EN

Ukraine-Krieg
Nordkoreanische Soldaten im Ukraine-Krieg?

Wie die Entsendung nordkoreanischer Soldaten die Sicherheitslage in Ostasien beeinflusen würde
Nordkorea hat nach Erkenntnissen von USA und Nato offenbar Tausende Soldaten nach Russland entsandt.

Nordkorea hat nach Erkenntnissen von Geheimdiensten offenbar Tausende Soldaten nach Russland entsandt.

© picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY | Yonhap

Laut US-amerikanischen und südkoreanischen Geheimdienstinformationen befinden sich nordkoreanische Soldaten in Russland. Frederic Spohr, Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südkorea, ordnet die Entwicklungen ein.

 

Jordi Razum: Welche Interessen verfolgt der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un mit der Entsendung von Soldaten nach Russland? Gibt es Belege dafür, dass sie im Ukraine-Krieg kämpfen sollen?

Frederic Spohr: Noch ist nicht eindeutig belegt, dass nordkoreanische Soldaten in der Ukraine eingesetzt werden. Bisher sind das nur Einschätzungen der südkoreanischen, ukrainischen und amerikanischen Geheimdienste. Sollten sie aber tatsächlich eingesetzt werden, steht wahrscheinlich das Geld im Mittelpunkt. Geht man davon aus, dass etwa 10.000 nordkoreanische Truppen entsendet werden, könnte das nordkoreanische Regime damit einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag verdienen. Darüber hinaus geht es um eine engere Bindung an Russland, wobei Nordkorea möglicherweise Zugang zu neuen Technologien erhält.

Ebenfalls wichtig ist die Kampferfahrung, die nordkoreanische Soldaten und Experten sammeln könnten. Die Kriegsführung in der Ukraine, insbesondere der Einsatz von Drohnen, ist für Nordkorea – wie für die meisten anderen Länder – weitgehend unbekannt. Daher könnten sie beobachten, wie die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer in einem modernen Krieg agieren, und daraus wertvolle Erkenntnisse gewinnen.

Es bleibt aber abzuwarten, wie die nordkoreanischen Soldaten eingesetzt werden. Sind sie nur dafür zuständig, die gelieferten nordkoreanischen Waffen zu warten und den Russen deren Handhabung zu erklären? Oder sollen sie beobachten, wie sich diese Waffen im Kampf bewähren, welche Schwächen es gibt und wo Verbesserungen nötig wären? Möglicherweise übernehmen sie auch Aufbau- oder Pionieraufgaben. Ob sie jedoch direkt an Frontangriffen teilnehmen werden, ist noch unklar. Eine abschließende Bewertung ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.

Wladimir Putin und Kim Jong Un.

Wladimir Putin und Kim Jong Un.

© picture alliance | 朝鮮通信社

Welchen Einfluss könnten nordkoreanische Soldaten im Ukraine-Krieg nehmen, sollten sie dort eingesetzt werden? Worin sind sie ausgebildet, welche Stärken und Schwächen haben sie?

Sollten die nordkoreanischen Soldaten tatsächlich entsendet werden, muss man abwarten, wie viele es letztlich sein werden. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine große Anzahl sein wird. Der Grund dafür liegt in der Skepsis Nordkoreas, viele seiner Bürger ins Ausland zu schicken. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass das Regime verstärkt auf Isolation setzt. Denn wenn Zehntausende junge Männer in die Welt hinausgeschickt werden und Kontakt zur Außenwelt haben, birgt das eine Gefahr für das Regime. Sie erhalten dadurch andere Informationen darüber, was außerhalb Nordkoreas geschieht.

Hinzu kommt, dass Nordkorea gar nicht so viele Soldaten entbehren kann. Das Land hat eine kleinere Bevölkerung als Südkorea und befindet sich de facto immer noch im Kriegszustand mit dem Süden. Die Spannungen sind nach wie vor vorhanden, sodass es schwierig wäre, viele Soldaten zu entsenden, ohne sich dabei selbst zu schwächen. Ein weiteres Risiko ist, dass nordkoreanische Soldaten desertieren könnten, was zusätzliche Ressourcen zur Überwachung erfordert.

Deshalb glaube ich nicht, dass dies eine große Auswirkung haben wird. Allerdings hat die Entsendung eine psychologische Wirkung, vor allem für Russland. Russland signalisiert damit, dass es Unterstützer hat, was hilfreich ist, um einen Abnutzungskrieg durchzuhalten. Und auch mit Blick auf Friedensverhandlungen kann Russland auf diese Weise zeigen, dass es internationale Unterstützung erhält.

Zweckbündnis gegen den Westen

Kim und Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin besucht Nordkorea. Lange Zeit interessierte sich Russland kaum für den isolierten Paria-Staat in Ostasien. Am interessantesten für die russische Wirtschaft sind nordkoreanischen Arbeiter, die auf russischen Baustellen und in Fabriken schuften – und einen Großteil ihres Lohnes an Kims Regime abgeben müssen. Nun wird Machthaber Kim Jong Un zum wichtigen Partner, schreibt Frederic Spohr in einem Gastbeitrag für Focus Online.

Weiterlesen

Was bedeutet die Entsendung nordkoreanischer Soldaten langfristig für die Sicherheit in Ostasien und im Indopazifikinsbesondere für Südkorea und Japan?

Der Krieg in der Ukraine steht mittlerweile in einer starken Wechselbeziehung zum Korea-Konflikt, vor allem, weil Nordkorea deutlich gestärkt wurde. Es erhält nun wirtschaftliche, militärische und technologische Unterstützung von Russland in einem völlig neuen Ausmaß. Seit Beginn des Angriffskrieges und der Annäherung an Russland tritt Nordkorea spürbar aggressiver auf, was in Südkorea und Japan zu großer Besorgnis führt und den Regierungen Kopfzerbrechen bereitet. Nicht mehr nur China, auch Russland gehört jetzt zu Nordkoreas Unterstützern und das lange isolierte Land kann so möglicherweise signifikante technologische Fortschritte machen.

Das könnte Teil einer Strategie Russlands sein, denn Südkorea und Japan gehören zu den stärkeren Unterstützern der Ukraine – auch wenn diese Unterstützung weniger öffentliche Beachtung findet. Es wird vermutet, dass Südkorea der Ukraine über die USA eine beträchtliche Menge an Artilleriegranaten geliefert hat und das Land finanziell unterstützt.

Russland versucht vermutlich, durch die Unterstützung Nordkoreas Südkorea und Japan dazu zu bewegen, ihre Hilfe für die Ukraine zu reduzieren. Dass dieses Kalkül aufgehen wird, ist unwahrscheinlich. Insgesamt kann man sagen, dass der Ukraine-Krieg eine destabilisierende Wirkung auf die koreanische Halbinsel hat, und die mutmaßliche oder wahrscheinliche Entsendung nordkoreanischer Soldaten dürfte die Spannungen weiter verstärken.

 

Frederic Spohr ist Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul.