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Mietpreisregulierungen
Weniger Regulierung, niedrigere Mieten? Erfahrungen aus Argentinien

Javier Milei hat Mietpreisregulierungen in Argentinien aufgehoben. Seither sind die Preise für Neuvermietungen inflationsbereinigt gesunken.

Argentiniens Präsident Javier Milei hat Mietpreisregulierungen aufgehoben.

© picture alliance / Anadolu | Luciano Gonzalez

Javier Milei hat Mietpreisregulierungen in Argentinien aufgehoben. Seither sind die Preise für Neuvermietungen inflationsbereinigt gesunken. Dieser vielleicht unerwartete Effekt deckt sich mit den Ergebnissen unseres aktuellen Gutachtens. Aber klar ist auch: Allein die Abkehr von Mietpreisregulierungen reicht nicht aus, um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen.

Glaubt man den Überschriften deutscher Boulevardblätter, hat sich Argentinien unter Präsident Javier Milei zu einem Mieterparadies entwickelt. Mit dem zum Jahresende 2023 in Kraft getretenen Notstandsdekret “Decretos de Necesidad y Urgencia (DNU)” nahm Milei bereits im ersten Monat seines Amtsantritts eine umfassende Liberalisierung des Wohnungsmarktes vor. Unter der peronistischen Vorgängerregierung unterlagen Mietverträge zahlreichen Beschränkungen: Die Laufzeit musste mindestens drei Jahre betragen, Anpassungen an die Hyperinflation (höchste Inflationsrate der Welt 2023 in Höhe von 211%) waren nur einmal im Jahr erlaubt und die Verträge mussten in der unter chronischem Wertverfall leidenden Landeswährung Peso abgeschlossen werden. Angesichts dieser Beschränkungen verzichteten viele Vermieter darauf, ihre Wohnungen auf den Markt zu bringen und ließen sie lieber leer stehen als Anlage- und Spekulationsobjekte – auch in Erwartung eines Wahlsieges von Milei. Die Folge war, dass die Nachfrage nach Wohnungen das verfügbare Angebot bei weitem überstieg.

Die Reformierung des Mietrechts in Argentinien

Dies änderte sich schlagartig nach dem Regierungswechsel und der Liberalisierung des Mietrechtes: Laufzeiten und Währung konnten zwischen den Mietparteien frei ausgehandelt werden, häufig nun quartalsweise und in US-Dollar. Die einschlägigen Immobilienportale verzeichneten umgehend mehr als eine Verdopplung der angebotenen Wohnungen, insbesondere in den Ballungsräumen. Während dieser – ökonomisch zu erwartende –  Mengeneffekt als Erfolg gewertet werden kann, erfordert der Preiseffekt eine differenziertere Betrachtung. Altmieter mussten bei einer Verlängerung ihres auslaufenden Vertrages oft eine Verdreifachung der Miete hinnehmen. Die Mieten für Neuvermietungen sind hingegen inflationsbereinigt gesunken. Allerdings liegt das absolute Niveau der Mieten in Argentinien immer noch auf einem hohen Niveau. Ein Beispiel: Eine 40 qm-Wohnung in einem billigeren Stadtviertel in Buenos Aires kostet derzeit umgerechnet eine Monatsmiete kalt von umgerechnet USD 400 – bei einem Durchschnittseinkommen von USD 700. Hinzu kommen die Nebenkosten, die aufgrund der drastischen Reduzierung der Subventionen, hier insbesondere für Energie, im Zuge der fiskalischen “Schocktherapie” der neuen Regierung, deutlich angestiegen sind. Eine besondere Herausforderung stellen die hohen Miet- und Mietnebenkosten für die jüngere Bevölkerung dar, die nach Untersuchungen (Instituto de Desafíos Urbanos Futuros) rund 70% ihres Gehaltes für ihre Wohnkosten aufbringen müssen. In der Folge wohnen 4 von 10 jungen Argentiniern zwischen 25 und 35 Jahren noch bei ihren Eltern oder Großeltern (Quelle: Fundación Tejido Urbano).

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die neue Regierung in Argentinien seit Dezember 2023 mit der Umsetzung der Deregulierungsmaßnahmen im Mietrecht wichtige erste Schritte eingeleitet hat, um die Wohnungsknappheit im Land zu überwinden. Aufgrund der Fortschritte bei der makroökonomischen Stabilisierung (deutlicher Rückgang der Inflation, Haushaltsüberschüsse) bieten Banken in Argentinien seit April zudem auch wieder Hypothekenkredite an, allerdings mit hohen Eigenkapitalanforderungen von 25%.

Um eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu erreichen – zumal bei weiter steigender Bevölkerung, Zuwanderung und damit Nachfrage nach Wohnungen – wird es entscheidend sein, den verfügbaren Wohnraum auszuweiten und die Kaufkraft der Bevölkerung zu stärken. Hierfür muss die neue Regierung zum einen sicherstellen, dass mehr Bauflächen ausgewiesen werden und das Baurecht vereinfacht wird, um so die Baukosten zu reduzieren. Zum anderen benötigt die Regierung eine konsistente Wachstumsstrategie, um das Land aus der derzeitigen schweren Wirtschaftskrise mit einem prognostizierten Rückgang des BIP in diesem Jahr um knapp 4% herauszuführen, Investitionen zu erleichtern und die Entstehung von Arbeitsplatzen im privaten Sektor zu ermöglichen, die die Bezahlung von Mieten und gerade auch jüngeren Argentiniern die Perspektive des Erwerbs einer eigenen Immobilie erlauben.

Die Lage in Deutschland

Ähnlich wie in Argentinien ist auch in Deutschland die Lage auf dem Wohnungsmarkt alles andere als einfach. Gerade in den Städten trifft das schrumpfende Angebot auf eine gleichbleibend hohe oder sogar steigende Nachfrage. Die Auswirkungen dieses Missverhältnisses zeigen sich unmittelbar bei der Mietpreisentwicklung. In diesem schwierigen Umfeld sind Rufe nach einer schärferen Mietpreisregulierung auf Bundesebene mehr oder weniger erwartbar.

Welch katastrophalen Folgen eine solche Verschärfung in Deutschland haben könnte, zeigt ein aktuelles Gutachten des IW Köln im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

  • Würde man die geltende Mietpreisbremse nach dem Vorbild des Berliner Mietendeckels verschärfen, würde sich die Zahl der inserierten Mietwohnungen pro Quartal zeitweise von 70.000 auf 27.000 reduzieren. Dies wäre ein Angebotseinbruch von über 60 Prozent.
  • Gerade Mieterinnen und Mieter mit höheren Einkommen würden von der schärferen Mietpreisregulierung am meisten profitieren. Für Familien und Haushalte mit niedrigem Einkommen würde die Wohnungssuche hingegen noch deutlich schwieriger werden.
  • Eine Verschärfung von Mietpreisregulierungen würde zudem Anreize reduzieren, in Wohnungen zu investieren. Mit Blick auf die notwendigen Investitionen in einen klimaneutralen Gebäudebestand stehen Mietpreisregulierungen damit diametral dem Klimaschutz entgegen.

Das Gutachten macht zudem deutlich, dass es international bereits etliche negative Erfahrungen mit Mietpreisregulierungen gibt. Gerade in Ländern, die über einen langen Zeitraum restriktive Mietpreisregulierungen genutzt haben, kam es zu einer signifikanten Einschränkung des Wohnungsangebots, die Qualität des Wohnungsbestands hat gelitten und auch die Mobilität auf dem Wohnungsmarkt hat abgenommen. Argentinien ist somit nicht das einzige Land, in dem die Nachteile von strengen Mietpreisregulierungen offensichtlich wurden.

Fazit

Die Erfahrungen aus Argentinien sowie die Ergebnisse unseres Gutachtens zeigen eindeutig, dass Mietpreisregulierungen die Lage auf dem Wohnungsmarkt keineswegs entspannen können. Im Gegenteil: Mietpreisregulierungen verschärfen den Angebotsengpass und schaden gerade den Menschen, denen sie vorgeben, zu helfen. Aber klar ist auch: Allein die Abkehr von Mietpreisregulierungen ist noch keine Lösung. Langfristig kann nur zusätzlicher Wohnraum helfen, Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen. Hierfür müssen vor allem wieder mehr Bauprojekte profitabel werden. Dies gelingt in erster Linie über einen signifikanten Bürokratieabbau in den Bauordnungen, mehr Möglichkeiten für Nachverdichtungen, Aufstockungen und Dachausbauten sowie über die Ausweisung von mehr Bauland. Wenn dies gelingt, können die Probleme auf dem Wohnungsmarkt auch langfristig gelöst werden – sowohl in Argentinien als auch in Deutschland.