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Politische Doktrin und Militärstrategie der Abschreckung

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© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Das transatlantische Verteidigungsbündnis NATO bildet die Grundlage europäischer Sicherheit. Innerhalb der NATO spielt die europäische Integration und Konsolidierung von Sicherheit und Verteidigung, also gemeinsame Investitionen in Rüstungsgüter, Technologieentwicklungen und Fähigkeitsplanungen, eine immer wichtigere Rolle. In den letzten dreißig Jahren ging es in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik insbesondere um die Beteiligung an Missionen im Bereich von internationalem Krisenmanagement, beispielsweise im Kosovo, Libanon, in Mali, dem Südsudan oder im Mittelmeer. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine konzentrieren sich die europäischen Länder und die NATO wieder auf territoriale Verteidigung und Abschreckung. Die öffentliche Debatte in Deutschland kreist dabei insbesondere um einzelne militärische Rüstungsgüter und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Die strategische Auseinandersetzung mit der nicht ganz neuen, aber zumindest neu erkannten Sicherheitslage in Europa ist bisher noch rückständig. Unter anderem scheint es verlockend, Parallelen zum Kalten Krieg und der Ost-West-Dichotomie zu ziehen. Allerdings hat sich die geopolitische Dynamik in den vergangenen drei Jahrzehnten stark verändert, vor allem sind neue Machtverhältnisse – mit Blick auf China – entstanden. Dies macht außen- und sicherheitspolitische Abwägungen komplizierter und erhöht die Komplexität von (militärischer) Abschreckung.

Zur Stärkung der Sicherheit in Europa drängen NATO und die nationalen Verteidigungsplaner insbesondere auf höhere Investitionen in Verteidigungsfähigkeiten. Während dieses Ziel bereits auf dem NATO-Gipfel in Wales 2014 formuliert wurde, hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 diesem Versprechen noch mehr
Nachdruck verliehen, was sich bereits in nationalen Verteidigungshaushalten widerspiegelt. So wurde in Deutschland ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Streitkräfte bewilligt, ein ähnliches Sonderbudget hat Polen für die Modernisierung seiner Streitkräfte eingeführt. Polen, Norwegen, Lettland und Estland haben ihr Wehretat jeweils signifikant erhöht, viele andere europäische Länder haben sich zumindest erneut zum NATO 2%-Ziel bekannt, darunter Italien und Spanien. Für Deutschland sind die 100 Milliarden Euro Sondervermögen ein wichtiger Anfang, wenn auch, angesichts des aktuellen Zustands der Streitkräfte, nur eine kleine Summe.

Grundsätzlich ist die Investition in die militärische Abschreckung ein Mittel zur Gewährleistung von Frieden und Sicherheit: Abschreckung ist eine militärische Strategie, die darauf abzielt, einen Angriff durch eine andere Partei zu verhindern. Sie beruht auf der Annahme, dass die Absicht, anzugreifen, real ist und, dass ein Angriff durch eine rationale Kosten-Nutzen-Analyse verhindert werden kann.