Verbrechen gegen Journalisten
Schutz nur in der Theorie
Die Philippinen verfügen über eine plurale Medienlandschaft mit mehr als 1000 Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen. Die Gesetzeslage ist sehr gut, theoretisch sichert sie die Rechte von Journalisten. Allerdings sind die meisten privaten Medienhäuser im Besitz von einflussreichen Familien und vertreten deren politische Interessen. Die rechtliche Sicherheit besteht vorwiegend auch nur in der Theorie. Verleumdungsklagen werden verwendet, um Journalisten zu behindern. Kritische Berichterstatter werden täglich angefeindet und bedroht. Journalisten außerhalb der großen Städte sind besonders gefährdet.
Wie ist es aktuell um die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten im Land bestellt?
Dieses Jahr wurden mindestens drei Journalisten umgebracht. Keiner der drei Morde wurde geklärt, die Mörder sind weiterhin auf freiem Fuß. Im Bezug auf Straffreiheit bei Morden von Journalisten hat das Committee to Protect Journalists 2017 eine Studie herausgegeben. Dort rangieren die Philippinen auf dem fünftletzten Platz, vor Somalia, Syrien, Irak und dem Südsudan. Aufgrund von Korruption in der Polizei und der Justiz werden Übergriffe und Morde auf Journalisten kaum aufgeklärt. Die Ermordung von 34 Journalisten in Maguindanao, das bislang größte dokumentierte Massaker an Journalisten, ist nach neun Jahren immer noch nicht aufgeklärt – obwohl ziemlich klar ist, wer wohl dahinter stand. Die philippinische Zivilgesellschaft ist zwar lebhaft und prangert den Tod dieser Journalisten an, zu einer verbesserten Aufklärungsrate führt dies aber nicht. Solange Journalistenmörder straffrei bleiben, wird die Sicherheit von Journalisten weiterhin gefährdet sein.
Seit dem Amtsantritt von Präsident Duterte im Juni 2016 hat sich die Situation zudem nicht verbessert. Der Präsident wird von Menschenrechtsverteidigern sogar als Unterstützer solcher Morde gesehen. Den Mord an dem Journalisten Jun Pala im Jahre 2003, der damals auch Duterte kritisierte, kommentierte der Präsident mit den Worten: „Das Beispiel ist Pala, ich will die Erinnerung an ihn nicht schmälern, aber er war ein mieser Hurensohn. Er hat es verdient.“ Zudem ist unter Duterte eine neue Unterdrückungsform zu beobachten. Fake News werden per Trolle und Bots sehr professionell in sozialen Medien gestreut. Die Artikel loben den Präsidenten und mobilisieren gegen Kritiker seiner Regierung. Die geschickte Ausnutzung von Algorithmen auf Facebook und anderen Plattformen ermöglicht ihre weite Streuung, seriöse Nachrichtenartikel werden so überlagert. In diesen Artikeln loben Prominente Präsident Duterte als „Gigant des 21. Jahrhunderts (eine angebliche Äußerung Angela Merkels)“, „von Gott auserwählt“ (Papst Franziskus) oder als „echter Kämpfer“ (Arnold Schwarzenegger). Zudem werden kritische Journalisten mit gefälschten Artikeln diskreditiert, und bezahlte Internettrolle versuchen durch ihre Hasstiraden Journalisten gezielt mundtot zu machen. Facebook versucht mittlerweile die Accounts zu löschen, aber es ist wie im Kampf gegen die vielköpfige Hydra: Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei nach.
Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verbessert oder verschlechtert?
Aufgrund der gesunkenen Zahl von ermordeten Journalisten hat sich die Situation statistisch verbessert. Von einem wirklichen Fortschritt kann aber nicht gesprochen werden. Die Rahmenbedingungen haben sich nämlich nicht verändert. Die meisten privaten Medienhäuser vertreten immer noch die politischen Interessen von einflussreichen Familien. Die Verbreitung von Fake News hat die Situation vielmehr verschlechtert. Wie Trump bezeichnet auch Präsident Duterte unabhängige Medienhäuser als „Fake News“. Zudem stehen Medienhäuser, welche die Regierungspolitik kritisch verfolgen, unter Druck.
Eine Familie musste nach kritischen Artikeln ihre Tageszeitung „The Inquirer“ an einen Duterte-nahen Geschäftsmann veräußern. Einem anderen Medienunternehmen, Rappler, wurde die Lizenz entzogen und ihren Journalisten wird der Zugang zu Pressekonferenzen des Präsidenten verweigert. Die Defizite bei der Polizei und den Gerichten haben sich auch verschlechtert. Eine strukturelle Verbesserung für die Sicherheit von Journalisten sieht anders aus. Solange Berichterstatter ohne Folgen ermordet werden, bleibt der Journalismus auf den Philippinen ein gefährlicher Beruf.
Inwieweit wirkt sich die Straflosigkeit auf die Meinungs- und Pressefreiheit im Land aus?
Journalisten sind sehr vorsichtig bei ihrer Arbeit. Sie denken ganz genau nach, wenn sie kritisch über sensible Themen wie Korruption berichten. Nur Mutige veröffentlichen ihre Stories. Verleumdungsklagen können den finanziellen Ruin bedeuten, außerdem besteht vor allem in ländlichen Gebieten die Gefahr, ums Leben zu kommen. Aufgrund der Anfeindungen im Internet haben einige Journalisten ihre Profile in sozialen Medien deaktiviert.
Wird die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten in der öffentlichen Debatte thematisiert? Gibt es konkrete Fälle, die in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind?
Vor allem die Ermordung der Journalisten in Maguindanao aus dem Jahr 2009 bleibt im öffentlichen Gedächtnis. Nicht nur aufgrund der hohen Zahl der ermordeten Journalisten, sondern auch weil bis heute keiner der Verdächtigen verurteilt wurde, obwohl erdrückende Beweise vorliegen. Die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten wird in der Öffentlichkeit immer wieder aufgegriffen, zu einer Verbesserung der praktischen Situation hat dies aber noch nicht geführt.
Welche Organisationen setzen sich im Land gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten ein? Inwieweit unterstützt die FNF diese Bemühungen?
Das Committee to Protect Journalists und das Centre for Media Freedom and Responsibility sind wichtige Institutionen, die sich gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten einsetzt. Die Stiftung engagiert sich mit ihren Partnern für die Stärkung der Medienfreiheit auf den Philippinen, indem sie bisher eher rudimentär vorhandene Journalistennetzwerke stärkt und die Ausarbeitung von innovativen Methoden gegen Fake News unterstützt. Das Journalistennetzwerk musste sich im letzten Jahr verstärkt für unter Druck geratene Journalisten einsetzen. Die diesjährige Konferenz der Journalisten lautete deshalb auch „Closing Ranks“, oder „Zusammenhalten“.
Siegfried Herzog ist Regionalbüroleiter der Stiftung für die Freiheit für Südost- und Ostasien.