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26 Regierungs-Chefinnen sind nicht genug

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die kanadische Außenministerin Melanie Joly, die estnische Außenministerin Eva-Maria Liimetsthe, die norwegische Außenministerin Anniken Huitfeldt und die belgische Außenministerin Sophie Wilmes

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die kanadische Außenministerin Melanie Joly, die estnische Außenministerin Eva-Maria Liimetsthe, die norwegische Außenministerin Anniken Huitfeldt und die belgische Außenministerin Sophie Wilmes

© picture alliance / EPA | STEPHANIE LECOCQ

Noch 145 Jahre?! So lange könnte es dauern, schätzt das World Economic Forum in seinem Global Gender Gap Report 2021, bis Männer und Frauen weltweit in gleichem Maße aktiv politisch mitwirken - vorausgesetzt, dass sich die Kluft weiterhin so langsam verringert wie in den letzten 15 Jahren. Der Frauenreport der UN spricht von 130 Jahren in Bezug auf höchste politische Ämter.

Um einen Beitrag zur Beschleunigung zu leisten, hat die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Jahr 2020 mit einer Kampagne unter dem Titel Female Forward einen Startpunkt dafür gesetzt, mit ihrer weltweiten Arbeit noch stärker auf die ungleiche Beteiligung von Männern und Frauen in allen Gesellschaftsbereichen hinzuweisen und mit ihren Partnern in konkreten Projekten aktiv zu werden. Schließlich ist die Gleichberechtigung schon spätestens seit Mary Wollstonecraft („Vindication of the rights of woman“, 1792) oder John Stuart Mill und Harriet Taylor Mill ein selbstverständlicher Teil liberaler Philosophie.

Dass sich die Ergebnisse der Auslandsarbeit in den IAF Programmen widerspiegeln, zeigt sich ein Jahr später in der Auswahl der Themen und der von den Auslandsbüros vorgeschlagenen Teilnehmern und Teilnehmerinnen: Zum ersten Mal überstieg die Anzahl der weiblichen die der männlichen Teilnehmer, zum ersten Mal wurde die IAF beauftragt, ein Seminar zum Thema Politische Führung exklusiv für Frauen anzubieten, und es fanden mehrere Informationsprogramme statt, die sich mit der Frage beschäftigten, wie Frauen in der Politik gestärkt werden können, welche Rahmenbedingungen wichtig und welche Maßnahmen erfolgversprechend sein können.

Weibliche Vorbilder machen Mut

Auch wenn man die Statistik für die Gender Balance um solche Programme bereinigt, die sich exklusiv an Frauen richteten, lag der Anteil der weiblichen Seminarteilnehmer leicht über dem der männlichen, nämlich 51 % zu 49 %! 

Der Austausch in den IAF Programmen über die Situation von Frauen in der Politik hat einmal mehr gezeigt, dass sich diese weltweit recht ähnlich sind und dass es auch in freieren, demokratischen Gesellschaften besonderer Anstrengung bedarf, diese zu überwinden. Genannt wurden z.B. traditionelle Rollenbilder, Vorurteile gegenüber Frauen in politischen Führungspositionen oder (überwiegend von Männern gestaltete) politische Abläufe, die es Frauen besonders erschwerten, sich zu engagieren. 

Klar wurde aber auch, dass Frauen selbst und aktiv zur Verbesserung der Situation beitragen können, indem sie notwendige Fähigkeiten wie politische Kommunikation oder strategisches Planen erwerben und bewusst Netzwerke aufbauen. Wichtig war zudem, sich damit auseinanderzusetzen, dass Frauen vermeintlich weibliche Merkmalszuschreibungen als handlungsleitend annehmen, ohne sie zu hinterfragen und sich deshalb z. B. öfter zurücknehmen oder Ziele weniger ambitioniert verfolgen.

Mut machen auch weibliche Vorbilder: Die IAF konnte einige beeindruckende liberale Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft für den Austausch gewinnen, wie u.a. die lettische Innenministerin Marija Golubeva, die heutige Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger, mehrere Mitglieder des Europäischen Parlamentes oder des Deutschen Bundestages, die ehemalige Kampagnenmanagerin der estnischen Liberalen und heutige Unternehmensberaterin Annika Arras, die international anerkannte Autoritarismus-Expertin Karen Stenner oder die Autorin und Empathie-Forscherin Mimi Nicklin.

„Liberalism is adultism“

Aber auch jenseits der exklusiven Seminare und Programme für Frauen ist es der IAF ein Anliegen, ein Bewusstsein für Gleichberechtigung zu schaffen, indem mittlerweile fast so viele weibliche wie männliche Persönlichkeiten als Experten eingeladen werden. Besonders beeindruckend war der Gedankenaustausch mit Prof. Deirdre Nansen McCloskey, eine hoch angesehene US-amerikanische Professorin für Wirtschaft und Geschichte, liberale Denkerin und Autorin, inspirierte die Teilnehmer nicht nur mit ihrer eigenen Lebensgeschichte, sondern auch mit ihrer Sicht auf den Liberalismus: „Liberalism is adultism“. Sie meint damit, dass der Liberalismus als einzige politische Denkrichtung die Menschen wirklich als Erwachsene betrachte, die man nicht erziehen, bevormunden oder auf dem richtigen Weg halten müsse.

Würde entstehe für alle Menschen dann, wenn sie ganz selbstverständlich die gleiche Berechtigung („equality of permission“) hätten, ihr Leben zu gestalten und sich in eine Gesellschaft einzubringen. So könnte man auch die Grundhaltung beschreiben, mit der die IAF seit vielen Jahren ihre Programme konzipiert, Maßnahmen didaktisch umsetzt und zur weltweiten Arbeit der Stiftung beiträgt. Auch dafür, dass es nicht 145 Jahre dauert, bis die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern Normalität ist.