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen?

Die Politik sollte sich mehr Gedanken darüber machen, wie man Belastungen für zukünftige Generationen beseitigen kann, in einer Zeit in der die Steuerquellen sprudeln. Unsere Befürchtung „Kinder haften für ihre Eltern“ darf nicht Realität werden.

Hierfür wäre erforderlich:

  • ein beschleunigter Abbau der Staatsverschuldung, wie ihn der Freistaat Bayern ja bereits in Angriff genommen hat
  • eine rechtzeitige Absicherung des Rentenniveaus, welche die Alterspyramide entsprechend mit berücksichtigt
  • Sicherheit für die Gesundheitsvorsorge
  • Keine weiteren Risiken zu Lasten der deutschen Steuerzahler bei der europäischen Finanzpolitik
  • Beseitigung der Null- oder Minuszinspolitik, die den Sparern das Geld aus der Tasche zieht, die Zukunft der Sparkassen und Genossenschaften gefährdet und die Politik weiter verführt, Schulden anzuhäufen, weil ja dafür keine Zinsen zu zahlen sind.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.