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Schutz im Internet
Schluss mit Hassrede und Desinformation - neue Pflichten für Plattformen

Social Media
© picture alliance / Hans Lucas | Fiora Garenzi

Die neue EU-Regulierung für den digitalen Raum nimmt Gestalt an. Ab heute, dem 25. August 2023, gelten die ersten Vorschriften des Digital Services Act. Betroffen sind einige der finanzstärksten Unternehmen der Welt. Sie sollen fortan für einen verbesserten Schutz der Bürgerrechte in ihrem Einflussbereich sorgen.  

Der DSA - endlich Ordnung im digitalen Raum?

Der Digital Services Act, kurz DSA, ist eine neue EU-Verordnung, mit der die Europäische Union nach eigener Aussage primär drei Ziele verfolgt. Ein klarer Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Online-Plattformen soll geschaffen werden. Faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer werden angestrebt. Und der für die Bürgerrechte relevanteste Aspekt: die Grund- und Verbraucherrechte der europäischen Bürgerinnen und Bürgern sollen in Zukunft besser geschützt werden.

Schon im November 2022 trat der DSA in Kraft, doch erst jetzt könnte sich langsam zeigen, ob die Implementierung gelingt. Als erster Schritt fallen ab dem 25. August Verpflichtungen für sehr große Onlineplattformen und Suchmaschinen an. Das betrifft aktuell 17 Unternehmen, die die EU-Kommission im Februar benannt hatte. Sie eint, dass sie von mehr als 10 Prozent der europäischen Bevölkerung genutzt werden, also mindestens 45 Millionen User haben. Unter den sogenannten „very large online plattforms“ (VLOP) und „very large online search engines“ (VLOSE) finden sich große Social-Media-Konzerne wie Meta und X (früher Twitter). Aber auch Versandhändler wie Amazon oder das deutsche Unternehmen Zalando unterliegen ab heute dem DSA.

Die neuen Regeln sind vielfältig. VLOPs treffen beispielsweise verschärfte Vorgaben hinsichtlich Empfehlungssystemen, Online-Werbung und Profiling.

Hass und Desinformation im Netz wird der Kampf angesagt

Für die Stärkung der Bürgerrechte besonders relevant ist die Verpflichtung der VLOPs, Mechanismen zum Umgang mit problematischen Inhalten auf ihren Plattformen einzurichten.

Denn schon seit Langem verlagert sich unser Leben immer weiter ins Internet. Beispielsweise spielt sich ein Großteil der öffentlichen Debatte nicht mehr in den Tageszeitungen oder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Meinungsbildung wird vielmehr auf Internetseiten wie Youtube oder X betrieben. Dort werden manchmal deutlich rauere Töne angeschlagen als im Rundfunk. Einige Nutzerinnen und Nutzer verlieren jegliche Hemmschwellen und verbreiten gewalt- und hasserfüllte Inhalte. Künstlich erschaffene Posts heizen die Debatte weiter an. Polarisierende Beiträge werden zudem oft mit hohen Klickzahlen belohnt. Problematische Inhalte erhalten so eine fragwürdige Reichweite und Gleichgesinnte können sich leicht vernetzen. Manche Hetzer machen dann auch vor der analogen Welt nicht halt. Als traurige Höhepunkte können der Mord an dem früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder der Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr gelten. Gegen das Engagement beider wurde Stimmung im Internet gemacht, die wahrscheinlich (mit)ursächlich für die Ereignisse wurde.

Lübcke setzte sich für die Belange von Geflüchteten ein, Kellermayr warb für Coronaimpfungen. Beides betrifft Themen, über die auch viele Verschwörungsmythen im Internet grassieren. Die Verbreitung von Desinformationen soll mit dem DSA künftig ebenfalls vermindert werden.

Zwar trafen viele Dienstanbieter auch zuvor schon in ihren Richtlinien Regelungen für den Umgang mit Hass, Hetze und Desinformationen. Die darüber angefertigten Berichte waren aber für Dritte nicht überprüfbar – und die eben geschilderten Vorfälle zeigen deutlich, welche Verantwortung mit der Inhaltsmoderation einhergeht. Ein Gewährenlassen kann katastrophale Folgen haben. Fortan müssen VLOPs und VLOSEs die Funktionsweise ihrer algorithmischen Systeme offenlegen und Verantwortung übernehmen, wenn ihre Dienste eine systematische Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Die Moderation (deren Mechanismus die VLOPs und VLOSEs nun zeigen müssen) von Hassrede und Hetze wird dabei noch relativ einfach möglich sein. Denn solche Inhalte sind verhältnismäßig leicht zu identifizieren und der Abwägungsprozess, ob eine zulässige Meinung oder eine grundlose Beleidigung vorliegt, ist nicht allzu komplex. Gleichwohl müssen nun Plattformen Entscheidungen treffen, die sonst mitunter Gegenstand von aufwändigen Gerichtsprozessen wären. Die Gefahr des Overblockings seitens der Plattformen, die mit einer empfindlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit einherginge, droht sich durch die neuen Vorschriften aber nicht zu verstärken. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Henrike Weiden in einem Gutachten für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Eine größere Herausforderung stellt der Umgang mit Desinformationen dar. Dies zeigt schon der Umstand, dass der DSA keine eigenständige Definition für Desinformation bereithält. In - nicht verbindlichen - Mitteilungen der EU-Kommission ist die Rede von nachweislich falschen Informationen. Aber auch irreführende Informationen sollen umfasst sein. Außerdem muss eine Täuschung oder Gewinnerzielung beabsichtigt werden. Ob mithilfe dieses zusätzlichen Kriteriums tatsächlich relevante Fälle erfasst werden, oder unliebsamen Informationen vielmehr die vorschnelle Löschung droht, bleibt abzuwarten.

Nicht nur die Plattformen spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Regelwerks. Auch die EU-Kommission, die die Einhaltung des DSA bei VLOPs und VLOSEs überwacht, muss dafür Sorge tragen, dass Diskurs im Internet möglich ist und bleibt. Dies schließt natürlich die Abwesenheit von Hass und Hetze ein. Gleichzeitig dürfen aber auch nicht - mittelbar über Vorgaben an die Unternehmen - ungerechtfertigte Eingriffe in die Meinungsfreiheit getätigt werden. Dass großen Digitalkonzernen nun nicht mehr schrankenlos alles erlaubt ist, ist ein wichtiges Signal. Inwieweit Bürgerrechte dadurch aber tatsächlich besser geschützt werden, bedarf der ständigen Evaluation.

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