China
Investitionsabkommen zwischen EU und China: Ratifizierung nicht um jeden Preis
China ist bekannt für seine unfairen Handelspraktiken und insbesondere für die Subventionierung eigener, meist staatlicher Unternehmen zum Nachteil ausländischer Firmen. Das China-EU-Investitionsabkommen (CAI) sollte dem zumindest teilweise ein Ende bereiten und für fairere Bedingungen sorgen. Während chinesische Firmen seit Jahren verstärkt in den offenen europäischen Binnenmarkt drängen, macht es die chinesische Führung europäischen Firmen jedoch seit jeher schwer, in der Volksrepublik zu investieren. Sie müssen beispielsweise „Joint Venture“-Gebilde mit chinesischen Firmen eingehen, oftmals auch Know-how preisgeben. Das ist verbunden mit dem Risiko des unkontrollierten Abflusses technologischen Wissens.
Der Grundgedanke hinter dem CAI war deshalb grundsätzlich richtig: Es soll Wettbewerbsbedingungen verbessern und europäischen Firmen einen faireren Zugang zum chinesischen Markt eröffnen. Doch das Vorhaben ist vorerst gescheitert: Die EU-Kommission hat die politischen Bemühungen zur Ratifizierung des CAI auf Eis gelegt. Grund dafür seien die jüngsten diplomatischen Zerwürfnisse, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Die Kommission folgte damit den Forderungen aus dem Europäischen Parlament, allen voran der liberalen Fraktion Renew Europe. China sanktionierte unter anderem frei gewählte Abgeordnete als Reaktion auf die EU-Sanktionen für die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang. Einige Europaabgeordnete und der gesamte Menschenrechtsausschuss stehen auf Chinas Sanktionsliste. Solange diese Maßnahmen in Kraft sind, ist es absolut richtig, das Abkommen vonseiten der EU nicht zu ratifizieren.
Schon vorher hatte das Abkommen für internationale Kritik gesorgt. Etwa das Timing: Der „Durchbruch“ der Verhandlungen wurde am 29. Dezember 2020 verkündet, also kurz vor Neujahr. Ein höchst ungewöhnlicher Zeitraum für handelspolitische Verhandlungen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte erstrecken. Nur wenige Tage später endete die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. Wollte die deutsche Bundesregierung noch kurz vor dem Ende ihrer Präsidentschaft einen eilig aufgestellten Erfolg verbuchen?
Menschenrechtsverstöße in Xinjiang und Hongkong
Der Zeitpunkt erstaunte umso mehr, denn in Hongkong bricht Peking derweil einen internationalen Vertrag und höhlt zugesicherte demokratische Grundrechte aus. In der Region Xinjiang wird die muslimische Minderheit der Uiguren in Lagern interniert, körperlich und psychisch misshandelt, etwa durch erzwungene Abtreibungen oder Sterilisierungen sowie durch Nötigung zu Zwangsarbeit auf Baumwollfeldern.
Einen Monat nach der Meldung, die EU sei bereit für ein Investitionsabkommen mit China, stand die Amtseinführung von Joe Biden als Präsident der Vereinigten Staaten an. Es hätte durchaus die Möglichkeit eines gemeinsamen Ansatzes von EU und den USA gegenüber China gegeben. Diese Chance aber wurde nicht genutzt. Selbstverständlich kann und muss eine souveräne EU allein handeln können, aber eine Zusammenarbeit mit den USA hätte eine wesentlich stärkere Verhandlungsposition gegenüber China bedeutet. So wurde bereitwillig die Trumpfkarte der transatlantischen Kooperation geschwächt. Dabei braucht es eine Allianz der Demokraten in Bezug auf China.
CAI schafft es nicht ausreichend, unfaire Handelspraktiken einzudämmen
Auch inhaltlich blieb das CAI hinter den Erwartungen zurück. Die vorgesehenen, erleichterten Zugangsmöglichkeiten für europäische Firmen zum chinesischen Markt wären demnach weiterhin stark begrenzt. Denn die CAI-Regelungen betrafen nur wenige Branchen – und dort auch nur sehr große Unternehmen mit hohem Investitionsvolumen. Das CAI hätte es nicht geschafft, europäischen Firmen endlich breiten Zugang zum chinesischen Markt zu sichern und Chinas unfaire Handelspraktiken effektiv einzudämmen. Insbesondere die wichtige Frage des Investitionsschutzes, die ausländischen Unternehmen in China mehr Rechtssicherheit geben würde, wurde nicht gelöst, sondern auf ein später zu verhandelndes Abkommen verschoben.
Bereits nach dem de-facto Stopp der Ratifizierung hatte zudem ein Passus aus dem Investitionsabkommen für Aufsehen gesorgt, der der breiten Öffentlichkeit bisher so nicht bekannt war. Laut eines Textes im Anhang des Abkommens sollen gemeinnützige Organisationen, die in China operieren, künftig nur von Menschen mit einem Pass der Volksrepublik geleitet werden dürfen. Das könnte auch die deutschen politischen Stiftungen in der Volksrepublik betreffen und deren Arbeit faktisch unmöglich machen.
Was fordern die Liberalen?
Wir als liberale Fraktion im Europäischen Parlament erwarten grundsätzliche Schritte Chinas bevor ein möglicher Ratifizierungsprozess des Investitionsabkommen überhaupt denkbar wäre. Grundsätzlich ist das die Rücknahme der chinesischen Sanktionen. Inhaltich zählen die Ratifizierung zentraler Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation sowie eine konkrete Roadmap zur Umsetzung dazu. Des Weiteren muss die chinesische Führung endlich den uneingeschränkten Zugang für unabhängige Beobachter der Vereinten Nationen nach Xinjiang ermöglichen, um die Menschenrechtslage zu überprüfen.
Peking verpflichtete sich im CAI dazu, sich zu bemühen, gegen Zwangsarbeit vorzugehen. Um diese Zusage zu überprüfen, darf sich die EU aber nicht nur auf Beteuerungen verlassen. Vielmehr muss die EU eine selbstbewusste Sprache der Stärke sprechen und multiple Maßnahmen verfolgen. Dazu gehört ein Importverbot für Produkte aus Zwangs- oder Kinderarbeit nach Vorbild der USA oder des Vereinigten Königreichs. Auch die sogenannte Toolbox zur Verteidigung europäischer Handelsinteressen muss mit ihren Instrumenten gegen Dumping und unfaire Subventionen dringend überarbeitet werden.
Ob mit oder ohne das Abkommen – Chinas Firmen sind hoch subventioniert, meist in staatlichem Besitz und können es sich daher leisten, in der EU auf Einkaufstour zu gehen. Auch mit dem CAI-Marktzugang für europäische Firmen in China wäre die Situation noch weit entfernt von gleichen Wettbewerbsbedingungen. Primär auf ein halbgares Investitionsabkommen zu setzen, das die großen Handelsprobleme nicht effektiv angeht, während in China die Menschenrechte systematisch mit Füßen getreten werden, wäre das falsche Signal an Peking gewesen. Das zumindest vorläufige Scheitern von CAI muss die EU nutzen, um endlich mit geeinter, klarer Stimme zu sprechen und sich international mit demokratischen Partnern zu koordinieren.
Svenja Hahn, Abgeordnete im Europäischen Parlament für die FDP und Teil der Renew Europe Fraktion.