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Walter Scheel
Mit Mut zum Risiko

Festakt zum 100. Geburtstag Walter Scheels
Festakt zum Walter Scheels 100. Geburtstag im Landtag Nordrhein-Westfalen

Festakt zu Walter Scheels 100. Geburtstag im Landtag Nordrhein-Westfalen

© Janine Schmitz, photothek

Nur wenige haben die deutsche Nachkriegspolitik in ähnlichem Maße geprägt wie Walter Scheel: Die Reform der FDP zur modernen Partei, die europäische Einigung und auch die deutsche Einheit hat der große Liberale gestaltet und vorbereitet. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Fraktion der Freien Demokraten im Landtag Nordrhein-Westfalen nahmen den 100. Geburtstag Walter Scheels zum Anlass, seine Lebensleistung zu würdigen und an die Meilensteine seiner Politik zu erinnern.

„Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts“, ist eine viel zitierte Maxime des ehemaligen Außenministers, Bundespräsidenten und FDP-Vorsitzenden Walter Scheel. Der Mut zum Risiko und der Wille zu gestalten hatten den großen Liberalen zu einem der bedeutendsten und wirkungsreichsten deutschen Politiker der jungen Bundesrepublik werden lassen. Für seinen Mut, das zeigte sich beim Festakt zu Walter Scheels 100. Geburtstag im nordrhein-westfälischen Landtag, wird Scheel bis heute bewundert.

So begrüßte André Kuper, Präsident des nordrhein-westfälischen Landtags, die Gäste mit den Worten, Scheel habe zu den Politikern gehört, die sich nicht nach der Meinung anderer ausrichteten, sondern die fest zu ihren Überzeugungen standen. Liberalität, Ausgewogenheit und Führungsstärke waren Scheels große Fähigkeiten, die angesichts der humanitären Not auf dem Mittelmeer und des sich ausbreitenden Antisemitismus auch heute noch dringend benötigt werden. Denn, so Kuper, wie Scheel „sind auch wir der Freiheit verpflichtet“.

Weichen stellen für die deutsche Einheit

Diesen Worten konnte sich die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, nur anschließen. In ihrer Einführung betonte Sie, Scheel sei ein zielstrebiger Politiker gewesen, der mit hohem persönlichem Einsatz, wichtige politische Reformen initiierte. Scheel habe mit der neuen Ostpolitik historische Meilensteine gesetzt und die Weichen für die deutsche Einheit gestellt. Scheel sei ein Visionär und Ausnahmepolitiker der deutschen Nachkriegsgeschichte gewesen, der im besten Wissen um seine politische Verantwortung fest zu seinen Überzeugungen stand und für den politischen Liberalismus kämpfte. Das zeigte sich insbesondere in der Reform der FDP, die unter seiner Führung nicht den „rechten“, sondern den „richtigen“ Weg hin zur sozialliberalen Koalition einschlug. Walter Scheel scheute keine unpopulären Entscheidungen, solange sie seinen politischen und moralischen Überzeugungen entsprachen.

Diese Überzeugungen, ergänzte Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, kulminierten im Verfassungspatriotismus Walter Scheels. Scheel gehörte zu einer Gruppe junger Demokraten, die bereit waren, aus der Geschichte zu lernen, neu aufzubauen und die materiellen und geistigen Trümmer des Nationalsozialismus zu beseitigen. So wirkte Scheel in verschiedenen politischen Einrichtungen auf kommunaler Ebene, in Institutionen der Länder und des Bundes sowie als Präsident der Europa-Union leidenschaftlich am Aufbau der Demokratie mit – zu einer Zeit, in der dieses Engagement für Demokratie und Rechtsstaat keineswegs selbstverständlich war. Daran müsse man sich, so Stamp, heute ein Beispiel nehmen: „Wie auch Walter Scheel die Demokratie stets verteidigte, so müssen wir heute unsere offene Gesellschaft vor Rassisten und Nationalisten schützen“, appellierte Stamp an das Publikum.

Ein überzeugter Europäer

Auch in der anschließenden Diskussionsrunde mit Burkhard Hirsch, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Ulrich Scheel und Thomas Kutschaty wurde reihum Walter Scheels Mut betont: Sein Mut zum Koalitionsbruch, der mit dem Verlust der Regierungsverantwortung einherging; sein Mut zur Gestaltung einer neuen Ostpolitik, die die deutsche und europäische Einigung vorbereitete und vor allem: sein Mut, die Wahrheit zu sagen.

Burkhard Hirsch, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen a.D und langjähriger Weggefährte Walter Scheels, erinnerte daran, dass Scheel ein überzeugter Europäer war, der als Vordenker und Visionär großen Einfluss auf die Bildung der europäischen Gemeinschaft hatte. Auch deshalb sei Walter Scheel der bedeutendste Liberale der Nachkriegszeit. In seinem Geiste müsse Europa heute zu einem geeinten Europa der Bürger werden, forderte Hirsch.

Als Vorsitzendem der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen und Vertreter der Sozialdemokratie an diesem Abend kam es Thomas Kutschaty zu, die Bedeutung der sozialliberalen Koalition hervorzuheben. Scheel habe, so Kutschaty mit dem Eintritt in die sozialliberale Koalition gezeigt, dass man sich neu orientieren kann und Mut beweisen muss, um positive gesellschaftliche Entwicklungen voranzutreiben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ergänzte:

„Scheel stand für den Aufbruch: In der Rechts- und Innenpolitik, im Strafrecht, im Verhältnis des Bürgers zu Staat und Grundrechten – und mit seinem klaren Bekenntnis zum Rechtsstaat.“

Der Staat darf nicht zum Sicherheitsrisiko werden

Dass diese politische Arbeit auch Scheels Familie prägte, wusste Walter Scheels Sohn, Ulrich Scheel, zu berichten. Sein Vater sei ein „Macher“ gewesen, der einen untrüglichen Sinn für einmalige Situationen hatte – und der nicht davor zurückschreckte, die sich ergebenden Gelegenheiten auch zu nutzen. Schließlich betonte Ulrich Scheel, wie auch die weiteren Redner, den Humor und Freigeist seines Vaters. Denn, „wenn man an Scheel denkt, dann hört man ihn singen – und er konnte sogar singen.“