USA vor der Wahl
Walz vs. Vance – Sachliche Debatte in einem Wahlkampf auf des Messers Schneide
Gestern Abend fand die einzige Debatte zwischen den beiden Bewerbern um das Amt des Vizepräsidenten der USA statt. In New York standen sich der demokratische Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, und der republikanische Senator aus Ohio, JD Vance, gegenüber. Normalerweise wird eine Vizepräsidenten-Debatte von der Öffentlichkeit als eine Art Undercard – also als sekundäres Ereignis – wahrgenommen. Doch in diesem Jahr, inmitten eines hochgradig umkämpften Wahlkampfs, ist sie von großer Bedeutung. Beide Parteien kämpfen um jeden möglichen Vorteil. Inhaltlich informativ und in der Sprache überwiegend sachlich lieferten sich beide Kandidaten einen zuweilen sogar freundlichen Schlagabtausch. Die Unterschiede in Positionen und Werten wurden gleichzeitig sehr deutlich.
Die Kandidaten - Im Vorfeld relativ unbekannte Figuren
JD Vance, 40, ehemaliger Marine und Yale-Absolvent, der mit seinem Buch „Hillbilly Elegy“ über seine Wurzeln in den nationalen Fokus gerückt ist, arbeitete als Risikokapitalgeber, bevor er sich um einen Senatssitz bewarb. Nachdem er noch vor einiger Zeit Trump noch scharf kritisiert hatte, ist er heute Teil der MAGA-Bewegung und stellt sich gleichzeitig mit seiner uramerikanischen Erfolgsbiografie als Personifizierung des amerikanischen Traums dar. Vance steht unter scharfer Kritik für seine falsche Behauptung über haitianische Migranten und seine Äußerungen über „kinderlose Katzenfrauen“. Er ist sehr offen gegenüber Journalisten und stellt sich oft ihren Fragen.
Tim Walz, 60, ein ehemaliger Lehrer und Football-Coach, der in der Nationalgarde diente, wird für seine pragmatische Politik als Gouverneur und seine gemäßigten Ansichten geschätzt. Zwar gilt er nicht als begnadeter Redner und Debattierer, erlangte in diesem Jahr jedoch besondere Aufmerksamkeit, nachdem er mit seiner Beschreibung des Trump-Vance-Tickets als „strange“ und „weird“ viral ging.
Beide Kandidaten betonen ihre Wurzeln in der Mittelschicht und dem Mittleren Westen, während sie sich auf der nationalen Bühne bewegen. Sie sollen Stimmen in den Swing States sichern - insbesondere im sogenannten Rust Belt, in denen vorwiegend konservative Demokraten und unentschlossene Wechselwähler leben, die sich weder von populistischen Aussagen noch der als links wahrgenommenen Politik von Harris angesprochen fühlen.
Der Republikaner JD Vance, erst seit einem Jahr in einem gewählten Amt, galt vor der Debatte als weniger populär bei breiten Wählerschichten als sein demokratischer Rivale Tim Walz. Umfragen zeigen, dass Walz sowohl bei Frauen als auch bei Männern gleich beliebt ist - anders als die beiden Präsidentschaftskandidaten, Harris und Trump, die eher geschlechtsspezifische Unterstützung erfahren. Erste Umfragen nach der Debatte zeigen, dass beide Kandidaten ihre Zustimmungswerte steigern konnten, Vance aber von einer knappen Mehrheit als Gewinner der Debatte wahrgenommen wurde.
Die Themen – klare Unterschiede, meist sachlicher Ton
Walz wirkte zunächst nervös und ungeschickt, wurde jedoch schnell sicherer. Vance trat von Anfang an souveräner auf, seine Erfahrung mit Live-TV wurde deutlich, er formulierte Antworten klarer und verständlicher. Der stärkste Moment kam zum Ende der Debatte.
Beim ersten Thema, Nahost, hob Gouverneur Walz die Bedeutung von Israels Verteidigungsfähigkeit hervor und kritisierte Trumps Umgang mit dem iranischen Atomprogramm, das er für Irans nukleare Fortschritte verantwortlich macht. Senator Vance lobte hingegen Trumps Abschreckungspolitik als Garant für globale Stabilität. Beide Kandidaten vermieden eine klare Antwort auf die Frage nach einer Unterstützung eines Präventivschlag Israels gegen den Iran und nutzten die Gelegenheit, sich gegenseitig anzugreifen. Walz nannte Trumps Amtszeit chaotisch, während Vance betonte, dass der Iran heute näher an einer Atomwaffe sei als je zuvor und dabei die Verantwortung auf die aktuelle Administration schob.
Schlagabtausch über Migration: Vance kritisiert Harris
Eine der wenigen hitzigeren Auseinandersetzungen gab es beim Thema Migration. Vance griff Harris' Grenzpolitik an, die er für den Anstieg illegaler Migration verantwortlich machte, und verwies auf seine eigene Biografie, in der er Migranten die Schuld für die Drogensucht seiner Mutter gab. Auf die Frage, ob eine Trump-Administration Familien trennen würde, wich er aus und griff erneut Harris an.
Walz entgegnete, man könne nicht Migranten für jedes Problem verantwortlich machen, und kritisierte Vance für haltlose Behauptungen über haitianische Einwanderer. Er betonte die Notwendigkeit von Empathie und zitierte - für ihn ungewöhnlich- einen Bibelvers. In den letzten Minuten wich Vance erneut der Frage nach Trumps Abschiebungspolitik aus, während Walz ihm und Trump vorwarf, ein parteiübergreifendes Grenzgesetz blockiert zu haben.
Ein entscheidendes Thema für viele Wählerinnen und Wähler ist die Wirtschaft. Vance äußerte Bedenken hinsichtlich der Auslagerung der Produktion nach China und sprach sich für die Rückkehr der amerikanischen Fertigung und Energieproduktion aus. Er hob die wirtschaftlichen Erfolge unter Trump hervor, darunter niedrige Inflation und gestiegene Nettoeinkommen. Walz betonte Kamala Harris' Wohnungsbauplan zur Schaffung von 3 Millionen neuen Häusern. Er erwähnte erneut die wirtschaftlichen Vorteile des Inflation Reduction Act, der 200.000 Arbeitsplätze in den USA geschaffen habe.
Harris' Handschlag, Trump gereizt - die Debattennacht in den USA
Es war das erste Aufeinandertreffen von Harris und Trump. Vizepräsidentin Harris brachte Trump häufig in die Defensive, Trump ließ sich provozieren und argumentierte wirr. Sascha Tamm, Referatsleiter Transatlantischer Dialog, analysiert die Debattennacht und ihre Kernthemen.
Die Diskussion ermöglichte es beiden, Trumps Präsidentschaft unterschiedlich darzustellen. Vance lobt die Steuersenkungen und den „amerikanischen Wirtschaftsboom“, während Walz die Folgen von Trumps Politik in den Vordergrund stellte - steigenden Defizite und hohe Arbeitslosigkeit während der Pandemie. Vance hat das letzte Wort und lenkt den Fokus auf Harris' Bilanz- sie habe drei Jahre lang Zeit gehabt, erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu machen und sei gescheitert.
Spannend wurde es erneut bei einem der Hauptthemen des Wahlkampfes: Abtreibung. Vance betonte, dass Frauen mehr „Optionen“ in der Gesundheitsversorgung haben sollten, die ihnen Alternativen zur Abtreibung aufzeigten. Seine Partei habe in der Vergangenheit versagt und Vertrauen verloren. Er habe nie ein nationales Abtreibungsverbot befürwortet und plädiere dafür, dass die Bundesstaaten durch Referenden entscheiden. Walz hob die Notwendigkeit grundlegender Rechte für Frauen hervor, um zu verhindern, dass sie wegen restriktiver Abtreibungsgesetze in andere Staaten reisen müssen. Diese Gesetze würden Frauen in unerträgliche Situationen bringen.
Stärkster Moment für Walz war die Auseinandersetzung über die Ereignisse am 6. Januar 2020. Er betonte die beispiellose Natur der Ereignisse. Vance konnte zum ersten Mal in der Debatte keine geschliffene Antwort liefern und behauptete lediglich, dass Trump am 20. Januar letztendlich friedlich die Macht übergeben habe und dass auch Demokraten in der Vergangenheit Wahlergebnisse angezweifelt hätten. Beide Redner erörterten die Bedeutung der Wahlintegrität und die Notwendigkeit fairer und sicherer Wahlprozesse. Vance beantworte die Frage, ob die Biden die Wahl rechtmäßig gewonnen habe, jedoch nicht.
Fazit
Im Vergleich zur Debatte zwischen Harris und Trump war diese Debatte informativer und thematisch tiefgehender. Beide Kandidaten bemühten sich um einen gemäßigten Auftritt, insbesondere bei heiklen Themen wie Abtreibung und Migration, um unentschlossene und sich eher in der Mitte verortende Wähler nicht abzuschrecken. Walz nickte zustimmend bei bestimmten Antworten, während Vance versuchte, während Walz' Antworten sachlich zu bleiben. Vance präsentierte sich freundlicher und weniger hitzig. Er nutzte die Gelegenheit, um seine Lebensgeschichte zu erzählen, und griff Walz weniger persönlich an als zuvor. Dieser zurückhaltende Ansatz scheint strategisch gewählt, um Zustimmung bei Wählern zu finden, die nicht zum Kern der MAGA-Bewegung gehören. Walz auf der anderen Seite betonte sein Image als vertrauenswürdiger und erfahrener Politiker, der keine radikalen Positionen vertritt.
Beiden Kandidaten ist es gelungen, ihre eigenen Anhänger anzusprechen und Positionen zu vertreten, die diesen wichtig sind –Walz zur Abtreibung und zum Wahlausgang 2020, Vance zur Migrationspolitik und zur Wirtschaft. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Maße die Debatte den Wahlkampf beeinflussen wird und vor allem, inwieweit es den beiden Kandidaten gelungen ist, unentschlossene Wähler in den Swing States zu überzeugen.