Publikation
Wie wehre ich mich gegen rechtsradikale Parolen?
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
der rechtsradikale Terroranschlag von Halle, in dessen Verlauf bei einem gescheiterten Angriff auf die örtliche Synagoge zwei völlig unbeteiligte Menschen getötet wurden, aber auch der gezielte Fememord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke führen sehr klar vor Augen: Aus radikalen Gesinnungen werden am Ende Taten – und der Hass betrifft uns alle, weil diese Taten jeden von uns treffen können. Wir müssen uns also bereits der verbalen, rhetorischen Menschenverachtung entgegenstellen. Und genau deshalb gibt es bereits seit 2017 diese Broschüre, nun aber in einer aktualisierten Form.
Rechtspopulistische und rechtsradikale Ansichten finden in der Gesellschaft, wie auch in den Parlamenten weiterhin große Verbreitung und treten immer vernetzter organisiert auf. Zwar steht die Mehrheit der Bevölkerung auch in diesen Zeiten des radikalen Wandels weiterhin zur liberalen Demokratie, den Menschenrechten und der Idee humanitärer Verantwortung. Doch die um sich greifende Verunsicherung nutzen die Vordenker neurechter Bewegungen mit großem Geschick, um ihre antiliberale Agenda voranzutreiben, denn diese Verunsicherung ist die Grundlage ihrer Politik.
Mit klaren Feindbildern – von den Parteien der Mitte über die Medien bis hin zu Flüchtlingen – und einem billigen Schwarz-Weiß-Denken gelingt es rechtspopulistischen und rechtsextremen Strategen gegen eine verantwortungsvolle Politik, die abwägt und moderiert, bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein Wähler anzusprechen und zu mobilisieren. Die Scharfmacher kommen dabei nicht ausschließlich aus der AfD. Rund um diese Partei existiert ein fein gesponnenes Netz an Unterstützern und ideologischen Wegbereitern, die gemeinsam eine neuartige nationalistische und völkische „Bewegung” bilden. Die vehemente Ablehnung unserer pluralistischen Gesellschaft hat bereits ihre Spuren hinterlassen und lässt politische Umgangsformen erodieren.
Das Ziel der Agitatoren in der AfD und ihrem ideologischen Umfeld war von Anfang an, verschiedene politische Milieus zu bedienen: zunächst die Eurokritiker, danach die Einwanderungsgegner, nun die Klimawandelleugner. Deshalb sind die Menschen, die den zugrunde liegenden Ideen anhängen, auch sehr unterschiedlich. Ebenso unterschiedlich müssen daher die Argumente sein, mit denen man diesen begegnen kann.
Was können wir tun? Was kann politische Erwachsenenbildung leisten? Ein Weg ist, diejenigen Multiplikatoren zu stärken, die politisch oder im Verband aktiv sind, die dort an der Meinungsbildung mitwirken und in vielfältigen Zusammenhängen mit Argumenten der Rechtspopulisten und Rechtsextremen konfrontiert sind.
Doch wie soll man das machen? Nicht durch Ausgrenzung oder Herabwürdigung, sondern durch klare Argumente und eine gute Kommunikationsstrategie. Dafür hat der Autor basierend auf Recherche, eigener Analyse und vielfältigen praktischen Erfahrungen sieben verschiedene Kommunikationstypen herausgearbeitet, die aus unterschiedlichen Gründen rechtspopulistische oder rechtsradikale Positionen teilen und weiterverbreiten.
Wir wünschen viel Erfolg bei der Anwendung der Tipps aus der Handreichung und freuen uns auf Ihr Feedback.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Der richtige Umgang mit rechtsradikalen Parolen
Wie geht man mit Anhängern rechtspopulistischer oder rechtsradikaler Ideologie richtig um, egal ob sie einem nun im Freundeskreis, am Wahlstand oder im Internet begegnen? Eine klare Strategie, passend für jeden denkbaren Fall, konnte bisher nirgends entwickelt werden. Aber enthält diese Aussage nicht schon die Beschreibung des Lösungsansatzes? Braucht es nicht viele individuelle Strategien, statt einer für alle Fälle, die dann auf keinen einzigen Menschen wirklich passt? Und genug Menschen, die den Mut und den Nerv haben, diese unangenehmen Gespräche zu führen? In diesem kleinen Ratgeber wollen wir versuchen, hilfreiche Kommunikationsstrategien vorzustellen.
Zuvor bedarf es allerdings einer kurzen Einordnung der Lage, die sich über die letzten Jahre deutlich zugespitzt hat.
Mit der AfD als parlamentarischem Arm der Neuen Rechten versammelt eine völkisch orientierte, in Teilen rechtsradikale Partei Millionen Wähler hinter sich. Mit der Identitären Bewegung hat auf der Straße, vor allem aber auch in den sozialen Netzwerken, eine mindestens ebenso rechtsradikale Bewegung eine enorme Breitenwirkung unter jungen Menschen entwickelt. Keine andere radikale Strömung, sei sie nun linksextrem oder islamistisch, hat bisher ähnliche Erfolge feiern können. Deshalb beschäftigt sich dieser Ratgeber vor allem mit der Gefahr von rechts und wie man damit umgehen kann. Grundsätzlich sind die nachfolgenden Tipps aber natürlich auch im Umgang mit Radikalen aus anderen Ecken anwendbar.
Wichtig erscheint uns dabei die Unterscheidung im Umgang mit den Vordenkern und den Agitatoren einerseits – heißen sie nun Weidel, Höcke, Gauland oder Kubitschek – und denen, die sich von deren Botschaften angezogen fühlen. Die führenden Köpfe wissen sehr genau, dass sie sich rechts-radikaler Parolen bedienen und wie sie diese gezielt einsetzen. Für die Wähler gilt das nicht unbedingt.
Denn diese kommen, wie uns die Wahlanalysen zeigen, oftmals nicht aus einer festgefügten politischen Gesinnung, sondern aus allgemeiner Protesthaltung oder aus Enttäuschung über die anderen Parteien zu den Rechtspopulisten.
Den größten Einfluss auf die politische Diskussion in Deutschland aus dem rechten Spektrum heraus hat unzweifelhaft die AfD, sodass sich eine Betrachtung der Aussagen ihrer führenden Repräsentanten lohnt, wenn man die ideologischen Hintergründe erkennen und ihnen argumentativ begegnen will. Viele wichtige Aspekte bieten dabei die Darstellungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz.[1] Aber auch Befragungen der Wähler und Unterstützer der AfD schaffen argumentative Klarheit.
Die Universität Hamburg zeigte in ihrer Bürgerumfrage (Hamburg-BUS) vom Herbst 2016 bereits: 59 Prozent der befragten AfD-Wähler stimmten dem Satz zu „Auch heute ist der Einfluss von Juden groß“ (andere Parteien: 16 Prozent). 36 Prozent der AfD-Anhänger unterstützten die Aussage „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ (andere Parteien: sieben Prozent). 40 Prozent der AfD-Wähler gaben an, „der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten“ (andere Parteien: sechs Prozent). Immerhin noch 25 Prozent stimmten der Aussage zu „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht es aber nicht heran“. Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache, die auch die deutsche Bevölkerung versteht: Eine Mehrheit der Deutschen hält die AfD für rechtsextrem.[2]
Eine aktuelle Forsa-Umfrage[3] belegt: Wähler der AfD stehen in hohem Maße rechtsextremen Positionen nahe. Das heißt allerdings nicht, dass nicht Teile der Wählerschaft der AfD für demokratische Überzeugungen zurückzugewinnen wären. Letztere gilt es zu identifizieren – und dann um sie zu kämpfen. Dazu muss man in der Lage sein, unterschiedliche Strategien einzusetzen, je nachdem, mit welchem der immer wiederkehrenden Argumentationsmuster man es zu tun hat.
Genau darum soll es in dieser Broschüre gehen. Bevor man sich allerdings gut gerüstet in den Meinungskampf stürzen kann, macht es Sinn, sich einige grundsätzliche Gedanken zu machen.
Dies ist ein Auszug aus unerer Publikation "Wie wehre ich mich gegen rechtsradikale Parolen? Ein liberaler Kommunikations-Ratgeber". Die gesamte Publikation können Sie hier herunterladen.
[1] zum Beispiel hier: https://www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles/zur-sache/zs-2019-002-fachinformation-zu-teilorganisationen-der-partei-alternative-fuer-deutschland-afd
[2] https://www.n-tv.de/politik/Umfrage-zeigt-Gesinnung-vieler-AfD-Waehler-article21426963.html
[3] https://www.n-tv.de/politik/Umfrage-zeigt-Gesinnung-vieler-AfD-Waehler-article21426963.html