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Philippinen
Wie Präsident Duterte, der Trump Asiens, den Kampf gegen Corona verliert

Rodrigo Duterte, Präsident der Philippinen
Rodrigo Duterte, Präsident der Philippinen © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Simeon Celi Jr  

Der philippinische Präsident Duterte ist bekannt für seine derben Sprüche und hartes Vorgehen im sogenannten „Krieg gegen die Drogen“, der Zehntausenden das Leben kostete. Doch die Coronakrise offenbart die Defizite populistisch-autoritärer Regierungsführung. Trotz des härtesten und längsten Lockdowns der Welt steigen auf den Philippinen die Fallzahlen weiterhin an. Wichtige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung werden nur schleppend umgesetzt. Sechs Monate nach Beginn der Pandemie beschränkt sich der Präsident auf das Abwarten auf einen Impfstoff.

Seit dem Ausbruch der Pandemie vor sechs Monaten auf den Philippinen herrscht in der Hauptstadt Manila und den angrenzenden Regionen der strengste und längste Lockdown weltweit. Monatelang konnten die Einwohner ihre Wohnung nur für notwendige Einkäufe verlassen. Außer Supermärkten, Apotheken und Krankenhäusern war alles geschlossen. Die Regierung lockerte die Regelungen erst, als klar wurde, dass die harte Quarantänebestimmung die Wirtschaft zerstört. Seitdem dürfen Büros, Geschäfte und Restaurants teilweise wieder öffnen. Aber die Shopping Malls, sonst ein wichtiger Ort des philippinischen Lebens, wirken noch immer wie ausgestorben. Das öffentliche Leben steht weiterhin still. In Manila, sonst berüchtigt für kilometerlange Staus, sind die Straßen frei. Die Klassenzimmer bleiben leer, laut Präsident Duterte bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. Wer nicht aus dem Haus muss, bleibt daheim. Die Regierung geht bei der Durchsetzung der Quarantäneregeln hart vor: Mehr als 100.000 Personen wurden verhaftet, weil sie keine Masken trugen, unerlaubt ihren Stadtteil verließen, die nächtlichen Ausgangssperren nicht einhielten oder gegen andere Bestimmungen verstießen. Der Präsident empfahl sogar Personen zu erschießen, die gegen die Quarantäne verstoßen. Trotz dieser harten Maßnahmen kann die Regierung die steigende Zahl der Infektionen nicht stoppen. Der Lockdown verschaffte zwar Zeit für weitere Maßnahmen, diese Zeit wurde aber  unzureichend genutzt. Während andere Staaten in Südostasien die Ausbreitung des Coronavirus erfolgreich bekämpfen, verdoppelt sich die Zahl der Infizierten auf dem Inselstaat monatlich.

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Grafik zur Entwicklung der Neuinfektionen in Deutschland und Philippinen.

Verharmlosung zu Beginn

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte verharmloste monatelang die Pandemie. Obwohl täglich mehr als dreitausend chinesische Touristen in die Philippinen einreisten, sah die Regierung keinen Anlass zum Handeln. Auch als Anfang Februar der erste chinesische Tourist auf den Philippinen verstarb, die erste Person überhaupt außerhalb Chinas, spielte Duterte die Gefahr herunter: „Ein oder zwei Fälle sind kein Problem.“ Man solle keine Angst verbreiten. Als sich das Virus im März in der Bevölkerung rasant ausbreitete, war die Regierung schlecht vorbereitet. Der plötzliche Lockdown führte zu chaotischen Situationen in Manila, Tausende versuchten vor der Frist die Hauptstadt zu verlassen und trugen so zum Teil die Krankheit in die ländlichen Gebiete. Schutzbekleidung, Testkapazitäten, entsprechende Krankenbetten und Kapazitäten zur Kontaktnachverfolgung waren nur begrenzt oder gar nicht vorhanden.

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Verzweifelte Reisende eilen zu den letzten Möglichkeiten, um Manila zu verlassen, bevor der Lockdown einsetzt.

Fokus auf Recht und Ordnung, nicht auf Pandemiebekämpfung

Duterte, wie andere Staatschefs, setzte zu Beginn der Pandemie seinen Schwerpunkt auf einen Lockdown. Die Quarantäne und die damit verbundene Einschränkung der Bewegungsfreiheit sollte die Ausbreitung des Virus verhindern. Der Präsident, bekannt für seine harte Durchsetzung von Recht und Ordnung im sogenannten Krieg gegen die Drogen, verließ sich dabei stark auf die Sicherheitskräfte. Das oberste Gremium zur Bekämpfung der Pandemie, die Inter-Agency Task Force on Emerging Infectious Disease (IATF), besteht überwiegende aus ehemaligen Generälen. Die Durchführung der Pandemiebekämpfung liegt beim Verteidigungsministerium.

Aufgrund dieser Ausrichtung fokussiert die Regierung ihre Bemühungen auf die Einhaltung der Quarantänebestimmungen. Während andere Staaten Lockdowns zur Ausweitung der Kapazitäten der Pandemiebekämpfung nutzten, wurden auf den Philippinen gesundheitspolitische Maßnahmen nur schleppend umgesetzt. Zudem wurde die allgemeine Einhaltung der Quarantänebestimmungen durch ihre unklare Ausgestaltung und durch vielfache Verstöße durch hochrangige Regierungsmitarbeiter erschwert. Die fehlende Ahndung dieser Fälle verminderte die Akzeptanz der Quarantäneregeln innerhalb der Bevölkerung. Die unklaren Ausgestaltungen führten auch zu verschiedenen Interpretationen der Regelungen auf lokaler Ebene. Lokalpolitiker beschweren sich über fehlende Unterstützung: „Wir kriegen fortwährend neue Regelungen, aber keiner sagt uns wie sie anzuwenden sind und wer für das alles bezahlen soll. Wir werden mit diesen Regeln allein gelassen.“

Immer noch begrenzte Testkapazitäten

Ein deutliches Beispiel für den langsamen Kapazitätsausbau ist die schleppende Erhöhung der Testkapazitäten auf den Philippinen. Während Deutschland das Volumen bereits im Januar rasant ausweitete, hatten die Philippinen für ihre ersten Fälle Ende Januar keine qualifizierten Labore. Die Proben mussten nach Australien ausgeflogen werden. Der Ausbau der Kapazitäten, bleibt auch sechs Monate nach Beginn der Pandemie unzureichend. Mittlerweile sind zwar mehr als 40.000 Tests pro Tag möglich, gemessen an der Zahl der positiven Rückmeldungen ist dies aber noch immer zu gering. Mehr als 10% der Tests sind positiv. Die Weltgesundheitsbehörde empfiehlt 5% oder weniger. In Deutschland liegt der Wert bei unter 1%. Für einen klaren Blick auf die Infektionssituation ist eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten auf den Philippinen notwendig.

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Deutschland und Philippinen im Vergleich. Fallzahlen mit farblich markierter Positivrate.

Unzureichendes „Contact Tracing“

Weitere Lücken in der Pandemiebekämpfung offenbaren die Zahlen zur Nachverfolgung der Infektionsketten, dem sogenannten „Contact Tracing“. Sie gilt als effiziente und kostengünstige Maßnahme, um Infektionsketten aufzudecken und zu bekämpfen. Apps und andere technische Hilfsmittel können hier zwar helfen, aber eine effektive Kontaktverfolgung ist relativ low-tech. Sie stützt sich vor allem auf eine große Zahl von Personal, welche Personen identifizieren, die einen direkten oder indirekten Kontakt zu einem Infizierten hatten. Einige Staaten konnten hierdurch beachtliche Erfolge vorweisen, sie erhöhten hierfür ihre Kapazitäten durch Beamte aus anderen Behörden oder durch Freiwillige. Die Vorgaben der Weltgesundheitsbehörde empfiehlt für die Philippinen ein Personal von ungefähr 130.000-150.000 „Contact tracers“. Sechs Monate seit dem Lockdown verfügen die Philippinen nur über 97.500 solcher Personen. Die Lücke von 30.000 bis 50.000 wird wohl erst in den kommenden Wochen oder Monaten geschlossen, nachdem nun die Mittel für die Einstellung von weiterem Personal aufgestockt wurden.

Abwarten und bis zum Impfstoff aussitzen

Das Vorgehen der Regierung erschwert aber auch auf anderen Ebenen die effektive Bekämpfung der Pandemie. Duterte setzt seine Vorstellungen zur Pandemiebekämpfung top-down durch, ohne Rücksicht auf lokale Verhältnisse. Alleingänge von Bürgermeistern und Anderen werden von der Regierung öffentlich gerügt und diese mit Klagen bedroht. Das behindert die Suche nach dringend notwendigen innovativen Lösungen. Manche Politiker lassen sich aber nicht einschüchtern. Leni Robredo, die Vizepräsidentin der Philippinen, die als Mitglied der liberalen Partei einem anderen politischen Lager angehört als der Präsident, konnte mehrere Maßnahmen anschieben. Ihr Budget ist  überschaubar, deswegen kooperierte sie mit Freiwilligen und Unternehmen. Vizepräsidentin Robredo führte mehrere Buslinien ein, um Ärzte und Krankenschwestern während des Lockdowns zu ihren Krankenhäusern bringen zu lassen. Zudem organisierte sie für Gesundheitspersonal Wohnheime in der Nähe von Krankenhäusern. Mit Hilfe von Freiwilligen entwarf sie digitale Marktplätze, um den Handel zwischen Bauern und der Bevölkerung in Manila anzukurbeln. Ferner erarbeitete sie mit Freiwilligen eine Reihe von Schulungsvideos für Schüler, die während des Lockdowns nicht zur Schule gehen können. Ihr neustes Projekt ist eine digitale Jobbörse. Aufgrund der Coronakrise und des Lockdowns sind laut einer jüngsten Umfrage 45% ohne Job. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) prognostiziert einen Wirtschaftseinbruch von 7.3% für die Philippinen. Geschichten von Familien, die sich nun die Miete nicht mehr leisten können, sind traurige Realität.

Im Gegensatz zu dem Gestaltungswillen der Vizepräsidentin erscheint das Auftreten von Präsident Duterte mittlerweile gedämpft. Es beschränkt sich zumeist auf wöchentliche aufgenommene Diskussionsrunden mit dem obersten Gremium der Pandemiebekämpfung. Duterte verweist hier oft auf mögliche Impfstoffe. Seine fragwürdigen Empfehlungen sind meistens sehr öffentlichkeitswirksam: Statt medizinischer Erkenntnisse und faktenbasierten Empfehlungen rät der Präsident zum Beispiel zur Maskendesinfektion mit Benzin. Mit Blick auf die giftigen Ausdünstungen eine gesundheitsgefährdende Empfehlung. In der öffentlichen Diskussion sind die Stimmen von Virologen kaum zu hören. Ein philippinischer „Drosten“ scheint den Präsidenten nicht zu beraten.

Die Beschränkung auf das Warten auf einen möglichen Impfstoff und das harte Regierungsvorgehen gegen alternativer Ansätze erschwert die Umsetzung anderer Lösungsansätze. Wie der internationale Vergleich zeigt sind eine Ausweitung der Testkapazität und der Kontaktnachverfolgung notwendig. Dass eine bessere Politik möglich ist, zeigt sich nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch mit Blick auf etliche Lokalpolitiker und auf die philippinische Vizepräsidentin, die Positives bewegen.

Deutschland konnte die erste Infektionswelle meistern und die Zahl der Neuinfektionen deutlich senken. Nun haben die Philippinen die gleiche Gesamtzahl an Infektionen erreicht - trotz eines sechsmonatigen Lockdowns. Mit Blick auf andere Länder, auf lokale Beispiele und auf Empfehlungen der Weltgesundheitsbehörde ist klar: Erfolg ist möglich. Leider waren populistische Regierungschefs wie Präsident Duterte bereits vor der Coronakrise für ihre Beratungsresistenz, beschränkte Sicht und fehlende faktenbasierte Politik bekannt. Während der Pandemie ist dieser Weg tödlich.

 

Wolfgang Heinze ist Leiter des Philippinenbüros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Manila.